Nr. 1/2017

Nonverbales Verhalten von Fußballschiedsrichtern

Schiedsrichter haben während eines Fußballspiels eine wesentliche Aufgabe: Entscheidungen treffen. Und zwar Entscheidungen auf Strafstoß, Freistoß, Einwurf oder Abstoß, für eine Gelbe oder Rote Karte oder manchmal sogar für einen Spielabbruch. Ziel aller dieser Entscheidungen ist eine objektive Spielleitung. Häufig wird ihnen damit sogar attestiert, dass sie ein Spiel kontrollieren könnten.

Körpersprache ist – so schreibt der Deutsche Fußballbund (DFB) auf seiner Internetseite – „für jeden Schiedsrichter ein zentrales Mittel der Spielleitung“. Körpersprache wird in der Wissenschaft auch als nonverbales Verhalten bezeichnet. Zum nonverbalen Verhalten von Fußballschiedsrichtern gibt es bereits einige wissenschaftliche Erkenntnisse. Dr. Philip Furley (Institut für Kognitions- und Sportspielforschung der Deutschen Sporthochschule Köln) und Geoffrey Schweizer (Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg) haben nun in mehreren wissenschaftlichen Experimenten den Zusammenhang zwischen dem nonverbalen Verhalten von Fußballschiedsrichtern und der Kommunikation ihrer Entscheidungen im Spiel untersucht. Die Ergebnisse fasst der Aufsatz „Nonverbal communication of confidence in soccer referees: An experimental test of Darwin’s leakage hypothesis“ zusammen, der demnächst im Journal of Sport and Exercise Psychology erscheint.

„Sowohl im Umgang mit den Offiziellen, als auch im Gespräch mit den Spielern hat ein Schiedsrichter in seiner verbalen wie nonverbalen Kommunikation absolute Objektivität zu wahren“, heißt es beim DFB und weiter: „Die Erfahrung hat gezeigt, dass Unparteiische weniger Probleme mit ihren Spielleitungen haben, wenn sie den Spielern sicher und mit der nötigen Konsequenz gegenüber treten (…).“ Neben dem DFB betonen auch FIFA und UEFA sowie die Schiedsrichter selbst (Cunningham et al., 2014), welche Bedeutung die richtige Körpersprache für die Kommunikation von Entscheidungen besitzt. Körpersprache bzw. nonverbales Verhalten gelten als Instrument, ein Spiel zu kontrollieren sowie Autorität und Selbstbewusstsein auszustrahlen. Soweit die Annahmen bzw. Empfehlungen für die Praxis.

Gleichwohl zeigen bisherige Studien, dass nonverbales Verhalten sowohl bewusst und absichtlich kontrolliert werden kann, dass es aber auch unter unbewusster, unabhängiger Kontrolle steht. Vor allem gibt es Hinweise darauf, dass eine Person ihr nonverbales Verhalten tendenziell weniger bewusst kontrollieren kann, je mehr sie unter Druck oder Anstrengung steht. Dies veranlasste die Autoren Furley und Schweizer zu folgender Hypothese: Steht ein Schiedsrichter in einem Wettbewerb unter besonderer Beobachtung, z.B. in der Situation, dass er eine heikle Entscheidung treffen muss, wird sein nonverbales Verhalten stärker unbewusst gesteuert. Dieser Anteil der unbewussten Kontrolle wird umso größer, je komplexer bzw. schwieriger die zu treffende Entscheidung ist. Aufgrund verschiedener Evolutionstheorien nehmen die Autoren weiterhin an, dass externe Beobachter ziemlich sicher erkennen können, ob das selbstbewusste Auftreten eines Schiedsrichters „echt“ oder „inszeniert“ ist. Diese Bewertung der Selbstsicherheit des Schiedsrichters könnte dann wiederum Auswirkungen auf das eigene Verhalten haben, sprich auf das Verhalten des Beobachters bzw. des Fußballspielers, der von der Entscheidung des Schiedsrichters betroffen ist.

„Ziel unserer Experimente war herauszufinden, wie gut professionelle Fußballschiedsrichter ihrem Anspruch, in ihren eigenen Entscheidungen möglichst sicher aufzutreten, gerecht werden, auch wenn sie relativ schwierige Entscheidungen kommunizieren müssen“, erklärt Dr. Philip Furley die Fragestellung. In drei aufeinander aufbauenden Experimenten zeigten die Wissenschaftler ihren Probanden Videoszenen, welche die Bekanntgabe einer Entscheidung durch den Schiedsrichter beinhalteten. Die Videos wurden dabei ohne Ton abgespielt und es war jeweils nur die Schiedsrichterentscheidung zu sehen und nicht die vorangegangene Spielszene. Zuvor hatten die Wissenschaftler das Videomaterial mithilfe von Experten klassifiziert, d.h. eingeteilt in eindeutige Szenen, bei denen der Schiedsrichter mit hoher Sicherheit die richtige Entscheidung kommuniziert, und in unklare Szenen, in denen der Schiedsrichter womöglich von seiner Entscheidung nicht ganz überzeugt ist.

Anhand der Videos sollten die Probanden das nonverbale Verhalten der Schiedsrichter anhand der Frage „Wie sicher ist sich der Schiedsrichter seiner Entscheidung?“ auf einer Skala von „sehr sicher“ bis „sehr unsicher“ bewerten. Die Ergebnisse zeigen, dass Schiedsrichter nach uneindeutigen Entscheidungen im Schnitt weniger sicher eingeschätzt wurden als nach sicheren Entscheidungen. Das nonverbale Verhalten der Referees scheint also ungewollt dem Beobachter Informationen darüber zu liefern, wie überzeugt er von seiner eigenen Entscheidung ist. „Dies könnte bedeuten, dass die Körpersprache für den Schiedsrichter nicht nur ein wichtiges Instrument darstellt, um das Spiel zu kontrollieren, sondern – im Gegenteil – ihn auch outen kann, wenn er sich einer Entscheidung nicht ganz sicher ist. Dies könnte dann wiederum dazu führen, dass die Spieler eher geneigt sind, mit dem Referee zu diskutieren“, ordnet Furley die Ergebnisse ein.

Den Punkt „Diskussionsverhalten“ berücksichtigten die Forscher in ihrem dritten Experiment. Hier sahen sich die Probanden in ein hypothetisches Szenario versetzt, bei dem sie in der Rolle des Fußballspielers bewerten sollten, ob sie die Entscheidung des Schiedsrichters diskutieren würden oder nicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bereitschaft zur Diskussion signifikant höher bei Situationen ausfällt, in denen der Referee eine unklare Entscheidung kommuniziert. Das nonverbale Verhalten der Schiedsrichter scheint also eine höhere Unsicherheit auszustrahlen, die die Spieler bzw. Beobachter dazu veranlasst, die Entscheidung zu kritisieren.

„Insgesamt geben unsere Ergebnisse einen ersten Hinweis darauf, dass Schiedsrichter weniger als bisher angenommen das eigene nonverbale Verhalten kontrollieren können, insbesondere in Drucksituationen mit besonders schwierigen Entscheidungen“, fasst Furley zusammen. Dies wirft u.a. Fragen zur inhaltlichen Gestaltung der Schiedsrichterausbildung auf. Denkbar wären z.B. Trainingsprogramme, die verstärkt die intuitive Entscheidungsfindung fördern, was den Vorteil hätte, dass mehr kognitive Kapazität für die bewusste Kontrolle des nonverbalen Verhaltens vorhanden bliebe.

Text: Julia Neuburg

Autoren


Dr. Geoffrey Schweizer

Universität Heidelberg
Institut für Sport und Sportwissenschaft
geoffrey.schweizer@­issw.uni-heidelberg.de


Info

Der Artikel „Nonverbal communication of confidence in soccer referees: An experimental test of Darwin’s leakage hypothesis“ wird in einer der kommenden Ausgaben des Journal of Sport & Exercise Psychology veröffentlicht.