Nr. 1/2018

Point of Care Testing als athletennahe Sofortdiagnostik

Point of Care Tests sind medizinische Schnelltests, die einfach und schnell und an fast jedem Ort durchgeführt werden können. Der bekannteste Point of Care Test ist wohl der Schwangerschaftstest. Es handelt sich also um eine patientennahe Sofortdiagnostik. Auch im Sport hat diese Form der Diagnostik, das Point of Care Testing (POCT), Einzug gehalten. WissenschaftlerInnen der Deutschen Sporthochschule Köln haben nun einen Überblick zu den verschiedenen Fragestellungen mit sportwissenschaftlichem Hintergrund zusammengestellt, bei denen POCT zur athletennahen Sofortdiagnostik eingesetzt wird - auch im Wintersport.

Die Szene haben die meisten Sportinteressierten schon mal gesehen: Sportler laufen Runden um einen Sportplatz, in kurzen Pausen wird ihnen mit einem kleinen Pieks Blut aus dem Ohrläppchen entnommen, welches im Anschluss für eine Laktatanalyse genutzt wird. Letztlich werden daraus Aussagen zum Fitnesszustand der Sportler abgeleitet. Der Laktattest ist ein bereits sehr etabliertes Beispiel für das so genannte Point of Care Testing. „Der Begriff hat einen klinischen Ursprung in der Notfalldiagnostik. In der Sportmedizin und Sportwissenschaft sowie im Hochleistungssport spielt POCT auch ohne notfallmedizinischen Hintergrund eine große Rolle, zum Beispiel zur Kontrolle des Gesundheits- und Leistungsstatus eines Athleten“, erklärt Dr. Silvia Achtzehn vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln, die mit mehreren KollegInnen einen Artikel zum Status quo des POCT veröffentlicht hat.

„Die Messgeräte des POCT sind meist klein und transportabel, wodurch Biomarker athletennah und an jedem Trainings- und Wettkampfort gemessen werden können“, erklärt sie, wie die Anwendung in der Praxis aussieht. Charakteristisch für das POCT ist zudem die zeitnahe Ergebnisermittlung, die es erlaubt, unmittelbar Informationen zur jeweiligen Fragestellung zu gewinnen, etwa zum akuten Belastungsstatus des Sportlers während einer Trainingseinheit. Die Bedienung der Messgeräte ist einfach, sodass POCT ohne medizinisches Fachpersonal anwendbar ist. Weil Proben minimal-invasiv, z.B. am Ohrläppchen, oder non-invasiv genommen werden, sind zeitlich engmaschige Untersuchungen möglich, ohne den Athleten durch venöse Blutabnahmen zu belasten.

Aufgrund dieser Aspekte findet POCT eine breite Anwendung bei sportwissenschaftlichen Fragestellungen sowie im Hochleistungs- und Spitzensport. Drei Untersuchungsschwerpunkte lassen sich dabei unterscheiden: 1. Erhebung des Gesundheits- und Leistungsstatus des Athleten in jedem Setting; 2. Zeitlich engmaschige Blutentnahmen machen unterschiedliche Kinetiken der verschiedenen Biomarker erkennbar, was besonders im Zusammenhang mit verschiedenen Interventionen von Interesse ist; 3. Ein Belastungsmonitoring erlaubt es, die Belastungsmarker in individuellen Profilen zu beurteilen. POCT umfasst derzeit vor allem Biomarker der Inflammation (Entzündung), des Eisenmangels, der körperlichen Leistungsfähigkeit, des Metabolismus, der muskulären Belastung sowie des Speichels.

POCT zur Kontrolle des Gesundheits- und Leistungsstatus eines Athleten

Training hat grundsätzlich das Ziel, die sportliche Leistung des Athleten zu erhöhen. Zu hohe Belastungen können aber auch zu einer gesundheitlichen Gefährdung führen. Um den allgemeinen Gesundheitszustand des Sportlers zu beurteilen, können die Inflammationsmarker Leukozyten und C-reaktives Protein (CRP) herangezogen werden. Mit Tischgeräten lassen sich diese Biomarker athletennah entweder als Einzeltest oder als kleines Blutbild erheben. „Liegen erhöhte Werte vor, ist eine genaue Interpretation der Ergebnisse wichtig, denn nur sie kann zeigen, ob die Werte medizinischen Ursprungs sind oder durch die intensive körperliche Belastung hervorgerufen werden“, sagt Silvia Achtzehn. Entscheidend für die körperliche Leistungsfähigkeit ist auch der Eisenstoffwechsel von Sportlern. Eisenmangel kann die Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes herabsetzen. Um den Eisenspeicher zu beurteilen, kann Ferritin (FER) einfach und in jedem Setting mittels POCT gemessen werden. Gleiches gilt für die Messung der totalen Hämoglobinmasse (tHb-mass), wobei die Beurteilung deren Veränderung, z.B. eine Erhöhung durch Höhentraining, ein hohes Maß an Messpräzision erfordert. Transportable Messgeräte sind hier ein wichtiges Instrument, da eine Studie nahelegt, die Messtechnik über einen längeren Zeitraum nicht zu wechseln, um Messvarianzen, hervorgerufen durch eine unterschiedliche Messtechnik, zu vermeiden.

Mittlerweile absolut etabliert ist in der Sportpraxis die Laktatleistungsdiagnostik zur Kontrolle des Leistungsstatus. Diese wird meist auf einem Ergometer in Kombination mit einer Spirometrie durchgeführt. Eine breite Palette an POCT-Geräten zur Laktatanalyse erlaubt aber auch Tests im Feld, z.B. auf der Laufbahn.

POCT in sportwissenschaftlichen Interventionsstudien

Verschiedene sportwissenschaftliche Interventionsstudien zeigen, wie wichtig und aufschlussreich die athletennahe Sofortdiagnostik sein kann. "Die ersten Messungen wurden vor zirka zehn Jahren in Höhentrainingslagern und bei Profifußballern durchgeführt", erklärt Silvia Achtzehn. In ihrem Artikel führt sie beispielsweise eine Studie an, bei der ein Höhentrainingslager von Schwimmern mit POCT-Geräten begleitet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt stand allerdings kein POCT-Gerät zur Messung von Ferritin zur Verfügung. Dieser Biomarker wurde erst nachträglich ausgewertet; somit wurde erst nach Ende des Trainingslagers festgestellt, dass der Eisenstoffwechsel einzelner Athleten stark beansprucht war und deren FER-Werte starken Veränderungen unterlagen. Mittlerweile kann auch Ferritin athleten- und zeitnah mittels POCT gemessen werden.

Eine andere Studie mit Skilangläufern wurde an verschiedenen Trainingsorten in den Alpen mittels POCT durchgeführt. Hier standen Messungen zum Hämoglobin (Hb) und Hämatokrit (Hk) im Vordergrund. Die Ergebnisse zeigten hohe intraindividuelle Varianzen für Hb in Bezug auf jede Intervention; somit trugen die Erkenntnisse dazu bei, dass definierte Grenzwerte für Hb und Hk zur Kontrolle von Blutmanipulationen abgeschafft wurden. Stattdessen werden Blutparameter heute in einem individuellen Profil erfasst und bewertet (Blut-Pass). Ein anderes Beispiel für den Einsatz von POCT im Wintersport ist die non-invasive Messung der Muskeloxigenierung mit Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS). „Beim Ski alpin und im Eissschnellsport spielt diese Messung eine große Rolle, da Kontraktionen der unteren Extremitäten die zuführenden Blutgefäße komprimieren, der Blutfluss hierdurch reduziert wird und infolgedessen das Sauerstoffangebot an der Muskelzelle abnimmt", erläutert Achtzehn.

Auch Überlastungen der Muskulatur können mittlerweile mittels POCT erkannt werden; Ziel hierbei ist, einer möglichen Ermüdung oder Überbelastung vorzubeugen. Liegen muskuläre Proteine in erhöhter Konzentration im Blut vor, kann auf muskuläre Schädigungen geschlossen werden. Das Point of Care Testing bezieht sich dabei auf die Messung von Kreatinkinase (CK), Aspartat-Transaminase (AST) und Laktatdehydrogenase (LDH). Eine Studie mit Mittelstreckenläufern im Höhentrainingslager setzte mittels POCT ein engmaschiges Monitoring von Biomarkern um. Anhand des Monitorings konnte beurteilt werden, dass keiner der Athleten ein Übertrainingssyndrom ausbildete. „Neben der Messung von Biomarkern aus dem Blut wird mittlerweile auch die Speichelanalytik als Point of Care Testing angewendet“, erklärt Silvia Achtzehn. „So können beispielsweise anhand des Speichels Cortisol und α-Amylase gemessen und Aussagen zum akuten oder chronischen Stress des Athleten gemacht werden.“

POCT als Instrument zum zeit- und athletennahen Belastungsmonitoring

Im Idealfall führt Belastung zu positiven physiologischen Anpassungsprozessen und damit zu einer besseren Leistung. Wird diese empfindliche Grenze allerdings überschritten, drohen Erschöpfungszustände und Überbelastung und letztlich eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit. Als Kontrollinstrument kann ein engmaschiges Monitoring von Belastungsmarkern über einen längeren Zeitraum und die damit verbundene Beurteilung in individuellen Profilen dienen. Mittels POCT kann das Monitoring wöchentlich, täglich und an jedem beliebigen Trainings- und Wettkampfort durchgeführt werden. Aussagekräftig sind v.a. Marker des Metabolismus und muskuloskelettalen Systems. Eine Studie mit Profifußballern in der Saisonvorbereitungsphase bzw. in der ersten Woche der Spielzeit analysierte mittels Blutanalysen verschiedene Biomarker. Die Ergebnisse zeigen eindeutige belastungsabhängige Reaktionen und konnten somit zur Quantifizierung und Kontrolle der Trainingsbelastung herangezogen werden. Im Fußball ist dieses Verfahren schon längst etabliert, andere Sportarten zeigen zunehmend Interesse, eine Belastung quantifizieren zu können, und auch im Nachwuchsleistungssport kann mit POCT ein tägliches Monitoring problemlos eingesetzt werden.

In diesem Artikel wird aus Gründen einer besseren Lesbarkeit teilweise nur die männliche Sprachform verwendet. Dies ist ausdrücklich nicht als Diskriminierung von Frauen zu verstehen.

Text: Julia Neuburg 

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Paper

POCT: Möglichkeiten und Anwendungsbereiche zur athletennahen Sofortdiagnostik im Hochleistungs- und Spitzensport. / Achtzehn, Silvia; Behringer, Michael; Krüger, Malte; Wahl, Patrick; Wahl, Yvonne; Broich, Holger ; Mester, Joachim. In: Journal of Laboratory Medicine, Vol. 41, No. 5, 12.10.2017, p. 229-237. 

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Verschiedene Geräte für das Point of Care Testing


Fotos: Silvia Achtzehn