Nr. 1/2024
Mit dem Olympiasieg zum Geschäftserfolg?
Was haben Lukas Podolski, Johannes Bitter, Uwe Gensheimer und Moritz Fürste gemeinsam? Richtig, alle sind oder waren Spitzensportler und haben in ihren Sportarten hochkarätige Erfolge gefeiert. Und sie haben den Weg in die Selbständigkeit gesucht und eigene Unternehmen gegründet. Sie sind Best Practice Beispiele für ein noch recht junges Forschungsfeld: Sport Entrepreneurship (grob übersetzt: Unternehmertum im Sport). Sophia Haski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement und befasst sich unter anderem mit der Frage, welchen Einfluss der Sport auf unternehmerische Kompetenzen und umgekehrt hat.
Fußballweltmeister Lukas Podolski besitzt mehrere Döner-Restaurants sowie zwei Eisdielen in Köln und das Modelabel Strassenkicker. Ex-Handballstar Johannes Bitter hat ein eigenes Energiegetränk, „drinkbetter“, entwickelt. Sein Handballkollege Uwe Gensheimer hat gemeinsam mit den beiden Handballprofis Andy Schmid und Marko Vucelic das Modelabel UANDWOO gegründet. Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste ist Mitgründer des Sportwettkampfs Hyrox. Sie alle haben sich als Unternehmer im Sport etabliert. Die Wissenschaftlerin Sophia Haski geht dem Phänomen Sport Entrepreneurship in ihrer Forschung auf den Grund. In einer ihrer aktuellen Veröffentlichungen untersucht sie, welchen Einfluss die individuellen Merkmale Herkunft und Alter sowie die ausgeübte Sportart auf die unternehmerischen Kompetenzen haben. Der Artikel mit dem Titel “From athlete to entrepreneur? – Investigating the influence of sport characteristics on athlete’s entrepreneurial orientation competencies” erschien im Januar in der Fachzeitschrift Managing Sport and Leisure (Link zum Artikel).
Athlet*innen und Unternehmer*innen werden häufig ähnliche Charaktereigenschaften attestiert: Disziplin, Ehrgeiz, aber auch Kreativität und Risikobereitschaft. Dahinter steht die Idee, dass es Parallelen zwischen einer Karriere im Sport und der Gründung eines Unternehmens gibt, etwa, dass hier ähnliche Kompetenzen benötigt werden. „In der Forschung zu Entrepreneurship gibt es verschiedene Ansätze, die diese Zusammenhänge erklären oder begründen“, sagt Sophia Haski. Welchen Effekt hat es zum Beispiel, wenn Personen bereits in der Kindheit und Jugend kompetitiv Sport treiben? Welche Fähigkeiten werden dadurch ausgebildet? Und wie können diese Fähigkeiten aus dem Sport auf den Beruf übertragen werden? Zu diesen Fragen gibt es erste Antworten, aber noch keine breiten fundierten wissenschaftlichen Erkenntnisse. „Spezifische Studien zu Sport Entrepreneurship sind überschaubar. Es gibt auch nur einige wenige Forscher*innen, die das Feld bearbeiten und somit ist konzeptionell wie auch methodisch noch viel Luft nach oben“, skizziert Haski die aktuelle Studienlage. Mit ihren Arbeiten möchte sie daher einen Überblick über das Feld geben und die Begriffsdefinition mitprägen.
Entrepreneurship wird laut Sophia Haski zunehmend zu einem alternativen und/oder zweiten Karriereweg für Athlet*innen. Neben den eingangs erwähnten Beispielen, die sogar eigene Unternehmen gegründet haben, gibt es auch Topathlet*innen, die sich finanziell an Startups beteiligen, zum Beispiel Fußballspieler Mario Götze, der über seine Firma Companion-M zahlreiche Startup-Investments abwickelt. Ex-Tennisstar Serena Williams hat mit „Serena Ventures“ einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Um hierbei genauso erfolgreich zu sein wie auf dem Fußball- oder Tennisplatz, sind unternehmerische Kompetenzen vonnöten. „Bislang werden in diesem Zusammenhang beispielsweise etablierte Konstrukte wie Entrepreneurial Orientation (EO) erwähnt, die über Autonomie, Innovationsfähigkeit, Risikobereitschaft, Proaktivität und wettbewerbsorientierte Aggressivität definiert sind“, erklärt Haski. Um den Einfluss von Sport auf diese Fähigkeiten genauer zu untersuchen, hat sie zunächst ein Rahmenkonzept erarbeitet und definiert, das den Zusammenhang von Sport und Entrepreneurship und somit das aufstrebende multidisziplinäre Forschungsfeld Sport Entrepreneurship verständlich machen soll: „The House of Sport Entrepreneurship“. Dieses hat Haski zusammen mit Dr. Lucas Kleine-Stegemann von der Universität Münster entwickelt, um die bereits vorliegende Literatur zu Sport Entrepreneurship zu systematisieren und das Forschungsfeld umfassend zu konzeptualisieren.
„Mit dem House of Sport Entrepreneurship wollten wir einen integrativen Überblick schaffen, um das Feld Sport Entrepreneurship und das Zusammenspiel der beiden eng verwandten Disziplinen zu verstehen, zu strukturieren und gleichzeitig zu zeigen, welche Richtungen das Feld prägen“, erklärt Haski die Idee des Rahmenwerks. „Das House of Sport Entrepreneurship besteht aus einem Fundament, zwei Säulen und dem Dach. Es wurde eine systematische Literaturanalyse vorgenommen, die Daten kategorisiert und den verschiedenen Bauteilen zugeordnet.“ Dem Fundament wurden konzeptionelle Arbeiten zugeteilt, die den Zusammenschluss der beiden Disziplinen erklären. Die beiden Säulen stehen für die beiden Richtungen, die das Feld prägen: „Sport to Entrepreneurship“ beschreibt Merkmale, wie der Sport das Unternehmertum beeinflusst, und zwar auf individueller Ebene, Gruppen- oder Organisationsebene. Dazu zählen zum Beispiel persönliche Erfahrungen und transversale Fähigkeiten, aber auch allgemeine Charakteristika des Sportsystems. „Entrepreneurship to Sport“ – die zweite Säule – bündelt die Literatur, die sich damit befasst, wie unternehmerisches Denken und Handeln, Methoden oder Finanzierungsstrategien den Sport und die Sportindustrie formen. Das Dach des House of Sport Entrepreneurship steht für das Ökosystem; hier wurden alle Artikel verortet, die sich mit den Einflussfaktoren auf und den Konsequenzen von Sport Entrepreneurship beschäftigen, zum Beispiel Krisen, Bildung, Gesundheit oder soziale Aspekten. Der Artikel von Haski und Kleine-Stegemann erscheint demnächst im Fachmagazin International Journal of Entrepreneurial Venturing.
Einen detaillierteren Blick auf die erste Säule und hier auf die individuellen Merkmale, die Athlet*innen ins Unternehmertum einbringen, wirft der Artikel „From athlete to entrepreneur? – Investigating the influence of sport characteristics on athlete’s entrepreneurial orientation competencies“. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, inwieweit sich Athlet*innen mit unterschiedlichen Merkmalen, Sportarten und sportlichen Fähigkeiten in ihren unternehmerischen Kompetenzen unterscheiden. Hierzu analysierten Haski und Dr. Louis Moustakas einen Datensatz mit Angaben von 189 Athlet*innen aus fünf Ländern. Bezogen auf deren unternehmerische Kompetenzen konnten die Autor*innen signifikante Unterschiede in Abhängigkeit von Nationalität, Alter und Bildungshintergrund erkennen. Bezogen auf die Zuordnung zu bestimmten Sportarten konnten sie hingegen keinen Unterschied feststellen. Die Sportler*innen waren zuvor in Open-Skill Sports (Sportarten, in denen die Sportler*innen schnell auf Veränderungen reagieren müssen, z.B. Fußball) und Closed-Skill Sports (eher repetitive Bewegungen, z.B. Marathon oder Schwimmen) eingeteilt worden. „Eine Limitation der Studie liegt sicherlich in genau dieser Sportartenzuordnung: So können zum Beispiel Sportler*innen, die beide Sparten bedienen, nicht eindeutig zugeordnet werden. Außerdem wäre für künftige Studien eine größere und ausgewogenere Stichprobe erforderlich“, nennt Haski Hinweise für die Zukunft. Die Ergebnisse seien ihr zufolge aber dennoch nützlich für Praktiker*innen, die mit der Ausbildung von Sportler*innen betraut sind. Denn ähnlich wie in der Literaturanalyse zeige sich hier erneut die Bedeutung und der dringende Bedarf an zielgruppenspezifischer Entrepreneurship-Education: „Unternehmerische Kompetenzen sind laut der Europäischen Kommission Zukunftskompetenzen; der Bedarf an zielgruppenspezifischer Bildung ist gegeben. Somit sollten Lerninhalte zu Entrepreneurship auch im Kontext Sport etabliert werden.“
An der Deutschen Sporthochschule Köln setzt Sophia Haski dies selbst als Dozentin in der Lehre und als Expertin in der Gründungsberatung um. Entgegen dem lang verbreiteten Trait-Approach werde nunmehr argumentiert, dass unternehmerische Fähigkeiten erlernbar seien. „Studien heben hier die besondere Rolle von Handlung hervor und zeigen, dass spezielle Entrepreneurship-Trainings signifikante Effekte auf Unternehmensgründungen haben. Dabei reicht es nicht, einmal theoretisch zu erklären, wie ein Businessplan aussieht. Hier hat sich ein Forschungszweig zu handlungsbasierten Trainings etabliert, die mittlerweile eine populäre Methode sind, um Teilnehmer*innen im Bereich Entrepreneurship auszubilden. Basierend auf Ansätzen des aktiven Lernens, sollten die Teilnehmer*innen während einer Trainingsperiode bestenfalls einmal den kompletten Prozess einer Existenzgründung, von der Ideengenerierung und Vorbereitung, über die Gründung bis hin zur Führung des Unternehmens durchlaufen“, empfiehlt Haski. Wie genau ein zielgruppenspezifisches Qualifizierungsprogramm zu Sport Entrepreneurship aussehen kann, entwickelt und evaluiert sie aktuell im Rahmen ihrer Promotion. „Mit meiner Arbeit möchte ich Menschen, vor allem im Sport, dabei begleiten, ihre eigenen Ideen zu verwirklichen, und sie dabei unterstützen, unternehmerisch denken und handeln zu können, damit sie selbst wiederum einen Beitrag für die Gesellschaft leisten können. Und auch, wenn die Leute zum jetzigen Zeitpunkt meinen, kein eigenes Business starten zu wollen, dann werden trotzdem Zukunftskompetenzen vermittelt, die Arbeitgeber*innen zunehmend fordern.“
Text: Julia Neuburg
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