Nr. 1/2024

Mia san China!

Immer mehr Sportklubs und -ligen wollen ausländische Märkte für sich erobern und investieren in aufwändige Marketingaktivitäten. Doch wie kann eine internationale Positionierung glücken, wenn Marken, wie beispielsweise der FC Bayern München, kulturell eng verknüpft mit ihrem Herkunftsort sind. Eine Studie am Beispiel der National Football League (NFL) in Deutschland gibt Aufschluss.

Über 123 Millionen Menschen verfolgten in den USA den Super Bowl. Ein historischer TV-Erfolg für die NFL. Auch in Deutschland sorgte das Finale der National Football League zwischen den Kansas City Chiefs und den San Francisco 49ers für Top-Einschaltquoten. Durchschnittlich 1,71 Millionen Menschen sahen die Live-Übertragung des TV-Senders RTL; mit im Schnitt 53,7 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 59-Jährigen und 65,8 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen erzielte das Saisonfinale in beiden Zielgruppen Bestmarken. Die NFL hat es geschafft: Sie hat bereits auf einigen internationalen Märkten viele Fans. Und andere wollen es ihr gleichtun. „Der internationale Markt bietet großes Potenzial, vor allem in finanzieller Hinsicht. Da Sportklubs und -ligen ihre Marketingaktivitäten zunehmend auf das Ausland ausdehnen, ist die internationale Markenpositionierung zu einem relevanten Forschungsthema geworden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Sebastian Uhrich, Leiter der Abteilung Sportbetriebswirtschaftslehre des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement.

Internationale Märkte erobern

In einer aktuellen Studie hat sich der Wissenschaftler zusammen mit seinem Doktoranden Christian Weißkopf damit auseinandergesetzt, wie Sportligen ihre Marke im Ausland bikulturell positionieren können. Experimentelle Studien im Kontext des NFL-Auftritts im deutschen Markt testeten dabei zwei Formen der bikulturellen Markenpositionierung: funktional und symbolisch. Uhrich: „Bei der Gewinnung von ausländischen Fans stehen die Verantwortlichen vor einem Problem. Teamsportmarken besitzen in der Regel eine starke kulturelle Verknüpfung zu ihrem Herkunftsort, so dass eine Anpassung an die kulturellen Besonderheiten des internationalen Zielmarktes häufig gezwungen und unplausibel erscheint. Gleichzeitig haben vorangegangene Studien gezeigt, dass eine Markenpositionierung, die mit dem Image des Ziellandes kongruent ist, positiv mit den Bewertungen der Fans zusammenhängt.“ Um diese gegensätzlichen Ergebnisse aufzulösen, definieren Uhrich und Weißkopf das Konzept der bikulturellen Markenpositionierung. „Vereinfacht ausgedrückt wird damit ein Markenpositionierungsansatz beschrieben, der die Verbindung der Sportliga zu ihrem Heimatland mit den Assoziationen des Ziellandes integriert. Deutsche Klubs, die ins Ausland gehen, können ihre Herkunft nicht verbergen. Sie sind von vornherein kulturell deutsch positioniert. Gleichzeitig muss aber eine gewisse kulturelle Anpassung erfolgen, damit eine Bindung überhaupt entstehen kann. Wenn der FC Bayern München mit seinem Slogan ‚Mia san mia‘ nach China reist, dann versteht der Großteil der chinesischen Bevölkerung das einfach nicht.“

Funktionale vs. symbolische Anpassungen

Funktionale bikulturelle Markenpositionierung arbeitet entsprechend der Studie mit Zielmarkt-Anpassungen, die praktische Bedürfnisse der Fans tangieren, also konkrete konsumbezogene Probleme lösen oder verhindern. Demgegenüber spricht die symbolische bikulturelle Markenpositionierung identitätsbezogene Bedürfnisse der Fans im Ausland an. „Zu den funktionalen Anpassungen kann die Bereitstellung eines schnelleren oder einfacheren Zugangs zu Produkten der Liga gehören, zum Beispiel Medienangebote oder Merchandisingartikel. Symbolische Anpassungen äußern sich zum Beispiel in der Verwendung nationaler Symbole, Bilder oder Ikonen des jeweiligen Zielmarktes. Die NFL hat beispielsweise im Rahmen ihrer internationalen Serie ein Spiel in London ausgetragen und NFL-Werbeartikel mit einem Union Jack verkauft. Dies bot den Fans die Möglichkeit, ihre Identität als britische NFL-Fans zum Ausdruck zu bringen“, nennt Uhrich einige Beispiele.

Drei experimentelle Online-Studien

Für die Untersuchung wurden drei experimentelle Online-Studien durchgeführt. Die Wahl fiel auf die US-amerikanische Profiliga im American Football, da sie in den letzten Jahren ihre Marke verstärkt international ausgeweitet hat und Deutschland zum dominanten Zielmarkt der NFL in Europa geworden ist. Zwei Studien untersuchten die Effekte der Art der bikulturellen Markenpositionierung (funktional vs. symbolisch) auf fanseitige Wahrnehmungen der kulturellen Authentizität der Marke, des Markenkomforts, der Harmonie der Verbindung amerikanischer und deutscher Elemente sowie die nachgelagerten Konsequenzen Markennutzungsabsichten und positive Mundpropaganda. In der dritten Studie wurden zusätzlich die Effekte der zwei Formen einer bikulturellen Markenpositionierung im Vergleich zu einer rein fremdländischen (= amerikanischen) Positionierung ohne deutsche Anpassungen getestet. „Da 96 Prozent der American-Football-Fans in Deutschland regelmäßig ihr Smartphone für den Zugang zum Internet nutzen, haben wir ein fiktive mobile NFL-App für den deutschen Markt konzipiert“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Sebastian Uhrich.

Die Probanden und Probandinnen der ersten beiden Studien erhielten eine von zwei Versionen eines Bildes, das die Oberfläche dieser App zeigte, die Merchandising-Angebote für den deutschen Markt enthielt. Beide Versionen enthielten Hinweise auf die NFL und American Football. Die funktionale Version der bikulturellen Markenpositionierung enthielt eine kurze Beschreibung nützlicher und praktischer Anpassungen, zum Beispiel eine deutschsprachige Hotline und einen Heimlieferservice. Die symbolische Version beinhaltete vornehmlich visuelle Anpassungen, zum Beispiel die Verwendung der deutschen Flagge sowie die Integration deutscher Designelemente in Merchandisingartikel.

Für die dritte Studie wurde der experimentelle Faktor über fiktive Instagram-Posts manipuliert, die ein Sendeangebot für NFL-Inhalte für deutsche NFL-Fans bewarben. Das Angebot bezog sich auf den so genannten Game Pass, mit dem alle Spiele der Saison verfolgt werden können. In dieser Studie wurde eine Kontrollgruppe inkludiert, die eine rein ausländische Positionierung darstellte und daher in englischer Sprache gestaltet war, um den ursprünglichen amerikanischen Charakter der NFL zu betonen.

Funktionale Anpassungen im Vorteil

Die Ergebnisse der ersten beiden Studien zeigen, dass deutsche NFL-Fans die Integration deutscher und amerikanischer Elemente in der Markenpositionierung der NFL als harmonischer empfinden, wenn diese mit funktionalen (vs. symbolischen) Anpassungen an Deutschland vorgenommen wird. „Dieser Effekt ist auf zwei Mechanismen zurückzuführen. Die funktionale bikulturelle Markenpositionierung erhöht im Vergleich zur symbolischen sowohl die Wahrnehmung der kulturellen Authentizität der Ligamarke als auch die Wahrnehmung des Markenkomforts. Wir fanden zudem positive Effekte der funktionalen bikulturellen Markenpositionierung auf fanseitige Markennutzungsabsichten und die Intention, positiv über die NFL zu kommunizieren“, erklärt Uhrich. In Studie drei konnten diese Effekte repliziert werden. Die dritte Studie zeigte zudem, dass beide Formen der bikulturellen Positionierung einer rein ausländischen Positionierung in Bezug auf die kulturelle Authentizität der Marke unterlegen sind – ein nicht ganz überraschender Befund. „Zusammengefasst können wir festhalten, dass eine kulturelle Anpassung vorteilhaft sein kann. Aber eher dann, wenn sie funktionale Bedürfnisse adressiert.“, resümiert Uhrich. In der kommenden NFL-Saison werden insgesamt fünf Spiele des regulären Spielplans als so genannte International Games ausgetragen. Eins davon in München. Mia san NFL!

Text: Lena Overbeck


Visuelle Darstellung zu den Studien

Manipulierte App-Oberfläche

Die Proband*innen der ersten beiden Studien erhielten eine von zwei Versionen der manipulierten App-Oberfläche, die Merchandising-Angebote für den deutschen Markt enthielt. Funktionale Version: Beschreibung nützlicher und praktischer Anpassungen. Symbolische Version: Beschreibung identitätsbezogener Anpassungen, z.B. deutsche Designelemente.

Fiktive Social-Media-Posts

Für die dritte Studie erhielten die Proband*innen fiktive Social-Media-Posts. Funktionale Version: Beschreibung eines Decoders für ein reibungsloses Seherlebnis. Symbolische Version: mit visuellen Bezügen zu Deutschland.

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