Nr. 2/2017
Erosion am Fundament des Spitzensports
Noch sind kaum Klagen der großen Sportveranstalter über schwindende Zuschauerzahlen, sinkende Marketingerlöse und versiegende TV-Gelder zu vernehmen. Das Geschäft läuft gut, und doch zeigen sich erste Auswirkungen der vielen Enthüllungen über Betrug, Korruption und dunkle Machenschaften im Spitzensport. Diese Erkenntnis legen die Ergebnisse eines Forschungsprojektes nahe, das Professor Dr. Christoph Breuer und Dr. Kirstin Hallmann vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln gemeinsam mit Dr. Michael Ilgner, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Sporthilfe, zur gesellschaftlichen Relevanz des Spitzensports betreiben.
Insbesondere internationale Sportler und Sportverbände haben viel Vertrauen verloren. „Wir konnten erstmals eine Kausalkette nachweisen, dass die Akzeptanz des Spitzensports in der deutschen Bevölkerung maßgeblich vom Vertrauen in die Integrität der Athleten, der Verbände und insbesondere der Funktionäre abhängt“, sagt Professor Breuer.
Anhand einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung und einer Umfrage unter den von der Deutschen Sporthilfe unterstützten Athleten wurden Ansichten zu Großveranstaltungen, Verbänden und Sportlern ermittelt. Unter dem Titel „Akzeptanz des Spitzensports in Deutschland – Zum Wandel der Wahrnehmung durch Bevölkerung und Athleten“ liegt damit eine Studie vor, die einerseits zeigt, dass der Spitzensport gesellschaftlich von hoher Relevanz ist. Dass zugleich aber weniger Menschen glauben, es gehe in der Regel fair und gerecht zu, wenn um Titel, Rekorde und Medaillen oder um Sponsoren und das Austragungsrecht für große Wettkämpfe gerungen wird.
Auffällig sei, dass sich jenseits des grundsätzlichen Interesses „in keinem weiteren Bereich die Werte im Vergleich zu 2011 verbessert haben. Spitzensport wird zwar mehrheitlich noch immer positiv betrachtet, jedoch sind einige deutliche Rückgänge seit 2011 zu verzeichnen“, schreiben die Autoren. Im Vorfeld der olympischen Spiele von London stimmten 87,2 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass deutsche Athleten eine Vorbildfunktion erfüllen, in der aktuellen Studie nur 79,2 Prozent. Noch deutlicher ist die Abnahme der Zustimmung, wenn es um die Bedeutung von Erfolgen deutscher Sportler bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften für das Ansehen der Nation geht. 2011 waren 78,2 Prozent der Befragten der Meinung, Titel und Medaillen mehrten den Ruhm Deutschlands, vier Jahre später lag die Zustimmung zu dieser Aussage nur noch bei 60,9 Prozent.
Die Vermutung, dass diese zum Teil deutlichen Unterschiede in direktem Zusammenhang mit dem wachsenden Misstrauen gegenüber dem professionellen Spitzensport stehen, liegt auf der Hand. Denn zwischen den beiden Befragungen prägten zahlreiche Skandale von systematischen Dopingmachenschaften bis hin zu einer tief verwurzelten Kultur der Korruption in einigen großen Verbänden die Sportberichterstattung. Und das zeigt sich besonders deutlich im schwer beschädigten Ansehen internationaler Athleten und Funktionäre.
Auf die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit deutscher Sportler reagieren 81,3 Prozent der Befragten zustimmend, von der internationalen Konkurrenz glauben dagegen nur 39,3 Prozent, dass sie sich an die Grundsätze von Fairness und Regelwerk halten. Und dieses Misstrauen zeigt sich auch in den Ansichten zu den Funktionären. An die Integrität deutscher Verbandsvertreter glauben immerhin noch 27 Prozent der Befragten, während die Funktionäre anderer Nationalitäten nur von 16,9 Prozent der Bevölkerung als vertrauenswürdig betrachtet werden. Womöglich liegt hier auch einer der Gründe dafür, dass eine Mehrheit findet, der Sport solle zwar größere Zuwendungen erhalten, aber eher aus privaten Quellen als aus den Töpfen der öffentlichen Hand. „Schon aus einem gesunden Eigeninteresse des Sports sollte systematischen Maßnahmen zur Sicherung der Integrität mindestens die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt werden wie Maßnahmen zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung des Spitzensportsystems“, sagt Professor Breuer.
Das Forschungsprojekt geht aber weit über Fragestellungen nach dem Ansehen des professionalisierten und kommerzialisierten Eventsports hinaus. Auch die Lebenswirklichkeit der Sportlerinnen und Sportler sollte anhand von aktuellen Daten beschrieben werden. So wurde beispielsweise eruiert, dass viele Athleten sich vor einer ungewissen Zukunft fürchten. Große Bevölkerungsteile glauben ebenfalls, Sportler stünden nach ihrer aktiven Laufbahn häufig vor finanziellen Unwägbarkeiten, eine gewisse Empathie mit den Athleten ist demnach vorhanden. Ganz besonders natürlich, sofern es sich um große Sieger handelt.
Wenn deutsche Sportler beispielsweise Goldmedaillen bei Olympischen Spielen gewinnen, empfinden viele Menschen Glück (62,3 Prozent) und Stolz (62,2 Prozent). Auffällig ist dabei, dass sich vor allen Dingen ältere Frauen emotional von solchen Erfolgen berühren lassen. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass besser gebildete Bevölkerungsteile gleichbleibend stark sportinteressiert sind, während weniger gut gebildete Menschen eine immer schwächere Verbindung zum Spitzensport haben.
Der letzte Schwerpunkt des Projekts lag schließlich auf der Frage, wie gut Sportler ihre Potenziale im Verlauf einer Karriere ausschöpfen und aufgrund welcher Umstände sie ihre Laufbahnen vorzeitig beenden. Hier zeigt sich, dass vor allem der erforderliche Zeitaufwand für den Sport, der zulasten von Familie, Ausbildung und beruflicher Karriere geht, schwerwiegende Argumente für eine Beendigung der Sportlerlaufbahn sind. Knapp die Hälfte der Befragten (48,7 Prozent) hat schon über einen vorzeitigen Ausstieg nachgedacht, wobei Athleten, die sich finanziell adäquat unterstützt fühlen, grundsätzlich weniger dazu neigen, sich vom professionell betriebenen Sport abzuwenden.
Text: Daniel Theweleit
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde auf die Darstellung der weiblichen Form verzichtet. Die Verwendung der männlichen Form impliziert jedoch stets die gleichzeitige Berücksichtigung der weiblichen Form.
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