Nr. 3/2023
Garantiert finanziert: Planungssicherheit für den Sport
Im Sport fehlt Geld. Gerade an der Vereinsbasis, wo Jung und Alt gemeinsam den Spaß am und das Miteinander im Sport leben. Das hat zuletzt vor allem die Corona-Pandemie deutlich gemacht. Zwar haben heute – bis auf Hamburg – alle Bundesländer in Deutschland in ihren Verfassungen verankert, dass sie den Sport fördern wollen. Doch eine Garantie, dass auch tatsächlich Geld fließt, gibt es nicht. Teilweise ist sogar unklar, mit welchem Ziel und in welchem Umfang der Sport gefördert werden soll. Wissenschaftler*innen des Instituts für Sportrecht der Deutschen Sporthochschule Köln haben die finanziellen Herausforderungen des Sports nach der Corona-Pandemie zum Anlass genommen, die Rahmenbedingungen der Sportförderung in Deutschland zu analysieren und daraus eine Vorlage zu erarbeiten, wie die Finanzierung des Sports rechtssicher im Gesetz verankert werden könnte. Die 80-seitige Publikation erscheint Mitte Juni. Wir geben Ihnen vorab einen Einblick in ausgewählte Ergebnisse des Forschungsprojekts.
Gemeinschaft, Inklusion, Integration, Respekt, Disziplin, Fairness, Gesundheit: Die Wissenschaft schreibt dem Sport viele positive Effekte zu. Egal ob Vereine Kindern die Möglichkeit bieten, erste Erfahrungen im Wasser zu sammeln oder Älteren im Seniorensport den Austausch mit Gleichaltrigen ermöglichen: Sport schafft sozialen Zusammenhalt. In Nordrhein-Westfalen (NRW) gibt es etwa zwölf Millionen aktive Sportler*innen. Vier Millionen der sportlich aktiven Bürger*innen NRWs sind in einem der 17.700 Sportvereine organisiert. Um diesen Menschen ein bedarfsgerechtes Sportangebot zu machen und allen den Zugang zum Sport zu ermöglichen, brauchen Sportorganisationen Geld. Sie nutzen das Geld etwa für Sportveranstaltungen oder um Trainer*innen zu bezahlen oder neues Sportmaterial zu kaufen.
Vor allem die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass im organisierten Sport die finanziellen Mittel knapp sind oder sogar fehlen, um Menschen Sport zugänglich zu machen. Und das, obwohl in allen Bundesländern (außer in Hamburg) in den Landesverfassungen explizit erwähnt ist, dass Länder und Gemeinden die Aufgabe haben, den Sport zu pflegen beziehungsweise zu fördern. „Derzeit muss der Sport in den jährlichen Haushaltsberatungen der Länder immer wieder um finanzielle Mittel betteln. Um seine vielfältigen gesellschaftlichen Funktionen wahrnehmen zu können, braucht der Sport aber eine dauerhafte Planungssicherheit“, betont der Leiter der Studie, Prof. Dr. Martin Nolte vom Institut für Sportrecht der Deutschen Sporthochschule Köln. Das Ziel: Die Finanzierung des gemeinnützigen Sports sollte rechtssicher in einem Gesetz unterhalb der Landesverfassung verankert werden. Um einen solchen Vorschlag zu erarbeiten, warb Nolte 2021 eine Projektförderung des Bundesinstitut für Sportwissenschaft ein. Nach zwei Jahren Analyse und Auswertung veröffentlichen die Forschenden Mitte Juni ihre Ergebnisse. Als Basis für die Finanzierung des Sports schlagen Nolte und sein Team Einnahmen aus dem Glücksspiel vor.
Die Idee, den gemeinnützigen Sport über Einnahmen aus dem Glücksspiel zu finanzieren, kam vor etwa 15 Jahren auf, beschreiben die Autor*innen in ihrer Studie. Noch viel früher, bereits Ende der 1960er Jahre, bestand schon einmal eine Verbindung zwischen Sport und Glücksspiel, etwa durch den so genannten Olympia-Groschen. Damals sollte der Groschen helfen, die Olympischen Sommerspiele 1972 in München zu finanzieren, indem jeder Lotto-Toto-Schein mit zehn Pfennig Mehreinsatz an einer Zusatzlotterie teilnahm. Der Olympia-Groschen brachte dem Sport in den 1960er Jahren allerdings nicht viel Geld ein. Eine rechtssichere, im einfachen Recht verankerte Finanzierungsgarantie aus Glücksspielerträgen könnte dagegen heute helfen, den Sport langfristig zu finanzieren. „Der Sport schafft mit seinen Veranstaltungen die Voraussetzungen dafür, dass Sportwetten stattfinden können. Deshalb ist es aus unserer Sicht legitim, dass der Sport auch eine Finanzierungsgarantie erhält. Sonst trägt er nur den Aufwand und das Risiko, hat aber nichts davon. Das ist eine Asymmetrie, die man beheben könnte, indem man die Zweckabgaben an Toto und Lotto oder an den allgemeinen Haushalt anknüpft, in den auch die Steuereinnahmen aus den Sportwetten fließen“, erläutert Nolte. Zur Finanzierung des Sports schlagen er und sein Team eine Mindestförderung für die Landessportbünde vor, die sich in erster Linie aus Glücksspielabgaben (Lotterien und Sportwetten) speist.
Da es in Deutschland derzeit keine länderübergreifende Lösung zur Finanzierung des Sports gibt, etwa durch eine Regelung im Glücksspielstaatsvertrag, hat das Team des Instituts für Sportrecht in seinem Projekt in einem ersten Schritt untersucht, wie die Sportförderung in den deutschen Bundesländern derzeit rechtlich geregelt ist. Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme erarbeiteten sie in einem zweiten Schritt Vorschläge, wie die Sportförderung rechtssicher in die bestehenden Gesetze implementiert und rechtlich begründet werden kann. Nolte: „Die Bundesländer haben sich fast flächendeckend in ihren sportbezogenen Staatszielen zum Schutz, zur Förderung und zur Pflege des Sports verpflichtet. Eine Finanzierungsgarantie zugunsten des gemeinnützigen Sports würde die gemeinwohlorientierten Leistungen des organisierten Sports honorieren und dazu beitragen, dass die Länder ihren selbst gesetzten Zielen nachkommen.“
Bisher finanziert sich der Sport über zwei Quellen: durch regelmäßige Zuwendungen aus dem Haushalt (Steuermittel) im Rahmen der Projektförderung oder der Sportstättenförderung, die in jedem Jahreshaushalt neu verhandelt werden, und durch Einnahmen aus Glücksspielen. Über eine Projektförderung können etwa Übungsleiter*innen ausgebildet oder Wettkämpfe ausgerichtet werden. Die Sportstättenförderung umfasst die Sanierung, Modernisierung und Erweiterung von Sportstätten. Darüber hinaus gibt es in einzelnen Bundesländern vertragliche Grundlagen zur Sportförderung, die über Sportförderpläne auf mehrere Jahre angelegt sind. Die Autor*innen der Studie schlagen auf Basis ihrer Untersuchung ein Sportfördergesetz nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins vor, das in jedem Bundesland individuell angepasst werden kann.
In Schleswig-Holstein wird der Sport auf Grundlage eines eigenen Sportfördergesetzes gefördert. Ein Teil der Finanzierung erfolgt über Zweckabgaben aus dem Glücksspielbereich, die an den Landessportverband weitergeleitet werden. Außerdem gibt es Zusatzförderungen. Eine Evaluierungsklausel im Gesetz macht es möglich, die Auswirkungen des schleswig-holsteinischen Sportfördergesetzes regelmäßig zu dokumentieren und auszuwerten. Die Wissenschaftler*innen des Instituts für Sportrecht empfehlen, dass Ziele und Zwecke der Sportförderung Teil des Gesetzes sind. Die Förderung sollte sich explizit an den Landessportbund und seine Mitglieder richten und die gesellschaftlich relevanten Ziele wie beispielsweise Gesundheit, sozialer Zusammenhalt, Inklusion und Integration festschreiben. Da insbesondere die Integrität des sportlichen Wettbewerbs als Grundlage der Förderung wichtig ist, sollte der Schutz der Integrität, also Maßnahmen gegen Doping, Spielmanipulation, Diskriminierung und Gewalt, explizit im Gesetz genannt werden. Die Forscher*innen betonen zudem, dass es sinnvoll wäre, ein beratendes Gremium aus Sport und Politik einzubinden, um das Gesetz umzusetzen. Um zu prüfen, ob das Sportfördergesetz seine Ziele erfüllt, könnte der Landessportbund verpflichtend über die umgesetzten Maßnahmen berichten und so sicherstellen, dass die Sportförderung ihre Ziele erreicht.
Mit ihrer Studie wollen die Wissenschaftler*innen die Bundesländer dabei unterstützen, die Finanzierung des Sports auf eine gute Grundlage zu stellen. „Eine gesetzlich verankerte Finanzierungsgarantie für den Sport bedeutet Stabilität, Planungssicherheit und Transparenz und löst das ein, was alle Bundesländer – bis auf Hamburg – in ihren Landesverfassungen stehen haben: Nämlich, dass sie den Sport fördern wollen“, sagt Nolte. Wie stark der Sport von einer gesetzlich verankerten Finanzierungsgarantie profitieren könnte, zeigt die Tatsache, dass Expert*innen allein im Bereich der Sportwetten in Deutschland mit Umsätzen von fast zehn Milliarden Euro rechnen.
Text: Marilena Werth
Sie interessieren Sich für Rechtsthemen im Sport? Hören Sie die aktuelle Folge unseres Spoho-Wissenschaftspodcasts mit Univ.-Prof. Martin Nolte: www.dshs-koeln.de/einerundemit
Kontakt
Martin Nolte
Telefon | +49 221 4982-6088 |
---|---|
Website |
Institut für Sportrecht
Forschungsprofil |