Nr. 4/2023
Der Einfluss von Spielstand, Zuschauerpräsenz und Spielort auf die Körpersprache von Fußballspieler*innen
Wie die Anwesenheit anderer Menschen das Verhalten eines Einzelnen oder einer Gruppe beeinflusst, ist eine der ältesten Fragestellungen in der Psychologie. Wir neigen dazu, positive Gefühle stärker auszudrücken, wenn wir mit anderen zusammen sind, wir lachen z.B. mehr in der Gesellschaft von Freunden, der Fachbegriff lautet „social facilitation“. Umgekehrt scheint es so zu sein, dass wir in Gesellschaft mit anderen Menschen negative Gefühle weniger ausdrücken, weinen beispielsweise weniger – „social inhibition“ lautet hier der Fachbegriff. Beide Phänomene spielen eine Rolle bei den beiden Studien von Philip Furley, Nina Riedl und Babett Lobinger zum Thema „Körpersprache professioneller Fußballspieler*innen in Abwesenheit und Anwesenheit von Fans“. (Non-verbal behaviour of professional soccer players in the absence or presence of fans). Denn auch im sportlichen Wettkampf kann man das oben beschriebene Verhalten nachweisen.
Die beiden in der Publikation beschriebenen Studien untersuchen den Einfluss von aktuellem Spielstand, Zuschauerpräsenz und Spielort (Heim-/Auswärtsspiel) auf die Körpersprache von Fußballspielern. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Körpersprache deutliche Hinweise auf den aktuellen Spielstand vermittelt. Dies wird noch verstärkt durch den Einfluss der Zuschauer*innen: Mit Publikum verstärkt sich die positive Körpersprache der Spieler (social facilitation), während negative Gefühle vermindert zum Ausdruck gebracht werden (social inhibition).
Auswärts zu gewinnen oder zumindest nicht zu verlieren gilt allgemein als schwieriger als bei Heimspielen. Dieser „Heimvorteil“ zeigt sich auch bei der zweiten Studie: Geht ein Team vor Publikum bei Auswärtsspielen in Führung oder liegt zumindest nicht im Rückstand, wird die Körpersprache positiver bewertet als bei Heimspielen. Genauso zeigt sich bei Heimspielen eine negativere Körpersprache, wenn eine Mannschaft in Rückstand gerät.
Anhand von kurzen Videoclips mit einzelnen Spielszenen der 1. Fußball-Bundesliga (Saison 2019/2020) wurden die Studienteilnehmer*innen gebeten, den aktuellen Spielstand sowie Dominanz, Stolz und Selbstvertrauen der Spieler in den Videos einzuschätzen. Ein Computerprogramm war zuvor gefüttert worden mit ca. 3.500 Spielszenen von jeweils fünf Spieltagen vor der Coronapause (mit Zuschauern) sowie fünf Spieltagen nach der Coronapause (ohne Zuschauer). Ausgewählt wurden Clips, die folgende Voraussetzungen erfüllen mussten: Nahaufnahme mit Konzentration auf einen Spieler, Spiel muss unterbrochen sein (Einwurf, Freistoß, Eckball), keine gelbe oder rote Karte, kein Torjubel/kein Ärger, Zuschauer*innen sind nicht zu erkennen, kein offensichtlicher Hinweis auf den Spielstand. Die einzelnen Szenen wurden kategorisiert (Heimspiel, Auswärtsspiel, klare Führung, Führung, Unentschieden, Rückstand, klarer Rückstand) und anschließend den Studienteilnehmer*innen in zufälliger Reihenfolge präsentiert. An der ersten Studie beteiligten sich 241 Teilnehmer*innen, die jeweils 50 zufällig gezogene Szenen mit gleicher Verteilung der Versuchskategorien zu bewerten hatten.
Einfluss von Spielstand und Zuschauerpräsenz auf die Körpersprache von Sportlern
„Bezugnehmend auf die Frage nach dem Einfluss von Spielstand und Spielverlauf auf die Körpersprache von Sportler*innen konnten wir, wie schon in früheren Studien, nachweisen, dass man sehr gut an der Körpersprache erkennen kann, ob Athlet*innen zurückliegen, hoch zurückliegen, ob sie führen oder hoch führen, oder ob es gerade unentschieden steht“, so Studienleiter Dr. Philip Furley. „Die Körpersprache verändert sich sehr stark, je nachdem wie es gerade läuft.“
Verändert sich die Körpersprache auch unter dem Einfluss von Zuschauer*innen? Aufgrund der Coronapandemie-bedingten Ansetzung sogenannter Geisterspiele bot sich dem Projektteam die Möglichkeit, den Einfluss des Publikums auf das nonverbale Verhalten zu untersuchen. Und tatsächlich macht es einen Unterschied, ob Zuschauer*innen im Stadion sind oder nicht. „Unsere Versuchspersonen schätzten im Allgemeinen Fußballspieler, die vor einem Publikum spielten, etwas dominanter, stolzer und selbstbewusster ein – unabhängig vom Spielstand“, so Philip Furley. Das Publikum wirkt sich also im Sinne von „social facilitation“ und „social inhibition“ positiv auf die Körpersprache der Spieler aus, positive Gefühle werden stärker zum Ausdruck gebracht, negative eher unterdrückt. Aber auch bei Geisterspielen werden Führung und Rückstand von nonverbalen Hinweisen begleitet, die auf den aktuellen Spielstand hinweisen.
In einer anschließenden Studie mit 160 Teilnehmer*innen kam als weitere Variable der Spielort dazu. Damit konnte unterschieden werden zwischen einem Heim- und einem Auswärtspublikum. Generell geht man davon aus, dass auswärts erfolgreich zu spielen bzw. zu gewinnen, schwieriger ist – dieser „Heimvorteil“ wurde in vielen Studien beschrieben. Und diesen Effekt konnte das Projektteam auch bezogen auf die Körpersprache nachweisen. Bei Auswärtsspielen mit Publikum wird die Körpersprache, im Gegensatz zu Heimspielen, bei einer Führung oder einem Unentschieden positiver bewertet als bei Geisterspielen. Der bei Auswärtsspielen schwieriger zu erreichende Erfolg führt zu einer positiveren Körpersprache als in der gleichen Situation bei Heimspielen. Gleichzeitig wird bei Heimspielen ein Rückstand negativer bewertet als bei Auswärtsspielen, insbesondere vor Publikum, also in Anwesenheit der unterstützenden Fans. Die Folge des bei Heimspielen höheren Anspruchs an sich selbst: eine negativere Körpersprache, die Spieler werden als weniger dominant, weniger stolz und weniger zuversichtlich bewertet.
Sportler verändern also ihre Körpersprache in Abhängigkeit unterschiedlicher Faktoren wie Spielort, Zuschauer*innenpräsenz oder aktueller Spielstand. Diese Veränderung kann von Beobachter*innen, wie Teamkolleg*innen, Gegner*innen, Schiedsrichter*innen oder Zuschauer*innen, nicht nur gut wahrgenommen werden, sondern kann diese möglicherweise auch beeinflussen.
Text: Sabine Maas
Kontakt
Philip Furley
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