Nr. 4/2023

Ein Leben für den Volleyball

Was 1994 als Zufall begann, ist heute „mein absoluter Traumjob. Ich wüsste keinen anderen, den ich lieber machen würde.“ Jimmy Czimek, damals 19 Jahre alt, studiert Geografie auf Diplom in Bonn, als ein Freund ihn fragt, ob er sich nicht gemeinsam mit ihm an der Spoho einschreiben wolle. Kurzerhand fahren die zwei am letzten Tag der Einschreibungsfrist nach Köln und geben ihre Unterlagen ab. Während der Freund sich dann aber doch gegen ein Studium an der Kölner Sportuniversität entscheidet, beginnt für Jimmy Czimek eine wegweisende Zeit. Heute ist der 49-Jährige Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten und dort für den Lehr- und Ausbildungsbetrieb Volleyball und Beachvolleyball zuständig.

Aber der Reihe nach: Jimmy Czimek zieht zur sechsten Klasse mit seiner Familie von Hamburg nach Brühl. Er ist damals Leistungsturner. „Meine Trainerin in Brühl sagte mir, dass sie mir nichts mehr beibringen könne und ich zum Turnteam Toyota nach Köln gehen müsse, wenn ich mich noch weiterentwickeln wolle. Das war mir und meinen Eltern aber zu viel Fahrerei. Weil die Turnlehrerin auch Volleyballtrainerin im gleichen Verein war, bin ich dann vom Turnen zum Volleyball gewechselt“, erzählt Czimek, der es als Spieler bis in die 2. Bundesliga geschafft hat. Zum Sommersemester 1994 beginnt der damals 19-Jährige sein Studium an der Deutschen Sporthochschule Köln – zunächst im Lehramt, später wechselt er in den Diplom-Studiengang mit dem Schwerpunkt Training und Leistung. Sein Lehramtsstudium, mit dem zweiten Fach Geografie, zieht er parallel durch. Seine erste Mannschaft, die er als Trainer betreut, ist Oberaußem in der 4. und später 3. Liga. „Das war damals die Kölner Hochschulmannschaft, also der Vorgänger vom jetzigen DSHS SnowTrex Köln“, erklärt Czimek. 1999 beendet Czimek sein Studium an der Sporthochschule als Jahrgangsbester. Es folgt eine dreijährige Ausbildung an der Trainerakademie Köln des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum Diplom-Trainer, die höchste staatliche Ausbildung für Trainerinnen und Trainer in Deutschland, zeitgleich beginnt er seine Promotion an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Mit „Papa“ zum Frauen-Nationalteam

Seinem „Ziehvater Papa“, dem ehemaligen Spoho-Dozenten und Trainerlegende Athanasios Papageorgiou, hat er es schließlich zu verdanken, dass er Co-Trainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft wird. Czimek und sein Team holen Bronze bei der EM und schaffen als letztes deutsches Frauen-Volleyballteam bis heute die Qualifikation für die Olympischen Spiele (2004). „Nur die Olympischen Spiele selber blieben mir leider verwehrt, kurz vorher wurde ich entlassen“, erzählt Czimek, da der damalige Cheftrainer Sorge hatte, dass ihm sein Co-Trainer gefährlich werden könnte. „Das war ein sehr einschneidendes Erlebnis, eine wirklich harte Zeit“, erinnert sich Czimek. Dennoch nimmt er ein Trainerangebot beim Erstligisten Hamburg an, doch es wird ihm immer klarer, dass das Trainergeschäft zu schnelllebig ist, er nicht ständig umziehen will und sich mehr Stabilität und Sicherheit wünscht. „Ich habe dann innerhalb von einem Jahr mein 2. Staatsexamen gemacht und mein Referendariat nachgeholt – an einer Brennpunktschule in Köln-Holweide.“ Czimek arbeitet mehrere Jahre an verschiedenen Schulen – an einer Grundschule, an einem Gymnasium und an einer Gesamtschule. 2007 bekommt er eine feste Stelle als verbeamteter Lehrer an einer Gesamtschule in Mechernich. Parallel zu seiner Vollzeit-Lehrerstelle und seinen Trainerjobs beendet er seine Promotion: „Das war sehr, sehr anstrengend. Wirklich herausfordernd. Ich habe mir jeden Abend und viele Nächte um die Ohren geschlagen.“  In der Endphase der Promotion zeichnet sich ab, dass an der Deutschen Sporthochschule Köln eine Stelle als Volleyballdozent frei wird. Schon in den Jahren vor seiner Lehrertätigkeit hatte Czimek Lehraufträge an der Kölner Sporthochschule. „Ich habe mich beworben, habe hart gekämpft und letztendlich die Stelle bekommen.“ Das war 2011.  „Als ich damals aus der Nationalmannschaft rausgekickt wurde, war das ein wirklich harter Schlag. Aber im Nachhinein hat alles total Sinn gemacht. Wäre ich damals mit nach Olympia gefahren, hätte ich meine Promotion nicht so schnell beendet, wäre ich vermutlich Profitrainer geblieben und hätte sehr wahrscheinlich die Stelle hier nicht bekommen. Ich kann wirklich sagen, dass ich sehr dankbar dafür bin, wie alles gekommen ist.“

„Die Lehre steht im Mittelpunkt“

Heute ist Dr. Jimmy Czimek Volleyballdozent am Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten. Er ist Trainer des Zweitligisten DSHS Snowtrex, Leiter der A-Trainer-Ausbildung beim Deutschen Volleyball-Verband (DVV) sowie verantwortlich für die Diplom-Trainer-Ausbildung im Volleyball. Kürzlich übernahm er auch die Abnahme der Prüfungen der Beachvolleyball-A-Trainerausbildung. „Die Zusammenarbeit mit dem DVV hat sich in den letzten Jahren immer mehr intensiviert. Ich schätze diese Arbeit sehr und soweit es meine Zeit zulässt, unterstütze ich gerne an der Schnittstelle zum Profisport.“ Jimmy Czimek ist dem Volleyball mit Leib und Seele verschrieben. Sein volles Lehrdeputat sorgt dafür, dass er viele Stunden seines Berufsalltags in der Halle verbringt. „Das ist für mich überhaupt keine Belastung. Die Lehre steht für mich ganz klar im Mittelpunkt meiner Arbeit. Ich schätze die Arbeit und den engen Austausch mit den Studierenden sehr. Vor allem liebe ich die Verknüpfung von Theorie und Praxis. In der Theorie legen wir den Grundstein für die Praxis.“ Wenn Jimmy Czimek nicht in der Halle oder auf dem Beachplatz steht, publiziert und forscht er. In dem aktuellen internationalen ERASMUS+-Projekt „School Project 2.0“ übernimmt er die wissenschaftliche Begleitung. Ziel des Projektes ist es, Kindern das Volleyballspiel näherzubringen und die Sportart in den teilnehmenden Projekt-Ländern Irland, Island, Österreich und Rumänien zu verbreiten. Dazu wird Material, eine Handreichung und Lehrvideos, mit technischen und taktischen bzw. wettkampforientierten Inhalten produziert und den Lehrer*innen und Trainer*innen zur Verfügung gestellt, die an der Basis arbeiten. Im Anschluss werden die Inhalte in Coach-the-Coach-Workshops in den teilnehmenden Ländern umgesetzt. Bereits beim Auftakt-Projekt „Play Volleyball, grow with it“ übernahm Czimek die wissenschaftliche Begleitung. Während es im ersten Teil um die Vermittlung von Volleyball für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren ging, wurde das Projekt nun auf die Altersstufe sechs bis 14 Jahre ausgeweitet. „Die Basis, bei allem was ich tue, ist immer der Anwendungsbezug, die Vermittlung“, sagt Czimek. Sein bislang umfangreichstes Werk, 2022 bereits in der 2. Auflage erschienen, ist das Buch „Volleyball – Training & Coaching“. Auf insgesamt 664 Seiten hat Czimek gemeinsam mit vielen Co-Autor*innen einen Leitfaden entwickelt, der die Trainingsgrundlage für sämtliche Jugend- und Juniorenspielklassen von U12 bis U23 im Volleyball und Beach-Volleyball bildet. „Die Bibel“, wie das Werk in Fachkreisen genannt wird, deckt neben dem Technik-, Taktik- und Athletiktraining auch die Trainingsplanung und -dokumentation, das Coaching, die Spielbeobachtung sowie das psychologische Training und die Ernährung ab. „Drei Jahre hat es insgesamt gedauert, bis das Buch fertig war.“

„Wir nehmen keinen Ball mit in den Urlaub“

In seiner Freizeit trainiert der zweifache Familienvater den Bundesliga-Zweitligisten DSHS SnowTrex Köln. Die Damen-Volleyballmannschaft wurde 2008 als „Ausbildungsteam“ von Czimek gegründet. Die Mannschaft besteht derzeit bis auf eine Spielerin ausschließlich aus aktuellen und ehemaligen Studentinnen der Deutschen Sporthochschule Köln. „Ich nutze das Team für die Ausbildung der Studierenden in den Volleyball-Schwerpunktkursen. Sie können dort zum Beispiel ihre Lehrproben machen.“ Auch für die A-Trainer-Ausbildung des DVV greift er auf „seine Mädels“ zurück. „Dass sich die Mannschaft in den letzten Jahren so rasant weiterentwickelt hat und wir jetzt sogar Aussicht haben, in die 1. Liga zu kommen, ist natürlich fantastisch. Ich finde es wichtig, dass wir an der Deutschen Sporthochschule Köln auch Spitzensport zeigen können. Auch wenn es wirklich viel Arbeit ist.“

Für den nötigen Ausgleich zum Volleyball, der beruflich und privat fast fließend verläuft, sorgen Jimmy Czimeks Frau Suse und seine Zwillingsmädchen Emma und Julie (10). „Volleyball spielt bei uns zuhause überhaupt keine Rolle. Wir nehmen auch keinen Ball mit in den Urlaub.“ Gemeinsame Zeit verbringt die Familie am liebsten in der Natur. Und der Volleyballdozent genießt es, dass er fußläufig zur Spoho wohnt. „Wenn es die Arbeit zulässt, fahre ich zwischendurch kurz mal nach Hause – zum Beispiel zum gemeinsamen Mittagessen. Wir haben mit Tobias Vogt einen Institutsleiter gefunden, der uns diese Freiheiten zum Glück lässt. Der unsere Stärken zu schätzen weiß und entfalten lässt. Das ist ein sehr angenehmes Arbeiten. Vieles in meinem beruflichen Leben war wirklich von Zufall geprägt und ich bin sehr dankbar, wie es gekommen ist. Auch wenn ich den Sinn, gerade in schweren Zeiten, nicht immer gleich erkannt habe“, lacht Dr. Jimmy Czimek, Volleyballdozent und -trainer aus Leidenschaft.

Text: Lena Overbeck

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