Nr. 5/2019

Evaluierung 2.0: Wie wirksam ist der Nationale Anti-Doping Code?

Ende 2018 stellte das Institut für Sportrecht die Ergebnisse der ersten Evaluierung des Nationalen Anti-Doping Codes (NADC) vor. Die Nationale Anti Doping Agentur Deutschland (NADA) hat das Institut daraufhin mit der Fortführung der Evaluation des NADC beauftragt. Die Evaluierung will die Entwicklung der Steuerungskraft des Nationalen Anti-Doping Codes untersuchen und diese nach einem eigenen Index bestimmen.   

Das Bild von Ryan Lochte am Tropf ging um die Welt. Lochte, Spitzenathlet und mehrfacher Olympiasieger im Schwimmen, sitzt auf einem breiten Ledersessel, neben ihm ein Infusionsständer. Sich als Präventionsmaßnahme einen sogenannten „Vitamin-Booster“ intravenös verabreichen zu lassen, erschien ihm legitim und er postete das Bild in den sozialen Medien. Unglücklich nur, dass auch die US-Anti-Doping Agentur USADA dort aktiv ist. Lochte wurde für 14 Monate gesperrt.

Um international einheitlich Chancengleichheit und Fairness im Sport zu sichern, erstellt und aktualisiert die Welt Anti-Doping Agentur (WADA) regelmäßig den Welt Anti-Doping Code (WADC).  Der WADC standardisiert den Ablauf von Dopingkontrollen, definiert Substanzen und Methoden, die im Sport verboten sind und legt Sanktionen fest. Zum Beispiel schreibt er fest, dass intravenöse Infusionen von mehr als 100ml innerhalb eines Zeitraums von zwölf Stunden verboten sind.

Obwohl Leistungssportler*innen wie Lochte an die nationalen Umsetzungen des WADC, die Nationalen Anti-Doping Codes (NADCs), gebunden sind, kennen einige deren Inhalt offenbar nicht. Dass Athlet*innen die Regelungen des NADC verstehen, ist jedoch die Voraussetzung dafür, dass sie den Code beachten. Über Kenntnis und Verhalten der deutschen Athlet*innen nach den Vorgaben des NADC fehlte jede wissenschaftliche Untersuchung. Deshalb wurde das Institut für Sportrecht im Jahr 2015 von der NADA damit beauftragt herauszufinden, wie wirksam der NADC in Deutschland ist. Es sollte ermittelt werden, wie gut die deutschen Athlet*innen den nationalen Code kennen, inwiefern er ihr Verhalten beeinflusst und wie sie das Verhalten von Konkurrent*innen einschätzen; kurz: wie wirksam der Code für die Anti-Doping-Arbeit ist.

Hierfür wurden alle deutschen Kaderathlet*innen (A-, B-, C- und D-Kader) befragt. Zehn Prozent von ihnen antworteten. Die Ergebnisse lieferten Hinweise dazu, wie vertraut die deutschen Athlet*innen mit dem Regelwerk sind und in welchen Bereichen Nachbesserungsbedarf besteht. „Wir konnten zeigen, dass das Verständnis von Athletinnen und Athleten, insbesondere in dopingrelevanten Sportarten, überdurchschnittlich gut ist und sie sich an die Vorgaben halten, während ihr Vertrauen in die vor allem ausländische Konkurrenz vergleichsweise gering ist. Natürlich gibt es in einzelnen Sportarten auch Nachholbedarf, vor allem bei der Kenntnis der Regelungen. Dies gilt beispielsweise für weniger dopingaffine Sportarten wie Sportakrobatik“, erklärt Dr. Caroline Bechtel. Sie war bereits an dem Forschungsprojekt 2015 beteiligt und führt jetzt die Folgestudie für die Jahre 2019 und 2020 durch. 

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat fördert dieses Folgeprojekt aufgrund eines Beschlusses des Bundestags. Mit der Durchführung beauftragte die NADA abermals das Institut für Sportrecht. Die erneute Evaluierung soll Aufschluss darüber geben, wie sich das Anti-Doping-System in Deutschland seit der letzten Erhebung entwickelt hat.

Neben einer umfangreichen Athlet*innenbefragung wollen die an der Studie beteiligten Mitarbeiterinnen Dr. Caroline Bechtel, Isabelle Liebchen und Nina Limburg in Zusammenarbeit mit einem renommierten Mathematikprofessor der Universität Kaiserslautern erstmals einen Index erarbeiten und auf die Steuerungskraft von Anti-Doping-Regelwerken anwenden. Der sogenannte KÖDEX (Kölner Index zur Bewertung der Steuerungskraft sportverbandlicher Regelwerke) soll im Anschluss an die Untersuchung auch für die Bewertung anderer Sportregeln und deren Entwicklungen zum Einsatz kommen. Das Ziel der zweiten Evaluierung besteht also vor allem darin, Veränderungen in der Umsetzung des Codes zu ermitteln und Vorschläge zu erarbeiten, wie die rechtlichen Vorgaben im Anti-Doping-Bereich noch besser beachtet werden können. Besonders an der Arbeit des Instituts für Sportrecht ist, dass Rechts- und Sportwissenschaftler*innen aufs Engste zusammenarbeiten. „Der interdisziplinäre Ansatz steht im Mittelpunkt unserer Studie, indem wir den NADC an seinen normativen Zielen unter Anwendung sportwissenschaftlicher und statistischer Methoden bewerten“, erklärt Dr. Caroline Bechtel.

Das Projekt ist Anfang dieses Jahres gestartet und läuft bis Ende 2020. Passend zur nächsten Revision des WADC im Jahr 2021 könnten die Ergebnisse also bereits vorliegen. „Gerade sind wir dabei, den Athlet*innenfragebogen der ersten Evaluierung mit Blick auf die neuen Zielsetzungen zu überarbeiten. Die Befragung soll noch in diesem Jahr erfolgen. Bei Gesetzen ist es die Regel, dass sie in gewissen Zeitabständen auf ihre Steuerungskraft und auf ihre Wirkungseffekte hin evaluiert werden. Bei der nächsten Revision des NADC könnten dabei möglicherweise dann schon Ergebnisse aus unserer Studie berücksichtigt werden“, hofft Dr. Bechtel.

Text: Marilena Werth

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Dr. Caroline Bechtel
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mehrfache Landesmeisterin (Jugend) im Weitsprung und in der 4x100m-Staffel, Teilnahme an Deutschen Jugendmeisterschaften Leichtathletik

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