Nr. 7/2018
Aufschlagperformance bei Breakpunkten
Nach 22 Jahren hat wieder eine deutsche Tennisspielerin das Traditionsturnier in Wimbledon gewonnen. Bei eigenem Aufschlag verwandelte Angelique Kerber gleich ihren ersten Matchball gegen die US-Amerikanerin Serena Williams. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg im Tennis sind u.a. die Breakpoints; so nutzte Kerber etwa gleich im ersten Spiel des ersten Satzes die Chance zum Break und beendet auch den ersten Satz mit einem Breakball. Der Rolle von Breakpunkten insbesondere beim Aufschlag widmet sich ein Artikel, den Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln im European Journal of Sport Science platzieren konnten: „Tennis serve performance at break points: Approaching practice patterns for coaching“.
Breakpoints gelten im Tennis als so genannte „Big Points“ – Punkte, die über Sieg und Niederlage entscheiden und dementsprechend beim Spieler bzw. bei der Spielerin mit einem gewissen mentalen Stress einhergehen. Wesentlich beeinflusst werden Breakbälle vom Aufschlag, vor allem im Herrentennis einem der dominantesten Schläge. Das Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten untersuchte in einer Datenanalyse der Herrenkonkurrenz von Wimbledon 2016 das Aufschlagverhalten in dieser besonderen Break-Situation, d.h. in der Situation, dass der Returnspieler mit dem Gewinn des nächsten Punktes (Breakpunkt) das Spiel, den Satz oder sogar das Match für sich entscheiden kann. Insgesamt analysierten die Wissenschaftler 28.843 Punkte, unterteilt in Breakpunkte (BP, n = 2.035) und Nicht-Breakpunkte (regular points = RP, n = 26.808).
„Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass die Chance für den Returnspieler höher ist, den Punkt zu gewinnen, wenn es sich um einen besonders wichtigen Punkt handelt. Im Gegenzug dürfte also der Stress auf der Seite des Aufschlägers in solchen Spielsituationen, zum Beispiel Breaksituationen, umso größer sein“, erklärt der Hauptautor des Artikels, Dominik Meffert (Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten), die Ausgangslage. „Daher haben wir uns in der vorliegenden Studie angeschaut, ob es Unterschiede in der Aufschlagperformance bei Breakpunkten im Vergleich zu Nicht-Breakpunkten gibt und ob Gewinner in Breaksituationen bessere Werte erzielen als Verlierer“, beschreibt er das Untersuchungsziel. Als generelle Hypothese legten die Autoren die Annahme zu Grunde, dass Breaksituationen das Aufschlagverhalten beeinflussen, was sich einerseits in schlechteren Aufschlagwerten zeigt (prozentual weniger Aufschläge im Feld und weniger gewonnene Punkte) und andererseits in einer besseren Aufschlagleistung der „Gewinner“ gegenüber den „Verlierern“ niederschlägt. Als Gewinner wurden dabei jene Spieler gewertet, die mindestens ein Spiel während des Wimbledon-Turniers 2016 gewannen.
Eines der Highlights, welches die Autoren in den Wimbledon-Daten fanden, ist, dass Spieler in Break-Situationen weniger Punkte mit ihrem ersten Aufschlag erzielen als in anderen Spielsituationen. Zudem servieren sie bei einem Breakball einen schnelleren ersten, aber einen langsameren zweiten Aufschlag im Vergleich zu Nicht-Breakpunkten. Meffert erklärt: „Der Aufschläger weiß in einer Breaksituation natürlich um die Bedeutung der Situation. Daher versucht er mit einem besonders schnellen ersten Aufschlag den direkten Punkt zu erzielen, zum Beispiel mit einem Ass, oder einen direkten Returnfehler des Gegenspielers zu erzwingen. Hier zeigen die Daten auch, dass die aufschlagenden Spieler in diesen Situationen verstärkt versuchen, in die Ecken der Aufschlagfelder zu zielen.“ Gelangt der erste Aufschlag in der Breaksituation nicht ins Feld, ist der mentale Druck beim Aufschläger umso größer – daher der vergleichsweise langsamere zweite Aufschlag der aber trotzdem zu mehr Doppelfehlern führt als bei Regular Points „Aber“, so Meffert, „überraschenderweise gewinnen die Aufschläger in einer Breaksituation mit dem zweiten Aufschlag prozentual fast genauso viele Punkte wie in anderen Spielsituationen.“ Der Rasenbelag beim Wimbledon-Turnier könnte hierfür einer der Gründe sein.
Bezogen auf die zweite Annahme der Wissenschaftler zu den Unterschieden bei „Gewinnern“ und „Verlierern“ fallen die Analyseergebnisse erwartungsgemäß aus. Gewinner scheinen in mentalen Drucksituationen wie dem Breakpoint erfolgreicher zu agieren als Verlierer. Der größte Unterschied zwischen Gewinnern und Verlieren liegt im Punktgewinn beim zweiten Aufschlag: Hier erzielt die Spieler-Kategorie Gewinner in Breaksituationen mehr Punkte als die Kategorie Verlierer. Der Prozentsatz der ersten Aufschläge im Feld verändert sich bei den Gewinnern auch beim Breakpunkt nicht, wohingegen dieser Prozentsatz bei den Verlierern sinkt. Gleichwohl sinkt beim Breakball insgesamt die Chance für den aufschlagenden Spieler, den Punkt zu machen und so den Spielgewinn des Gegners zu vereiteln. „Der Returnspieler scheint auf dem Rasenbelag in Wimbledon eine höhere Motivation zu haben, das Break zu erzielen, weil der Belag ihm nur wenige Chancen ermöglicht und diese genutzt werden wollen“, ordnet Meffert das Ergebnis ein.
Aus den Ergebnissen leiten die Wissenschaftler praktische Empfehlungen für das Tennistraining ab. „Die Aufschlagquote und Gewinnquote sollten auch in Drucksituationen wie der Breaksituation konstant hoch sein“, sagt Meffert. Daher wäre es wichtig, dass Trainer ihren Spielern vermitteln, wie sie bei allen Punkten eine gleich gute Aufschlagleistung abrufen können. „Ein Beispiel für eine solche Übung, die wir aus den Studienergebnissen abgeleitet haben, wäre, dass ein Spieler fünf erste Aufschläge in Folge regulär ins Feld servieren muss. Bei einem Fehler startet die Zählung von vorne. Hier geht es darum, dass der Spieler es schafft, aufkommenden mentalen Stress oder Frustration zu überwinden“, erklärt Meffert. Zudem sollte die Breaksituation stets mit hoher Motivation und Konzentration unter Match-Bedingungen trainiert werden, d.h.: „Der Trainer gibt die Break-Situation vor, und der aufschlagende Spieler soll versuchen, mit seinem zweiten Aufschlag den Punkt zu machen und das Break abzuwehren“, erklärt Meffert. Ein weiteres Ergebnisse, das Meffert in Zukunft weiter betrachten will, ist, dass 72% aller untersuchten BP auf der Vorteilseite gespielt wurden – ein Hinweis, der sich auch in entsprechende Trainingseinheiten integrieren ließe.
Text: Julia Neuburg