Nr. 8/2017

Sport hat das Potenzial, auf vielen Ebenen positiv zu wirken

Tim Stuckenscheider vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft ist eine der Hauptfiguren des Projektes DENKSPORT, in dessen Rahmen am 20. September ein Thementag mit unterschiedlichen Workshops sowie der Kölner Abend der Sportwissenschaft stattfand. Im Zentrum von DENKSPORT steht die Frage, ob regelmäßige Sportaktivitäten die Entwicklung kognitiver Schwächen im Alter bremsen können und welche Bewegungskonzepte welche Wirkung haben. Derzeit forscht Stuckenschneider an der University of the Sunshine Coast, Maroochydore in Australien, einer Partneruniversität der Deutschen Sporthochschule Köln. Dort sammelt er letzte Daten für seine Doktorarbeit.

Herr Stuckenschneider, wenn man Sie zu Ihren Versuchsgruppen begleitet, sieht man überall fröhliche Gesichter. Alleine das deutet darauf hin, dass Sport und Bewegung den Menschen mit beginnenden kognitiven Schwierigkeiten gut tun. Lässt sich das mittlerweile auch wissenschaftlich belegen?

Wir konnten in jedem Fall nachweisen, dass die kognitiven Fähigkeiten der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer tatsächlich mit ihrer körperlichen Fitness korrelieren. Je fitter die Leute werden, desto besser werden auch ihre geistigen Leistungen. Auf dieser Ebene entwickeln sich unsere Probanden, die regelmäßig an den Bewegungsangeboten teilnehmen, eindeutig besser als die Kontrollgruppe, die keinen Sport treibt. Außerdem zeigen erste Daten, dass auch die Lebensqualität sich bei unseren aktiven Teilnehmern signifikant verbessert hat, was bei der Kontrollgruppe nicht der Fall war.

Lässt sich die Entstehung kognitiver Schwächen mit Sport nur bremsen oder ist sogar denkbar, dass bestimmte Programme zur Heilung betroffener Menschen beitragen können?

Heilen ist ein sehr großer Begriff, mit so einer Ankündigung würde ich mich deshalb nur ungern aus dem Fenster lehnen. Aber ich denke, dass wir den Verlauf von Krankheiten sehr positiv beeinflussen können und dass Sport hier auf ganz vielen Ebenen das Potenzial hat, positiv zu wirken. Auf das Körperliche, das Psychische, das Soziale. Der ganzheitliche Ansatz ist hier sehr viel versprechend.

Nun weiten Sie das Projekt auf Australien aus, wo Sie während der kommenden zehn Monate weiterforschen. Was genau machen Sie dort?

Ich konnte im Rahmen von DENKSPORT schon in Deutschland Testungen mit dem transkraniellen Doppler zur Messung der zerebrovaskulären Durchblutung des Gehirns begleiten, allerdings eher in beobachtender Form. Diese Technik möchte ich nun gerne lernen, und unsere Forschung durch Vergleichswerte von kognitiv gesunden, älteren Menschen erweitern.

Was lässt sich mit diesem Verfahren herausfinden?

Im Prinzip handelt es sich um eine Ultraschalluntersuchung, mit deren Hilfe sich die Blutflussgeschwindigkeit ins Gehirn untersuchen lässt. Etliche demenzielle Veränderungen und kognitive Erkrankungen im Alter sind eng mit der Durchblutung verknüpft. Jetzt schauen wir, welche Anpassungserscheinungen sich durch Sport und Bewegung hervorrufen lassen.

Wie viele Leute sind daran beteiligt?

In Köln arbeiten wir derzeit noch mit 80 Leuten zusammen, die an den Sportangeboten teilnehmen. Dann haben wir, bzw. hatten wir rund 30 Probanden in den Kontrollgruppen, die keinen Sport machen. Allerdings ist DENKSPORT ein europäisches Projekt und so gibt es auch eine Kooperation mit dem Trinity College in Irland und der Radboud University in den Niederlanden, am Ende sollen all unsere Daten zusammenfließen. Wenn alles wie gewünscht läuft, werden mehr als 225 Personen Teil des Projektes sein.

Was für ein Ergebnis wäre wünschenswert?

Natürlich wäre es großartig, wenn wir zeigen könnten, dass die Menschen, die sportlich aktiv sind, länger gesund bleiben. Dass sie sich besser fühlen und auch kognitiv stabiler bleiben als andere Personen. Ich habe als Sportwissenschaftler natürlich immer den Wunsch, dass Bewegung da hilft, und dass z.B. eine bessere zerebrovaskuläre Durchblutung negative Entwicklungen bremst. Es wird zwar schwierig bleiben, das so pauschal zu sagen, denn bei Gedächtniserkrankungen spielen immer sehr viele Faktoren eine Rolle. Aber da wir eine große Stichprobe haben und das ein Riesenprojekt ist, glauben wir schon, am Ende eine gute Aussage tätigen zu können: Wenn Ihr das und das macht, habt Ihr gute Chancen, länger auf einem bestimmten Level stabil zu bleiben.

Das ist klingt ambitioniert, planen Sie nach der Promotion eine Karriere in der Alzheimerforschung?

Es ist immer schwierig, eine wissenschaftliche Karriere zu planen, da spielen so viele Eventualitäten eine Rolle, aber im Moment läuft es ganz gut bei mir. Jetzt muss ich meinen Doktor erstmal fertig kriegen, was im Rahmen des Joint PhD Programms der Sporthochschule und der USC auch einen Abschluss in Australien bedeutet. Das wäre wissenschaftlich sehr qualifizierend und ich würde mir wünschen, auf dieser Basis weiter in diesem Forschungsfeld aktiv bleiben zu können. Medizinisch gibt es bislang nämlich noch keine richtig überzeugenden Therapien für kognitive Erkrankungen, wir können nichts heilen. Ich denke, Sport und Bewegung ermöglichen den Menschen nicht nur eine Aufrechterhaltung körperlicher Funktionen, sondern die Teilhabe an der Gesellschaft und am Leben. Aber es geht hier nicht alleine um neuartige Trainings- und Bewegungsangebote, sondern auch um ein Verständnis und eine Offenheit in den Sportgruppen und -vereinen, die solche Angebote in ihrem Programm haben sollten. Meine Erfahrung im DENKSPORT zeigt, dass mit einer guten Sensibilität und Offenheit der Sport auch mit sehr heterogenen Gruppen möglich ist, allen Teilnehmern Spaß macht und ihre Fitness schult! Deswegen ist es wichtig, dass wir im Rahmen des Projektes auch Studierende ausbilden, um unsere Erfahrung weiterzugeben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass altersbedingte Gedächtniserkrankungen in den kommenden Jahren noch zunehmen werden.

An der Sporthochschule gibt es ganz unterschiedliche Studien und Forschungsansätze zu den Effekten, die Sport im Gehirn hervorrufen kann. Prof. Dr. Wilhelm Bloch untersucht die Möglichkeit, durch bestimmte Trainingsmaßnahmen Multiple Sklerose zu bekämpfen, Dr. Sandra Rojas erforscht die therapeutischen Potenziale von Sport für DiabetikerInnen und bei Depressionen. Gibt es Schnittmengen oder eine Kooperation?

Eine Zusammenführung verschiedener Arbeitsgruppen ist immer wünschenswert, und hier sind noch längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft. Ein Ansatz wäre, das „High Intensitiy Intervalltraining“, das am Institut von Wilhelm Bloch für MS-Patienten entwickelt wurde, auch für Menschen mit kognitiven Schwächen anzubieten. Gerade sehr intensive körperliche Belastungen rufen oft positive Effekte hervor.

Interview: Daniel Theweleit