Nr. 8/2017

Burnout bei Trainern

„Der Körper ist ausgelaugt, körperlich ist er am Ende. Die Speicher sind einfach leer“ – mit diesen Worten erklärte der Vereinsarzt des FC Schalke 04, Torsten Rarreck, vor ziemlich genau sechs Jahren die sofortige Vertragsauflösung des damaligen Schalker Trainers Ralf Rangnik. Grund: Rangnik leide an einem „vegetativen Erschöpfungssyndrom“, im Volksmund Burnout. Rangnik war damit der erste Trainer, der sich mit dieser Diagnose der Öffentlichkeit stellte und sein Problem offen ansprach.

Zuvor gingen bereits einige Sportler mit der Diagnose Burnout bzw. Depressionen an die Öffentlichkeit, z.B. Sven Hannawald 2004 oder Sebastian Deisler 2003. Spätestens der Selbstmord des Fußballtorhüters Robert Enke 2009 rüttelte die Sportwelt für dieses Thema wach. Für die psychische Gesundheit von Trainern ist hingegen noch relativ wenig Aufmerksamkeit geweckt worden. Die Deutsche Sporthochschule Köln hat nun in Kooperation mit der Ruhruniversität Bochum ein Projekt zu Burnout bei Trainern durchgeführt.

Burnout im Leistungssport ist seit fast drei Jahrzehnten ein Thema der Sportwissenschaft. 1984 beschäftigte sich die erste Publikation mit Burnout-Prozessen im Sport (Caccese & Mayerberg). „Die Anzahl von Burnout-Studien ist in den letzten Jahren gestiegen“, erklärt Projektmitarbeiter Dr. Christian Zepp und schränkt ein: „Die zugrunde liegenden Forschungskonzeptionen sind hingegen eher einseitig und überwiegend stresstheoretisch ausgerichtet.“ Das Trainerburnout spiele bislang eine untergeordnete Rolle, obwohl es aus gesellschaftlicher, sportwissenschaftlicher und sportpraktischer Perspektive eine hohe Relevanz besitze. Denn: Trainer sind Stellvertreter für andere hoch belastete Berufsgruppen, somit sei das Wissen über Burnout-Prozesse im Sport auch wichtig für die Gesamtgesellschaft. „Ursachen für Burnout bei Trainern und Präventionsmöglichkeiten sind bislang weitgehend ungeklärt, auch fehlen sensitive Messinstrumente“, verdeutlicht Zepp die Forschungslage. Nicht zuletzt sei das Thema aus sportpraktischer Sicht hoch relevant, weil eine starke Beeinträchtigung auf Seiten des Trainers Auswirkungen auf die Leistung und das Wohlbefinden der Athleten habe.

„Ein wichtiges Ziel des vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BiSp) geförderten Projekts ist, Messinstrumente zu entwickeln und zu evaluieren, die helfen, Burnout-Bedingungen, Frühsymptome und Burnout-Verläufe zu erfassen. Darauf aufbauend sollen praxisgerechte Maßnahmen entwickelt, implementiert und evaluiert werden, die geeignet sind, Burnout frühzeitig zu erkennen und im Sinne der Primärprävention zu verhindern“, nennt Zepp die Zielsetzungen. Die Entwicklung des so genannten Diagnostikums lag schwerpunktmäßig bei der Arbeitsgruppe der Ruhruniversität Bochum, während die Kölner Gruppe maßgeblich mit der Entwicklung, Durchführung und Auswertung der Interventionsmaßnahmen betraut war. „Zunächst einmal wurde aus vielen bereits existierenden und bewährten Fragebögen ein neuer Fragenkatalog entwickelt, der sich als geeignet erwies, eine beeinträchtigte psychische Gesundheit bzw. einen Burnout bei Trainerinnen und Trainern zu identifizieren. In diesem Forschungsschritt konnten wir zeigen, dass besonders die Bereiche emotionale Erschöpfung, allgemeine Beanspruchung, Sinnverlust, allgemeine Erholung, gestörte Pausen, ungestörte Freizeit, Übermüdung und körperliche Beschwerden für die psychische Gesundheit von Trainern verantwortlich sind“, erklärt Zepp.

Um Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Entwicklung und Durchführung der Interventionsmaßnahmen zu finden, wurden mehr als 5.000 Kontakte angeschrieben. Letztlich nahmen nur 65 Personen an dieser anwendungsorientierten Studie teil. Die sehr geringe Quote zeigt unter anderem, dass das Thema Trainerburnout in der Praxis noch stark tabuisiert wird. „Im Sport herrscht oftmals leider noch das Negativimage vor, dass etwas mit einem nicht stimmt, wenn man zum Psychologen geht, selbst beim Sportpsychologen. Außerdem fürchten viele Trainer und Athleten negative Konsequenzen für sich und ihre weitere Karriere, wenn mögliche psychische Beschwerden nach außen dringen“, beschreibt Zepp, warum viele TrainerInnen und AthletInnen extrem vorsichtig mit dem Thema mentale Gesundheit umgehen. Für Sportpsychologen hingegen sei das Coaching, d.h. die sportpsychologische Beratung und Betreuung, aber in erster Linie ein Mittel, um die Leistung und das psychische und physische Wohlbefinden zu steigern, wobei ein besseres Wohlbefinden auch häufig einen unmittelbaren Einfluss auf die Leistung hat.

Mit dem jetzigen Projekt wurde erstmals eine Interventionsstudie mit Trainern zum Burnout umgesetzt. Alle 65 TeilnehmerInnen wurden zunächst randomisiert in Interventionsgruppen und Kontrollgruppe eingeteilt. Zu drei Testzeitpunkten (t1, t2 und t3) beantworteten die TeilnehmerInnen denselben Fragebogen, vor der Intervention, unmittelbar nach der Intervention sowie drei Monate später. Der eigentliche Interventionszeitraum zwischen t1 und t2 betrug vier Wochen, in denen jeweils zu Anfang und zum Ende je ein dreistündiger Gruppenworkshop sowie verteilt über die vier Wochen drei 30-minütige telefonische Einzelberatungen durchgeführt wurden. Die Kontrollgruppe erhielt keine Interventionen, sondern lediglich kurz nach dem dritten Messzeitpunkt Informationen rund um die psychische Gesundheit bei Trainern, sowie das Angebot, eine telefonische Einzelberatung zum Thema Burnout in Anspruch nehmen zu können.

Die Workshops konzentrierten sich inhaltlich auf den Austausch untereinander und das voneinander Lernen. „Es ging viel darum, die Faktoren zu erkennen und zu analysieren, die Überlastung auslösen und individuelle Copingstrategien bewusst zu machen und zu entwickeln, die bei der Bewältigung z.B. von emotionaler Erschöpfung oder ungestörter Freizeit helfen können“, beschreibt Zepp den Inhalt der Workshops. Die TeilnehmerInnen beschäftigten sich intensiv damit, welche Tätigkeiten ihnen in der Woche Energie nehmen, und welche ihnen Energie geben. Außerdem wurden unterschiedliche Methoden und Strategien vermittelt, die den TrainerInnen dabei helfen sollen, noch besser mit den Belastungen umgehen zu können. Die telefonischen Einzelberatungen gestalteten sich als hauptsächlich anliegenorientierte Beratungsgespräche, in denen basierend auf den identifizierten Faktoren für eine beeinträchtigte psychische Gesundheit Copingstrategien und Bewältigungsmethoden erarbeitet und vermittelt wurden.

„In den Interventionen zeigte sich, dass vor allem die individuellen Ressourcen und bewusst oder unbewusst eingesetzten Bewältigungsstrategien darüber entscheiden, wie jemand mit einer Situation zurecht kommt“, sagt Zepp. Ein gutes soziales Netz, das auffängt, sei für viele TrainerInnen hilfreich, ebenso verschiedene Entspannungstechniken oder einfach „beim Joggen den Kopf frei kriegen“.

Konkret konnte das Projektteam zeigen, dass sich die Werte der Interventionsgruppe (Einzelbetreuung, Workshop) besonders in den Bereichen der allgemeinen Beanspruchung, der gestörten Pausen und der ungestörten Freizeit verbesserten, was ein Hinweis dafür ist, dass sich die entwickelten und durchgeführten Workshops und Einzelbetreuungen positiv auf die psychische Gesundheit der TeilnehmerInnen ausgewirkt haben. „Der größte Schutzfaktor für Burnout sind die eingesetzten Copingstrategien“, ist Zepp überzeugt. Bei aller Bedeutung von Bewältigungsstrategien und Ressourcen weist Zepp jedoch noch darauf hin, dass an manchen Stellen manchmal Strukturen bestehen, die eine Person selbst nicht ändern, und damit auch nicht kontrollieren kann. Kämpft man dann ständig gegen etwas an, das man nicht ändern kann, geht wichtige Energie für die eigene Trainertätigkeit und das eigene Leben verloren.

Ein weiterer Schritt des Projekts ist nun, konkrete Umsetzungsideen und Handlungsanweisungen zu entwickeln, wie die Inhalte in die Aus- und Fortbildung von TrainerInnen in Sportverbänden integriert werden können, z.B. indem die Workshops in das Programm der Landesverbände aufgenommen werden.

Text: Julia Neuburg