Nr. 4/2021
Eltern-Coach-Kind: gemeinsam zum Erfolg
Manchmal kommt es beim Jugendfußball zu skurrilen Situationen. Etwa dann, wenn Eltern plötzlich die Schiedsrichter*innen beleidigen oder die Entscheidungen der Trainer*innen in Frage stellen, wenn der eigene Schützling nicht die volle Spielzeit zum Einsatz kommt. Woher kommt dieses Verhalten? Und wie steht es um die Unterstützung, die Eltern ihren Kindern geben? Eine umfangreiche Befragung und Analyse des Psychologischen Instituts der Sporthochschule liefert erste Anhaltspunkte.
Auf Fußballplätzen sorgen nicht nur raffinierte Spielzüge oder imposante Tore für Schlagzeilen, auch von Ausschreitungen liest man immer wieder. Dabei stehen nicht nur gewaltbereite Fans bei Spielen in der Bundesliga im Mittelpunkt, sondern manchmal auch Eltern, die bei Spielen ihrer Schützlinge an der Seitenlinie auffällig werden. Sie beleidigen Schiedsrichter*innen, stellen die Entscheidungen des Trainers/ der Trainerin in Frage oder treiben ihre eigenen Kinder mit Technik- und Taktik-Tipps zur Weißglut.
Woher kommt dieses Verhalten und wie steht es um die Unterstützung, die Eltern ihren Kindern geben? Wie sehen sich Eltern selbst an der Seitenlinie und warum stimmt ihre Selbstwahrnehmung manchmal nicht mit der Außenwahrnehmung von Trainer*innen oder Kindern überein? Für Fragen wie diese suchen Dr. Babett Lobinger und ihre Promotionsstudentin Valeria Eckardt vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln Antworten. Sie möchten herausfinden, ob die Unterstützung der Eltern von Kind, Trainer*in und von den Eltern selbst unterschiedlich wahrgenommen wird und wie man die Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessern kann.
Die Beziehung zwischen Trainer*innen, Eltern und Kind optimieren
„Uns ist es wichtig, einen Beitrag dazu zu leisten, die Beziehung zwischen Trainer*innen, Eltern und Kindern zu optimieren, weil eine positive Beziehung aller Beteiligten zueinander dazu beiträgt, dass die jungen Sportler*innen sich wohl fühlen und insgesamt eine vorteilhafte Talentumgebung gestaltet wird“, erklärt Valeria Eckardt.
Eine umfangreiche Befragung und Analyse, in der die Sichtweise von Eltern, Kindern und Trainer*innen einfließt, liefert nun erste Anhaltspunkte, um das Zusammenspiel dieser drei Gruppen besser zu verstehen. Die Ergebnisse wurden jüngst unter dem Titel „Three perspectives on parental support in youth soccer: Children, parents, and coaches“ im International Journal of Sports Science & Coaching veröffentlicht.
„Das übergeordnete Ziel des Forschungsprojekts war es, die Wahrnehmung des elterlichen Unterstützungsverhaltens sowie das Verhalten am Spielfeldrand zu untersuchen, und zwar aus den Perspektiven von Kindern, Eltern und Trainer*innen. Dabei haben wir uns auf die Zufriedenheit der drei Akteure mit dem Verhalten der Eltern konzentriert und uns bewusst für einen multi-perspektivischen Ansatz entschieden, um aus einer Fülle an Daten zu schöpfen. Dies wird in bisherigen Studien zumeist nicht umgesetzt und führt zu einer isolierten Betrachtung der beteiligten Akteure“, beschreibt Dr. Babett Lobinger.
In drei Studien wurden 480 Elternteile, 241 Trainer*innen und 371 Kinder befragt
In den drei verschiedenen Studien des Psychologischen Instituts wurden insgesamt 480 Elternteile, 241 Trainer*innen und 371 Kinder im Alter zwischen 8 und 16 Jahren aus verschiedenen Leistungsniveaus im Jugendfußball zu ihrer Zufriedenheit mit der Unterstützung der Eltern befragt. Beteiligt an der Untersuchung waren Akteure aus dem Fußball-Amateurbereich und aus einem Fußball-Nachwuchsleistungszentrum, in dem ausschließlich Nachwuchsspieler trainieren, die zuvor durch einen Scout ausgewählt wurden.
In der ersten Studie wurden Werte identifiziert, die eine Aussage darüber zulassen, wie zufrieden die befragten Personengruppen mit der Unterstützung der Eltern auf sozialer Ebene sind. Generell, so beschreiben die Wissenschaftlerinnen, lässt sich die soziale Unterstützung der Eltern in drei Bereiche unterteilen: (1) Emotionaler Support, also die Kinder zum Beispiel dabei unterstützen, mit einer Niederlage umzugehen. (2) Instrumentelle Unterstützung, beispielsweise durch Fahrgemeinschaften oder das Waschen von Trikots. (3) Unterstützung im Informationsfluss, das heißt: durch Kommunikation mit allen Beteiligten Konflikten vorbeugen oder zu deren Lösung beitragen.
„Unsere erste Befragung hat gezeigt, dass die emotionale Unterstützung und die Interaktion und Kommunikation an der Seitenlinie besonders relevante Einflussgrößen für die Zufriedenheit mit dem Verhalten der Eltern sind. Deshalb sind wir in unseren Folgestudien vorwiegend diesen Bereichen nachgegangen“, erklärt Dr. Babett Lobinger.
So sollten Eltern im Fragebogen der Folgestudien 2 und 3 beispielsweise ihr eigenes Verhalten und ihre Emotionen am Spielfeldrand auf einer Skala von 1 (gar nicht zufrieden) bis 5 (sehr zufrieden) einordnen. Trainer*innen und Kinder wurden ebenfalls zum Verhalten der Eltern befragt. Eine Frage an die Kinder lautete beispielsweise: „Die Art, wie meine Eltern sich gegenüber anderen Eltern verhalten, macht mich…“. Statt eine Zahl anzugeben, antworteten die teilnehmenden Kinder mithilfe einer fünfstufigen Skala mit Smileys von :-) bis :-(. Zusätzlich wurden bestehende Kommunikationsmaßnahmen und Unterstützungsangebote auf Vereinsebene und demografische Angaben wie Alter, Geschlecht, eigene sportliche Vergangenheit oder monatliche Ausgaben für den Sport abgefragt.
In einer dritten Studie wurden Akteure im professionellen Sportumfeld befragt. In diesem Fall Eltern, Kinder und Trainer*innen einer Fußballschule, die an einen Profiverein mit professionellen Strukturen angegliedert ist. Die Ergebnisse der dritten Studie wurden mit denen der zweiten verglichen, um Unterschiede im Umgang zwischen professionellem und Amateur-Umfeld zu erforschen.
Ein überraschendes Ergebnis: Trainer*innen sehen Optimierungsbedarf
Die Ergebnisse zeigen: Eltern und Kinder sind überwiegend zufrieden mit der Unterstützung, die sie geben oder erhalten – unabhängig vom Leistungsniveau. Trainer*innen hingegen scheinen noch Optimierungsbedarf zu sehen. Die Trainer*innen des Nachwuchsleistungszentrums waren weniger zufrieden mit der Unterstützung durch die Eltern verglichen mit dem Amateur-Bereich, was die Wissenschaftlerinnen überrascht hat.
„Wir hatten vermutet, dass die Trainer*innen im Fußball-Nachwuchsleistungszentrum eher mit der Unterstützung der Eltern zufrieden sind, da es sich dort um ein hoch professionalisiertes Umfeld handelt, in dem alle Akteure für die Entwicklung des Kindes kooperieren müssen. Die Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass es besonders in diesem Leistungsumfeld eines noch stärkeren Austauschs zwischen Eltern und Trainer*innen bedarf, wie elterliche Unterstützung aussehen sollte oder darf“, sagt Eckardt.
Die Studien zeigen auch, dass die Zufriedenheit der Kinder mit dem Verhalten ihrer Eltern offenbar mit steigendem Alter zunimmt. Ältere Kinder und Jugendliche sind tendenziell zufriedener mit der Unterstützung der Eltern. Dieses Ergebnis bestätigt vorherige Studien, die ergeben haben, dass die emotionale Belastung für Eltern bei jüngeren Kindern (6 bis 13 Jahre) höher ist. Eine wichtige Erkenntnis für mögliche Coaching- oder Unterstützungsangebote.
Blick in die Zukunft: Gezielte Coachingangebote
Die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie wollen die Wissenschaftlerinnen des Psychologischen Instituts als Grundlage für weitere Untersuchungen nutzen. Ihr Ziel ist es, die Beziehung zwischen Eltern, Kindern und Trainer*innen mit Beratung und gezielten Coachingangeboten langfristig zu unterstützen.
„Es geht uns bei der Idee, Unterstützung anzubieten, nicht darum, das Verhalten der Eltern per se zu verändern. Wir wollen vielmehr Situationen identifizieren, die Eltern und Trainer*innen in der Kommunikation und Interaktion als herausfordernd erleben. Eine Lösung könnte sein, die Kommunikation zwischen Trainer*innen und Eltern sowie die Elternarbeit zu optimieren und insgesamt für mehr Transparenz zu sorgen. Eine gute Zusammenarbeit erhöht bei allen Beteiligten die Zufriedenheit und kann die sportliche Leistung fördern“, sagt Lobinger. Wenn das gelingt, stünden auch wieder die Spielzüge im Mittelpunkt und nicht das Randgeschehen an der Seitenlinie oder auf der Tribüne.
Text: Marilena Werth
Autorinnen
Babett Lobinger
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