Kölner Abende der Sportwissenschaft

17. "Wie viel Sport steckt im eSport?"

Kontroverse Diskussionen und gegensätzliche Positionen beim 17. Kölner Abend der Sportwissenschaft zum Thema eSport.

Die Welt des Sports ist in den letzten Jahrzehnten vielfältiger und facettenreicher geworden und hat sich auch an ihren Rändern ausgefranst. Die Diskussion darüber, was Sport ist, ist dabei nicht neu. Man erinnere sich an Trendsportarten wie Skateboarden, Klettern oder Surfen, deren Emporkommen heiß diskutiert wurde und die bei den Olympischen Spielen 2020 erstmals zu den olympischen Sportarten gehören. Dass eSport ein globales Massenphänomen ist, das mehr als 100 Millionen User und über 400 verschiedene Spiele umfasst, sich gleichzeitig als Wettkampf und lukratives Geschäftsfeld etabliert hat, ist eine Tatsache. Eine leidenschaftliche Diskussion entbrennt sich aber aktuell an der Frage, ob es sich beim Gaming um Sport oder gar um eine Sportart handelt und ob damit der Weg in einen Sportdachverband geebnet sein müsste. Diesen und vielen weiteren Fragen widmete sich der 17. Kölner Abend der Sportwissenschaft an der Deutschen Sporthochschule Köln.

In zahlreichen Ländern ist eSport bereits im Sportartenkanon angekommen; in Deutschland gibt es starke Bemühungen des eSport-Bundes Deutschland (ESBD), mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zumindest zu kooperieren. „Wir sind mit dem Ziel an den DOSB herangetreten, über gemeinsame Handlungsfelder und Perspektiven zu sprechen. Dabei ging es nicht um einen Aufnahmeantrag, sondern eher um eine Kooperationsvereinbarung. Aber wir sind nur auf Ablehnung gestoßen“, beschreibt Hans Jagnow, Präsident des ESBD, die Bemühungen seines Verbandes. Als eSport-Versteher stellte der Moderator des Kölner Abends der Sportwissenschaft, Wolf-Dieter Poschmann, den Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Univ.-Prof. Dr. Ingo Froböse, vor. Der beschäftigt sich seit mehreren Jahren wissenschaftlich mit eSportler*innen, hat erste repräsentative Studien zum Anforderungsprofil und zu den Fähigkeiten im eSport durchgeführt und vertritt nach außen die klare Meinung, dass für ihn eSport „echter“ Sport ist. Zum einen finde eSport eben nicht nur vor der Konsole statt, sondern werde mittlerweile immer bewegter, z.B. durch die Möglichkeiten der virtuellen Realität. Zudem fordere eSport neben herausragenden motorischen Fähigkeiten körperliche Höchstleistung bezogen auf die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, taktische Fähigkeiten, Wahrnehmung oder Stressresistenz.

Von diesen Argumenten ließ sich Univ.-Prof. Dr. Volker Schürmann, Leiter des Instituts für Pädagogik und Philosophie, nicht überzeugen. Er nahm die gegensätzliche Position ein, stellte Gaming auf eine Ebene mit dem Klavierspielen und führte zwei harte Punkte ins Feld: „Erstens: Beim virtuellen Spielen geht es nicht darum, eine körperliche Leistung zu zeigen oder diese zu vergleichen. Zweitens: Gaming ist ein riesiges Geschäft, das rein ökonomische Interessen verfolgt.“ Dr. Daniel Illmer vom DOSB skizzierte, wie eine Sportart zur Sportart wird und als Mitglied in den Verband aufgenommen werden kann: „Wir entscheiden, welche Sportarten unter dem Dach des DOSB repräsentiert werden. Wir treffen nicht die Entscheidung, was Sport ist.“ Die drei wichtigsten Kriterien, denen der DOSB bei der Bewertung folgt, sind (1) die sportartbestimmende motorische Aktivität, (2) der Selbstzweck und (3) die ethisch vertretbaren Werte. Vor allem den zweiten und dritten Punkt sieht Illmer beim eSport als kritisch an. „Ein Großteil der Spiele ist nicht mit unserem Werteverständnis vereinbar. Zudem ist eSport ein Geschäft, über dessen Regeln und Funktionen ausschließlich die Publisher entscheiden“, sagte der DOSB-Vertreter und schlug damit in dieselbe Kerbe wie Sportphilosoph Schürmann.

Zum Ende der Diskussion versuchte Ingo Froböse, einen gemeinschaftlichen Weg beider Lager einzuschlagen: „Ich suche nach einer Lösung für eine Zusammenarbeit; Konfrontation bringt uns hier nicht weiter.“ DOSB-Mann Illmer sicherte zu, dass der DOSB offen sei für digitale Innovationen, „aber auf Basis unserer Werte“. Schürmann blieb am Ende dabei, dass er weder Gründe noch ernstgemeinte Interessen dafür erkenne, eSport als Sportart anzuerkennen.

Wie der Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln, Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder, in seinen Eingangsworten erwähnte, zeichne sich eine Universität durch unterschiedliche Auffassungen aus. „Diversität nach innen und außen, Vielfalt und Pluralität machen eine leistungsstarke Universität aus“, konstatierte Strüder. Daher könne es trotz intensiver gesellschaftlicher Forderungen häufig keine einstimmige Meinung der Deutschen Sporthochschule Köln zu einem Thema geben. „Wissenschaft gewinnt Erkenntnisse aus unterschiedlichen Zugängen und Ansätzen. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich Menschen auf Grundlage unterschiedlicher Argumente eine eigene Meinung bilden können.“ Diesem Anspruch, unterschiedliche Sichtweisen aufzuzeigen, kam der 17. Kölner Abend der Sportwissenschaft auf kontroverse Art und Weise nach. Zur Frage, ob eSport echter Sport ist, konnte man sich unterm Strich aber lediglich darauf einigen, dass man sich uneins ist.

Vergangene Kölner Abende der Sportwissenschaft

16. „Doping (-kontrolle) – Mittel zum Zweck!?"

16. „Doping (-kontrolle) – Mittel zum Zweck!?"

Mit einem prominent besetzten Podium widmete sich der 16. Kölner Abend der Sportwissenschaft dem Thema Doping: „Doping (-kontrolle) – Mittel zum Zweck!? Das Leben der AthletInnen in der Kontrolle.“

 „Nicht die Athleten sind die Hauptverantwortlichen, das System ist Schuld an dem Schlamassel“, sagte ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt. Aus der Frage nach Dopingkontrollen, deren Effektivität und Belastung für die Athleten entbrannte schnell eine Debatte darüber, wer Schuld daran ist, dass im Sport überhaupt gedopt wird. „Es soll immer höher, schneller, weiter gehen. Auch wir Journalisten sind Teil dieses Systems, das nach immer neuen Rekorden lechzt“, so Seppelt. Schlagwörter wie Sponsorenverträge, Markenimage und Einschaltquoten fielen, ohne das eigentliche Thema aus den Augen zu verlieren: Dopingkontrollen. Wie werden Dopingkontrollen und deren Effektivität bei den AthletInnen wahrgenommen? Kann die Kontrolle und Analytik leisten, was nötig ist? Welche Belastung stellt die Dopingkontrolle für die AthletInnen dar und was können die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) und Forschung hier verbessern?

Univ.-Prof. Dr. Mario Thevis, Leiter des Instituts für Biochemie, eines der weltweit führenden Doping-Kontrolllaboratorien, erörterte in einem Impulsvortrag den Status Quo der Dopinganalytik sowie Neuerungen der dopinganalytischen Verfahren: „Die WADA veröffentlicht jedes Jahr die Prohibited List, auf der die Substanzen und Methoden des Dopings aufgeführt sind, die von den weltweit operierenden Doping-Kontrolllaboratorien zu prüfen sind. Etwa dreihunderttausend Dopingkontrollen werden im Jahr durchgeführt – die meisten sind Urin- und Blutproben.“ Beide  Verfahren seien für den Athleten nicht sehr angenehm. „Bei einer Urinkontrolle müssen sich die Athletinnen und Athleten stark entblößen. Bei einer Blutkontrolle muss die Vene punktiert werden. Wenn wir nach Alternativen suchen, suchen wir abseits dieser Strategien, die intrusiv oder invasiv sind“, so Thevis.

Für Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius seien die Urinproben ein notwendiges Übel gewesen: „Ich habe das nie in Frage gestellt, aber angenehm war es nicht – wer pullert schon gerne vor den Augen einer wildfremden Person in einen Becher.“ Die heutige Trainerin sagte, dass sie ohne die Intensivierung der Dopingkontrollen Anfang der neunziger Jahre vermutlich ihren Sport nicht weiter betrieben hätte. „Für mich kam Doping nie in Frage. Aber natürlich ist man nicht so naiv zu glauben, dass das auf alle Sportler zutrifft. Die Kontrollen geben einem zumindest das Gefühl, dass eine Chancengleichheit im Sport möglich ist.“ „Interessant ist, dass sich das in unserem Rechtssystem, rechtsstaatlich gedacht,  niemand gefallen lassen würde und im Sport soll es so sein‘“, sagte Sportrechtler Michael Lehner, der sich als Vorsitzender der Doping-Opfer-Hilfe (DOH) für Opfer einsetzt, die durch das DDR-Dopingsystem geschädigt wurden. „Das ist ein massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte“, sagte auch Hajo Seppelt. Dr. Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der NADA, die für die Umsetzung eines einheitlichen Dopingkontrollsystems für Deutschland zuständig ist: „Das ist nicht etwas, das wir uns ausdenken, weil wir nichts zu tun haben. Das sind immer Reaktionen auf Vorkommnisse in der Praxis – zum Beispiel das Unterschieben von Fremdurin.“ Der Schutz der sauberen Athleten sei auch eine Kernaufgabe der NADA, so Gotzmann: „Wir können nicht die allgemeine Schlussfolgerung ziehen, ,die dopen doch eh alle, sie werden nur nicht erwischt'.“ Die Tatsache, dass auf die Methode des Blutdopings zurückgegriffen werde, das in den achtziger Jahren verstärkt Anwendung fand, zeige, dass es nur noch geringe Möglichkeiten gebe, das System zu unterlaufen. Gemeint war der Dopingfall um den  österreichischen Langläufer Johannes Dürr.

„Das Ziel ist, möglichst sensitive Nachweisverfahren zu haben um Spurenanalytik betreiben zu können. Denn wir sind auf der Suche nach Resten von Dopingmitteln, die den Körper überwiegend schon vor sehr langer Zeit verlassen haben. Wir können ein sehr langes Zeitfenster überbrücken“, so der Dopinganalytiker Mario Thevis. Von den Olympischen Spielen 2008 in Peking und 2012 in London seien bis 2016 über 1.500 weitere Kontrollen mit den langzeitgelagerten Proben durchgeführt worden. Das Ergebnis: Über 100 weitere positive Befunde und viele aberkannte Medaillen. „Das ist gut, aber das ist nicht das, was wir Sportler eigentlich wollen. Wenn man erst Monate später für eine Leistung gewürdigt wird, dann ist die Freude nur halb so groß“, so Steffi Nerius. Eine Anekdote der Leichtathletin: „Als ich 2004 die Silbermedaille gewonnen habe, habe ich sehr lange gewartet, bis ich mir das Medaillen-Tattoo habe stechen lassen.“

Eine Diskussion, die noch ewig hätte weitergeführt werden können – was auch die Fragen aus dem Publikum verdeutlichten. Trotz besten Wetters waren rund 450 Gäste gekommen, um dem spannenden Thema zu lauschen, durch das erneut Sportmoderator Wolf-Dieter Poschmann führte.

15. "Beruf Sportlehrer/in Traumjob oder Alptraum?"

15. "Beruf Sportlehrer/in Traumjob oder Alptraum?"

Ein bisschen provozieren sollte der Titel des 15. Kölner Abends der Sportwissenschaft (KAdS) schon: „Beruf Sportlehrer/in – Traumjob oder Alptraum?". Am Ende waren sich die PodiumsteilnehmerInnen des Wissenschaftsabends aber in einem Punkt einig: Sportlehrer/in ist ein Traumjob, allerdings mit einigen Haken und Ösen und manchen kritischen Momenten. 

Wie jeder Wissenschaftsabend der Deutschen Sporthochschule Köln begann auch der 15. Kölner Abend der Sportwissenschaft am 6. November mit einem Impulsvortrag, welcher die Wissensgrundlage für die anschließende Podiumsdiskussion mit Sportmoderator Wolf-Dieter Poschmann darstellte. Ein großes Forschungsprojekt der Sporthochschule, das sich seit 2016 umfangreich und interdisziplinär mit schulsportbezogener Forschung und Lehrerbildung beschäftigt, heißt Schulsport2020. Einen Einblick in die Themenfelder des Forschungsprojekts und erste Ergebnisse gab Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Jens Kleinert dem Publikum: „Schulsport2020 nimmt gezielt die SportlehrerInnenausbildung in den Blick mit dem Ziel, diese systematisch und nachhaltig weiterzuentwickeln. Dabei geht es auch darum, die angehenden Lehrkräfte auf die späteren Berufsanforderungen vorzubereiten.“  

Seine Kollegin Helga Leineweber, Studiengangsleiterin für die Bachelor und Master im Lehramt, stellte derweil die Studierendenzahlen in den Lehramtsstudiengängen der Deutschen Sporthochschule Köln vor. Wie an anderen Universitäten sei es auch an der SpoHo auffällig, dass sich sehr wenige Studierende für das Grundschullehramt entscheiden. In den Augen von Jens Kleinert eine Fehlentwicklung, denn: „Die besten Sportlehrkräfte müssten eigentlich in die Klassen mit den jüngsten Kindern, denn hier werden ja die Grundlagen gelegt. Trotz guter Absichten des Ministeriums ist jedoch die Besoldungsgruppe in der Grundschule immer noch niedriger, was nicht ok ist."

Die Rolle des Realisten übernahm in der anschließenden Gesprächsrunde Michael Fahlenbock, Präsident des Deutschen Sportlehrerverbands (DSLV). Man gut gemeintem Argument verpasste er aufgrund seiner Erfahrungen aus der Praxis den „Realitätsschock“. So zum Beispiel als Ministerialdirigentin Susanne Blasberg-Bense vom NRW-Ministerium für Schule und Bildung sagte: „Sport hat eine zentrale Aufgabe in der SchülerInnenbildung. Sport ist das einzige Fach, das über die gesamte Schulzeit durchgängig in einer hohen Stundenanzahl unterrichtet wird.“ Fahlenbock daraufhin: „Das ist die Traumvorstellung! In der Realität klafft die Schere zwischen Schulen mit einem Sportangebot auf Top-Niveau und Schulen mit einer mangelnden Wertschätzung des Faches Sport und desaströser Ausstattung weit auseinander.“

Mit dem Begriff Wertschätzung fiel ein für den Verlauf des Abends sehr wichtiges Wort, denn hierzu hatten alle PodiumsteilnehmerInnen eine einhellige Meinung. Sportlehrerin Sabine Sprünken betonte: „Für mich ist es das Wichtigste, dass der Beruf SportlehrerIn Wertschätzung erfährt. Wertschätzung von KollegInnen, von Kindern und Eltern und vor allem von der Gesellschaft.“ Fahlenbock bekräftigte, dass SportlehrerInnen dafür aber auch selbst kämpfen müssten: „Sportlehrkräfte müssen selbst dafür sorgen, dass ihr Fach Anerkennung erfährt. Wir müssen LehrerInnen dazu animieren, Sport durch einen guten Unterricht unverzichtbar zu machen.“

Diskutiert wurde auf dem Podium dann noch über viele weitere Schulthemen wie Inklusion, Quereinsteiger, Qualifizierungsmaßnahmen, Stress und Investitionsstau. Und auch beim Get-together mit Fassbrause und Kartoffelsuppe zeigte sich noch reger Gesprächsbedarf bei allen Anwesenden. Mit dem Thema Schulsport hat eben jeder/jede ein Thema. 

Hier geht's zum Film des 15. Kölner Abends der Sportwissenschaft. 

14. "Globale Kommerzialisierung vs. lokale Fankultur"

14. "Globale Kommerzialisierung vs. lokale Fankultur"

Die kommerziellen Auswüchse des Fußballgeschäfts zählen zu den brennendsten Themen des gegenwärtigen Sportdiskurses. Beim 14. Kölner Abend der Sportwissenschaft wurde nun auch an der Deutschen Sporthochschule über den Einstieg von Investoren, die globale Unternehmensstrategie vieler Großclubs und die Folgen für die lokal gewachsene Fußballtradition diskutiert.   

Für viele Fußballanhänger müssen die Worte, die Univ.-Prof. Dr. Sebastian Uhrich gegen Ende des 14. Abends der Kölner Sportwissenschaft fand, ziemlich schmerzlich klingen. „Ich glaube, dass die globale Kommerzialisierung den Fußball längst für sich gewonnen hat“, sagte der Forscher vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement, „die Frage ist nur, welche Rolle die Fankultur da noch spielen kann“. Wenn das stimmt, ist der Kampf, den viele Kurven gegen den wachsenden Einfluss finanzieller Interessen führen, längst verloren. Oder lässt sich diese Entwicklung doch noch bremsen? „Globale Kommerzialisierung vs. lokale Fankultur – wer gewinnt den Fußball für sich?“, lautete der Titel der Veranstaltung im gut gefüllten Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule Köln.

Zur Einführung hatte Uhrich einen Impulsvortrag über das Bestreben der Bundesligisten gehalten, neue Anhänger auf dem ganzen Erdball an den eigenen Klub zu binden. In einer Studie wurde danach gefragt, wie die Meinungen deutscher Traditionsfans zu diesen neuen Mitgliedern ihrer Gemeinde aussehen. Zu Leuten, die allenfalls mal im Rahmen einer Urlaubsreise ins Stadion gehen können, deren Familien nicht schon seit Generationen an einem bestimmten Klub hängen, die aber interessante Kunden für die durchkommerzialisierten Fußballunternehmen sind. Wenn diese meist aus Asien oder Amerika stammenden Anhänger eine „erfolgsunabhängige Treue“ und eine starke „emotionale Anbindung“ entwickeln, stoßen sie bei den Traditionsfans auf eine hohe Anerkennung, lautet die zentrale Erkenntnis der Untersuchung. Wobei die aktive Fanszene aus den Kurven hier noch etwas strengere Maßstäbe anlegt als der durchschnittliche Fußballfreund.

In der anschließenden Diskussion, die vom ZDF-Journalisten Wolf-Dieter Poschmann moderiert wurde, debattierte Uhrich dann mit Fortuna Düsseldorfs Vorstandsvorsitzendem Robert Schäfer, mit Christoph Ruf, einem Autor diverser Werke über die Fankultur und die Kommerzialisierung und mit Jan-Henrik Gruszecki, einem aktiven Fan von Borussia Dortmund. Es wurde eine spannende Reise durch ein komplexes Themenfeld: Soll Investoren die Übernahme von Bundesligaklubs erleichtert werden? Sind ein paar Montagspiele ein plausibler Grund für wütende Proteste? Repräsentiert die Ultraszene mit ihrer Neigung, Regeln oder gar Gesetze zu brechen wirklich die Interessen der Fanmehrheit? Und welche Rolle spielt eigentlich Tradition?

Daraus ergab sich eine informative und in vielen Momenten auch sehr unterhaltsame Kontroverse, die unerfreuliche Entwicklungen und Zustände sichtbar machte, die aber bei allen Ansätzen zur Kritik auch zu einer beruhigenden Erkenntnis führte: Obwohl die Medien bisweilen ein anderes Bild zeichnen, kann Deutschland mit seinen Stehtribünen, seinen vollen Stadien und der großen Hingabe vieler Fans eigentlich froh sein über seine Fußballkultur. Bei allen Problemen gelinge es kaum einem anderen Land ähnlich gut, „eine Kommerzialisierung mit Augenmaß“ zu betreiben, sagte der Düsseldorfer Vorstandschef Schäfer und forderte: „Wir müssen den Fußball gestalten.“ Und zwar unter Berücksichtigung aller relevanten Interessen.

Video zum 14. Kölner Abend der Sportwissenschaft ... 

13. "DENKSPORT – Aktiv gegen das Vergessen!"

13. "DENKSPORT – Aktiv gegen das Vergessen!"

Der Thementag „Sport und Demenz“ und der anschließende 13. Kölner Abend der Sportwissenschaft zeichneten ein facettenreiches Bild von den Zusammenhängen zwischen sportlicher Aktivität und der Entwicklung kognitiver Einschränkungen im Alter.

Mit einer ziemlich überraschenden Feststellung eröffnete Professor Dr. Stefan Schneider den Thementag „Sport und Demenz“ an der Deutschen Sporthochschule in Köln. „Die Demenzerkrankungen nehmen ab“, verkündete der Wissenschaftler vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft, wobei er zugleich erläuterte, wie diese These zu verstehen ist: Die absolute Zahl der Betroffenen steige natürlich schon, weil es einfach immer mehr alte Menschen gibt. Wenn man aber die gestiegene Lebenserwartung abzieht, erkranken immer weniger Leute – das macht Hoffnung. Relevant für die Gesellschaft sind allerdings die absoluten Zahlen, und so werden kognitive Erkrankungen zu einem immer größeren Problem für die alternde Gesellschaft. Entsprechend gut besucht war der 13. Kölner Abend der Sportwissenschaft, der den abschließenden Höhepunkt des Thementages darstellte.

Bei der wie immer von Wolf-Dieter Poschmann moderierten Diskussion ging es nicht ganz so kontrovers zu wie sonst, aber die Zuhörer im fast komplett gefüllten Hörsaal 1 erhielten tiefe Einblicke in ein sensibles Thema und wurden trotzdem bestens unterhalten. Hildegard und Sabine Lattek, die Ehefrau und die Tochter des erfolgreichsten deutschen Fußballtrainers aller Zeiten Udo Lattek, erzählten vom Alltag mit dem in seinen letzten Jahren schwer dementen Mann. Der ehemalige Vizekanzler Franz Müntefering war in seiner Rolle als Vorsitzender der  Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) gekommen, und aus Sicht der medizinischen Praxis näherte sich Univ.-Prof. Dr. Frank Jessen von der Kölner Uniklinik dem Thema. Vom Institut für Bewegungs- und Sportgerontologie war außerdem Dr. Tim Fleiner dabei, und Stefan Schneider präsentierte ein erstes zentrales Ergebnis der groß angelegten DENKSPORT-Studie: „Regelmäßiges körperliches Training kann die Progredienz einer leichten kognitiven Beeinträchtigung aufhalten.“

Schon am Mittag hatte Dr. Maike Tscheuschler vom Zentrum für Gedächtnisstörungen der Universitätskliniken Köln einen Überblick über die aktuelle Forschung zur Wirkung von Sport auf kognitive Fähigkeiten im Alter gegeben. Anschließend wurden bewegende Kurzfilme von Betroffenen gezeigt, die in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner StoryAtelier gGmbH entstanden sind, bevor Vertreter/innen aus Sportvereinen, Verbänden, Reha-Kliniken, Beratungsstellen, aber auch Familienangehörige und Übungsleiter/innen in unterschiedlichen Workshops über Hürden, Probleme und Lösungsansätze in ihrem Arbeitsalltag diskutierten.

Hier geht's zum Film über den 13. Kölner Abend der Sportwissenschaft.

12. "Der Traum von Medaillen - Welchen Spitzensport wünscht sich...


12. "Der Traum von Medaillen - Welchen Spitzensport wünscht sich Deutschland?" 

Im Zentrum des 12. Kölner Abends der Sportwissenschaft stand ein Thema, dass derzeit zwar nicht im grellen Licht der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird, das jedoch die deutsche Sportlandschaft bewegt: Verbände, Vereine, Athletinnen und Athleten fragen sich, wie sich die Sportnation durch die geplante Spitzensportreform verändern wird.

Es gibt viel Skepsis, große Debatten und offene Fragen, die Moderator Wolf-Dieter Poschmann mit einer prominenten Runde im Hörsaal 1 diskutierte: Univ.-Prof. Dr. Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement, Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), 400m-Läuferin Lara Hoffmann und Bernhard Schwank, Abteilungsleiter Sport beim Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.

Zum Hauptziel der Reform hat Bundesinnenminister Thomas De Maizière eine verstärkte Präsenz in der Phalanx der Weltklasse erklärt: „Nach der Tradition der beiden deutschen Staaten und nach unserer Wirtschaftskraft, mit der wir den Spitzensport fördern“, sollte Deutschland in Zukunft „mindestens ein Drittel mehr Medaillen gewinnen“, findet de Maizière.

Sportlerinnen wie Hoffmann fürchten sich seither vor einer ungewissen Zukunft und vor einer allzu starken Fokussierung auf die allerbesten AthletInnen. Poschmann merkte an, dass dieser Ansatz die Sportler und Sportlerinnen unter Druck setze und möglicherweise zur Einnahme verbotener Substanzen motiviere, Schimmelpfennig verteidigte die Reform und Professor Breuer kritisierte, dass es keine breite Debatte zu der Frage gebe, welchen Sport sich diese Gesellschaft eigentlich wünscht: „Ohne klare Argumentation ist für mich nicht ersichtlich, warum der Staat jedes Jahr eine Viertelmilliarde Euro in den Spitzensport investieren soll“, sagte der Wissenschaftler vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement.

Hier geht's zum Film des 12. Kölner Abends der Sportwissenschaft.

11. "Der Arbeitsplatz der Zukunft - Bewegtes Arbeiten statt riskanten...

11. "Der Arbeitsplatz der Zukunft - Bewegtes Arbeiten statt riskanten Sitzens"

"Die Arbeitswelt scheint den Menschen als wertvolles Kapital neu zu entdecken, und das ist auch gut so“, beschrieb der Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde und Förderer, Michael Maier, die große Relevanz des Themas vom 11. Kölner Abend der Sportwissenschaft in seiner Begrüßungsansprache. Beim „wahren rheinischen Jubiläum“ stand die Frage nach dem Arbeitsplatz der Zukunft im Mittelpunkt. Wie könnte dieser aussehen und warum ist es überhaupt so wichtig, dass sich etwas ändert? Vor rund 500 Interessierten diskutierten Expertinnen und Experten mit Moderator Wolf-Dieter Poschmann.

Dieser zeigte direkt zu Beginn anhand einiger Redewendungen, dass das Sitzen mehrfach negativ belegt ist. „Wenn man eine Klasse nicht schafft, bleibt man sitzen. Wenn man zu viel Kölsch getrunken hat, hat man einen sitzen. Oder wer im Gefängnis ist, sitzt ein“, zählte er auf.
Dass Sitzen nachgewiesen negative Auswirkungen hat, beschrieb Prof. Dr. Ingo Froböse (Leiter Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation) zu Beginn in seinem Impulsvortrag. Schon eine 60 Jahre alte Untersuchung, die er als „Mutter aller Studien“ bezeichnete, zeigte die Folgen von kleinen motorischen Aktivitäten: Schaffner haben eine 1,5% niedrigere Sterblichkeit als Busfahrer. „Die tägliche Bewegung mit den motorischen Reizen löst positive Stoffwechselvorgänge im Körper aus“, erklärte Froböse. „Es lohnt sich also auch, kleine Schritte zu tätigen.“ In einem Alltag, in dem Sitzen zur Kultur gehöre, wurde das davon ausgehende Risiko lange Zeit unterschätzt und habe nie eine große Bedeutung erfahren, so Froböse weiter. Denn immer stand Bewegungsmangel allgemein im Vordergrund. Die Annahme, dass 150 Minuten Bewegung pro Woche ausreichten, um alle negativen Folgen der Inaktivität zu kompensieren, habe sich lange gehalten, sei aber falsch. „Während der Zeit der Inaktivität passieren so viele negative Prozesse im Körper: Sport nach der Arbeit alleine reicht nicht aus, um Menschen gesund, fit und leistungsfähig zu erhalten.“

Jede Bewegung sei aus dem Büroalltag verschwunden, monierte er. Papierkorb, Akten – alles sei in Reichweite, man schreibe Mails anstatt zu den Kollegen zu gehen und könne mit dem Schreibtischstuhl herumrollen. „Wir müssen Bewegung wieder zu den Menschen bringen, indem wir Räume für Bewegung schaffen – und das ohne den Arbeitsprozess zu stören“, sagte Froböse. Dabei müssten die Menschen subtil zu Bewegung animiert werden, ohne dass es zu einer Last werde. Aber nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch die Freizeit und die Transportzeiten geben viel Raum für Verbesserungen, wie die Studie zeigte.

Auch Prof. Dr. Rolf Ellegast, stellvertretender Leiter des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, beschrieb das Sitzen als Synonym für die Inaktivität des Alltags: „Nicht nur der Einzug der Computer hat die Belastung minimiert. Alles ist sehr statisch, sodass keine positiven Anpassungsprozesse mehr stattfinden.“
Bis zu einem gewissen Grade könne man zwar Bewegung in den Alltag bringen, so zum Beispiel die Treppe statt den Fahrstuhl nehmen oder zum Kollegen gehen anstatt Mails zu schreiben – bei vielen Arbeiten aber benötige man den PC. „Daher stellt sich die Frage, wie man sich auch während der Arbeit am PC bewegen kann“, sagte Ellegast.

Immer wieder gab es unterschiedliche Ansätze. Von kleineren Motoren in den Sitzflächen der Stühle über Gymnastikbälle und Steh-Arbeitsplätze bis hin zu Laufbädern – etabliert hat sich letztendlich kein Modell. Mit einer großen Firma hat Ellegast drei dynamische Arbeitsstationen unter anderem auf Kosten, Wirksamkeit und Integrierbarkeit bei der Arbeit getestet. Entgegen der Wahrnehmung der ProbandInnen, dass ihre Leistungsfähigkeit gegenüber einem Standardarbeitsplatz abnahm, ließ sich dies objektiv nicht belegen. Ausnahmen waren lediglich präzise Bewegungen mit der Maus oder Aufgaben unter Zeitdruck. Insgesamt sei es aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen wichtig, ein Paket an Bewegungsmöglichkeiten zu schaffen, in denen sich jeder wiederfinde, so Ellegast.

Prof. Dr. Jens Kleinert (Leiter des Psychologischen Instituts) verdeutlichte noch einmal, dass die Akzeptanz der Geräte und die Motivation der Mitarbeiter die Grundlage für die langfristige Nutzung seien. „Nur die Tatsache, dass jemand einem erzählt, was gut für einen ist, führt offensichtlich nicht zu Verhaltensänderungen. In der Praxis funktioniert dieser rationale Zugang häufig nicht“, sagte er. Vielmehr überzeuge das Gefühl, dass etwas wirke und sinnvoll sei, mühsame und anstrengende Dinge zu tun. „Wir machen Dinge, die für uns ein Erlebnis und deren positive Effekte sofort erlebbar sind“, zeigte Kleinert auf. Dies war bei den ProbandInnen der durchgeführten Studie zum dynamischen Arbeitsplatz der Fall. Die, die häufig trainierten, zeigten einen Gewinn an Wohlbefinden insgesamt – nicht nur bei der Arbeit oder während sie sich bewegten.
Druckmittel wie ein schlechtes Gewissen, Belohnung oder Gruppenzwang motivierten, laut Kleinert, nur kurzfristig. So gab es schon viele Ideen für mehr Bewegung am Arbeitsplatz, die aufgrund mangelnder Akzeptanz schnell wieder aus dem Arbeitssetting verschwunden sind.

Die Geschäftsführerin des Instituts für Betriebliche Gesundheitsförderung, Julia Schröder, plädierte dafür, kleine kreative Anreize zu schaffen, mit denen man die ArbeitnehmerInnen unterschwellig zu mehr Bewegung anrege. Als Beispiel nannte sie eine telefonfreie Stunde, in der man mit den Kollegen direkt kommuniziere. Dies sei auch sehr förderlich für das Teamklima.
„Bei der Begleitung von Pilotprojekten mit kleinen Challenges, beispielsweise mit Schrittzählern, haben wir ebenfalls festgestellt, dass die Stimmung im Team steigt und das soziale Erleben gefördert wird; es finden wieder Interaktionen untereinander statt“, beschrieb Schröder.
Sie wies dabei auf die Vorbildfunktion der Führungskräfte hin, die sie selbst oft unterschätzten. Gesundheitsbewusstes Bewegungsverhalten werde von den ArbeitnehmerInnen wahrgenommen und könne nur über authentische Vorgesetzte in der Unternehmenskultur verankert werden.

Wie der Arbeitsplatz der Zukunft tatsächlich aussehen könnte, darauf wollten sich die Experten nicht festlegen. Einigkeit bestand aber, dass nicht nur das Equipment alleine im Fokus steht, sondern ebenso die (Bewegungs-)Kultur in den Unternehmen. Teamgeist und Miteinander bezeichnete Kleinert als eine Schlüsselkomponente auf dem Weg zu einer bewegten Atmosphäre.
Ellegast plädierte dafür, das Thema Bewegung schon frühzeitig in die technologischen Entwicklungen zu integrieren, denn Menschen dürften zukünftig nicht statisch und eingeengt vor einer Maschine sitzen.
Interaktiver, mobiler und agiler sollte der Arbeitsplatz der Zukunft auch Schröders Vorstellungen nach aussehen. ArbeitnehmerInnen würden in Zukunft mehr von ihrem Arbeitgeber erwarten als die monatlichen Gehaltszahlungen.
Froböse hoffte, dass die Pausen zwischen den teilweise stressigen Arbeitsphasen zukünftig wieder einen größeren Wert erfahren und man diese bewusst wahrnehme, denn „Bewegung ist ein Lebensmittel für alle“. 

Hier geht's zum Video über den 11. Kölner Abend der Sportwissenschaft. 

10. "Korruption im Sport – liegt der Fehler im (Verbands-)System?"

10. "Korruption im Sport – liegt der Fehler im (Verbands-)System?"

In London trafen sich gestern Regierungsvertreter aus aller Welt zum Anti-Korruptionsgipfel. Zum selben Zeitpunkt wurde auch an der Deutschen Sporthochschule Köln über Korruption heiß diskutiert. Perfektes Timing beim 10. Kölner Abend der Sportwissenschaft mit dem Titel „Korruption im Sport – liegt der Fehler im (Verbands-)System?“

Nationale und internationale Sportverbände sind in den letzten Monaten in Medien und Öffentlichkeit stark in die Kritik geraten: undurchsichtige Vergabeentscheidungen für sportliche Großevents wie Fußball-Weltmeisterschaften, Schmiergeldaffären, Steuerhinterziehungen, Ermittlungen gegen Verbandsbosse bis hin zu Festnahmen hochrangiger Sportfunktionäre. Die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit ist groß. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Strukturen und möglichen Gründen von Korruption im Sport erfolgt mehr und mehr, auch an der Deutschen Sporthochschule Köln. Um hierüber auf einem gemeinsamen Podium zu diskutieren, trafen sich am gestrigen Abend Volker Schürmann, Jürgen Mittag, Sylvia Schenk und Thomas Weikert mit Moderator Wolf-Dieter Poschmann.

Zunächst führten die beiden wissenschaftichen Vorträge von Univ.-Prof. Dr. Volker Schürmann und Univ.-Prof. Dr. Jürgen Mittag aus unterschiedlichen Perspektiven in das Thema Korruption ein. Während Schürmann, Leiter des Instituts für Pädagogik und Philosophie, eher einen philosophischen Blick auf die Thematik warf, näherte sich Mittag, Leiter des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung, mit einer politikwissenschaftlichen Herangehensweise und legte dabei einen speziellen Fokus auf den prominenten Korruptionsfall FIFA.

Volker Schürmann stellte die Frage in den Raum, ob das System Sport besonders anfällig für Korruptionsaktivitäten sei, ob Korruption in der Logik des Sports liege. Er stellte die These auf, dass es sich bei konkreten Korruptionsfällen weniger um Verfehlungen einzelner Individuen, sogenannter schwarzer Schafe, handele, sondern vielmehr um systemische Probleme. „Erfolg ist das Klima, in dem Korruption wächst“, sagte Schürmann und rief dazu auf,  eine Debatte über die Frage zu führen, welchen Sport wir eigentlich miteinander wollen. Diese Debatte werde derzeit nicht geführt, so Schürmann.

Am Beispiel des Fußballweltverbandes FIFA zeigte Jürgen Mittag auf, warum sich Korruption im Sportverbandssystem verbreiten kann. „Bestimmte Strukturen begünstigen die Entwicklung, zum Beispiel die fehlenden Kontrollinstanzen in den Verbänden“, nannte Mittag einen Aspekt. Die oftmals lange Machtdauer führender Funktionäre und die zentrale Bedeutung der Exekutive in internationalen Sportorganisationen würden Korruption zumindest erleichtern.

Konkrete Einblicke in die Praxis konnten bei der anschließenden Diskussionsrunde auch Sylvia Schenk (Leiterin der Arbeitsgruppe Sport Transparency International Deutschland e.V.) und Thomas Weikert (Präsident des Tischtennis-Weltverbandes ITTF) beisteuern. Schenk, die u.a. im Radsport-Weltverband UCI und im Bund Deutscher Radfahrer tätig war, wies darauf hin, dass die „Kultur“ in einem Verband entscheidend dafür sei, ob sich Korruption ausbreiten könne. „Selbsterkenntnis und das Eingestehen, dass wirklich etwas gründlich schief gelaufen ist, ist der erste Schritt zu Reformen und Korruptionsbekämpfung“, sagte sie. Mittag sah hingegen die „Selbstheilungskräfte“ in einem Verband als eher begrenzt an und betonte, dass die Impulse, Korruption aufzudecken und zu bekämpfen, von außen kommen müssten. Die vielschichtige Diskussion machte einmal mehr deutlich, wie komplex das Thema ist und dass es noch einer Menge Forschung und Information bedarf. Zum Abschluss der Diskussion rief Thomas Weikert allen Anwesenden ins Gedächtnis, dass nicht alles schlecht sei im Sportverbandssystem, vor allem nicht an der Basis, wo sich viele Ehrenamtliche einsetzen würden.

Neben der Tatsache, dass Wolf-Dieter Poschmann bereits zum zehnten Mal den Kölner Abend der Sportwissenschaft moderierte, durfte sich der ZDF-Mann noch über eine ganz persönliche Auszeichnung freuen: Für seine Verdienste rund um die Sportwissenschaft im Allgemeinen und die Deutsche Sporthochschule im Speziellen erhielt er die Bronzene Medaille der Deutschen Sporthochschule Köln. Poschmann hatte die Veranstaltungsreihe, die für die Hochschule eine sehr wichtige Form des Wissenstransfers darstellt, 2012 selbst mit ins Leben gerufen. Die Deutsche Sporthochschule gratuliert Wolf-Dieter Poschmann herzlich zu dieser Ehrung!  


13.05.2016 - Julia Neuburg 

9. "Mitleid war gestern?! Faszination des Sports von Menschen mit...

9. "Mitleid war gestern?! Faszination des Sports von Menschen mit Behinderungen“

Beim 9. Kölner Abend der Sportwissenschaft mit dem Titel „Mitleid war gestern?! Faszination des Sports von Menschen mit Behinderungen“ diskutierten prominente Gäste an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Wenn ein behinderter Leichtathlet bei den Deutschen Meisterschaften der Nichtbehinderten gewinnt und mit der Begründung, dass seine Beinprothese einen unerlaubten Vorteil darstellt, nicht zur EM zugelassen wird, dann schafft das Diskussionsstoff. Um diese und viele weitere Entwicklungen im Sport von Menschen mit Behinderungen zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen, lud die Deutsche Sporthochschule Köln zum 9. Kölner Abend der Sportwissenschaft unter dem Titel „Mitleid war gestern?! Faszination des Sports von Menschen mit Behinderungen“ ein.

Als Podiumsgäste nahmen neben Markus Rehm, dem Deutschen Meister im Weitsprung von 2014 und Goldmedaillengewinner bei den Paralympics in London 2012, auch seine Trainerin Steffi Nerius, Weltmeisterin im Speerwurf 2009, und Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, teil. Prof. Dr. Thomas Abel, der Inhaber der Professur „Paralympischer Sport“, Dr. Volker Anneken, Leiter des Forschungsinstituts für Inklusion durch Bewegung und Sport und Vertreter der Gold-Kraemer-Stiftung, Gregor Doepke, Leiter der Kommunikation der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sowie die Sportjournalismus-Studentin der Deutschen Sporthochschule Köln Monika Dziuba vervollständigten die Runde, die von Wolf-Dieter Poschmann moderiert wurde.

Nach einem emotionalen Einstieg mit dem Song „Ming Wääch“ der Band Domstürmer, in dessen Musikvideo Sportler mit Behinderung, von denen einige auch im Publikum saßen, die Hauptrolle spielen, eröffnete der Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln, Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder, den Abend.

Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, verdeutlichte in seinem Grußwort die herausragende Position der Sporthochschule im Bereich des Behindertensports. Gerade Sport sei die ideale Form, die enormen Leistungspotentiale behinderter Menschen kennenzulernen und wertzuschätzen.

Das Kennenlernen des Sports von Menschen mit Behinderung spielte auch in der anschließenden Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Thomas Abel eine zentrale Rolle. Er ging dabei explizit auf seine ersten Berührungspunkte mit diesem Bereich, nämlich das Kennenlernen von Rollstuhl-Rugby, ein.  „Begegnung schafft Haltung“, resümierte Abel und zeigte in seinem Vortrag die Chancen und Herausforderungen im Feld „Paralympischer Sport“ auf.

Angeregt durch den Input der drei Vorredner kam es auf dem Podium zu einem interessanten Austausch. Dabei profitierte die Talk-Runde von der geballten Kompetenz, die sich auf der Bühne von Hörsaal 1 eingefunden hatte: Wissenschaftler, Versicherungsvertreter, Spitzensportler, Trainerin und Studentin – jede Erfahrungsperspektive war vertreten.

Während Monika Dziuba anschaulich aus ihrem Studienalltag als Studentin an der Sporthochschule und ihren Erfahrungen in den Praxiskursen berichtete, verdeutlichte der Vertreter der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung den enormen Stellenwert des Sports für die Wiedereingliederung von Verunfallten in die Gesellschaft. Seine Arbeit stellte er dabei in Bezug zum Thema Mitleid. „Unser Auftrag ist es nicht, Mitleid zu haben, sondern Leute so gut aufzubauen, dass sie wieder am Leben teilhaben können. Der Leistungssport biete dabei eine wahnsinnig gute Motivation“, so Gregor Doepke.

Als Vertreter des Leistungssports nahm Markus Rehm Stellung zu der gemeinsamen Teilnahme an Wettkämpfen von Behinderten und Nichtbehinderten und zeigte sich verständnisvoll dafür, dass er mit einer separaten Wertung an Deutschen Meisterschaften teilnehmen muss. Seine Trainerin Nerius verdeutlichte den Stellenwert einer gemeinsamen Teilnahme. Sie gab zu denken, dass Spitzenathleten wie Rehm durch einen gemeinsamen Wettkampf mit Nichtbehinderten, auch wenn getrennt gewertet wird, einen enormen Motivationsschub erhalten können. Auch der Inklusionsgedanke könne dadurch verwirklicht werden. Bentele merkte grundsätzlich an: „Bevor wir Olympische Spiele und Paralympics zusammenbringen, müssen wir erstmal gemeinsamen Sportunterricht wie an der Sporthochschule anbieten. Tut man dies nicht, ist man schnell weg von dem, was Inklusion eigentlich bedeutet.“ 

Als möglicher Grund für das Fehlen eines gemeinsamen Sportangebots wurde auch die zu geringe Kompetenz vieler Übungsleiter diskutiert, die sich häufig nicht zutrauten, mit Menschen mit Behinderungen zu arbeiten, weil ihnen das Wissen um den Umgang mit diesen fehle. Allerdings wurde auch festgehalten, dass gute Sportangebote immer auch gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet und ausprobiert werden müssten. Als Positivbeispiel bezeichnete Rehm dabei sein Verhältnis zu seiner Trainerin: „Das Schöne mit Steffi war, dass sie einfach gesagt hat, ich soll gewisse Übungen ausprobieren. Dass es dann nicht direkt geklappt hat, lag nicht daran, dass ich eine Prothese habe, sondern daran, dass ich mich einfach blöd angestellt hab.“ 

Als Fazit des Abends wurde festgehalten, dass die Faszination des Behindertensports durch fehlende Aufklärung noch nicht in großen Teilen der Gesellschaft verankert ist. Viele Menschen können sich Sport mit Behinderungen nicht vorstellen, weil sie noch nicht damit in Berührung gekommen sind. Institutionen wie die Deutschen Sporthochschule Köln haben in diesem Aufklärungsprozess eine Schlüsselfunktion. Durch aufklärenden Unterricht, wie er unter anderem durch Prof. Abel realisiert wird, kann das Wissen auf diesem Gebiet erweitert und können somit Vorurteile abgebaut werden. Auch Bentele bestätigte dies in einem abschließenden Statement: „Inklusion fängt im Kopf an. Die Lösung sind nicht Standards oder Regeln, sondern Visionen. Sport kann dabei in herausragender Weise über die Möglichkeiten und Ressourcen von Menschen mit Behinderung aufklären.“

Nach anregender Diskussion hatte das Publikum die Gelegenheit dazu, Fragen an die Experten zu stellen, bevor die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Deutschen Sporthochschule Köln zum lockeren Austausch im Foyer einlud. Hierbei konnten Podiumsgäste und Zuschauer bei Getränken und Snacks diskutieren und den Abend gemütlich ausklingen lassen. 

8. "Außer Kontrolle? Chancen und Grenzen der Dopingbekämpfung"

Der 8. Kölner Abend der Sportwissenschaft am 23. Februar war ein Besonderer: Erstmals in der Geschichte der Veranstaltungsreihe war der so genannte „KADS“ bereits im Vorfeld ausgebucht. Auch wenn die Grippewelle zahlreiche Teilnahmen verhinderte, fanden gut 450 Besucherinnen und Besucher den Weg in den Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule. Der Titel „Außer Kontrolle? Chancen und Grenzen der Dopingkontrolle“ ließ vielleicht nicht unbedingt die klare Vorstellung von Lösungen erwarten, dafür aber auf einen spannenden Meinungsaustausch hoffen.

„Beim Thema Doping gibt es häufig eine schwarze oder weiße Sichtweise. Heute Abend wollen wir uns aber an Fakten und Wissen halten“, eröffnete Moderator Wolf-Dieter Poschmann das Event. Anschließend führte Univ.-Prof. Dr. Mario Thevis, der Leiter des Zentrums für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln, mit seinem Impulsvortrag in die Thematik und seine Arbeit ein. Es folgte ein kurzer Einblick in das rechtliche System und die Probleme der staatlichen Dopingbekämpfung vom Leiter des Instituts für Sportrecht, Univ.-Prof. Dr. Martin Nolte. Auf Grundlage dieser beiden Ausführungen folgte die Podiumsdiskussion. Hierfür wurden neben Poschmann sowie den hausinternen Experten Thevis und Nolte namhafte Persönlichkeiten eingeladen: Dr. Michael Vesper (Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes), Stefan Althoff (Leiter Konzernsponsoring, Deutsche Telekom AG) und der Olympiasieger im Beachvolleyball, Jonas Reckermann.

In der munteren Gesprächsrunde ging es primär um die Hintergründe, Inhalte sowie Vor- und Nachteile des zuletzt viel diskutierten Anti-Doping-Gesetzes (AntiDopG). An dessen Text haben drei Ministerien bis Anfang September vergangenen Jahres gearbeitet, deren Begründung im November vergangenen Jahres nachgereicht wurde. Der Zweck des Gesetzes liegt auf der Hand. Es soll den „sauberen“ Sport fördern. „Anlass zum Diskussionsbedarf gibt dabei insbesondere die projektierte Bestrafung des Selbstdopings. Denn wird jemand wegen Selbstdopings verdächtigt, hat er die verfassungsrechtliche Garantie, sich nicht selbst belasten zu müssen“, erklärte Nolte und führte fort: „Dies dürfte aber in der Konsequenz darauf hinauslaufen, auch eine Probennahme verweigern zu dürfen. Verweigert der Athlet aber die Probennahme unter Ausübung seines Mitwirkungsverweigerungsrechts (weil er befürchten muss, sich damit selbst zu belasteten), so müsste er nach sportverbandlichen Regeln sanktioniert werden. Denn die Verweigerung einer Probennahme ist ein Dopingvergehen. Dieses Dilemma für den Athleten sei kaum auflösbar“, so Nolte.  Ähnlich kritisch äußerte sich auch der DOSB-Generaldirektor Vesper: „Prinzipiell sind wir für ein solches Gesetz. Allerdings befürchten wir dabei einen Konflikt mit der staatlichen Rechtsprechung und müssen aufpassen, dass wir das sportrechtliche System am Ende nicht delegitimieren.“ Auch Reckermann, der Anfang 2013 seine Karriere beendet hatte, begrüßte dessen Erlass: „Viele der Athleten haben schon die Hoffnung, dass es durch ein Anti-Doping-Gesetz zu mehr Abschreckung kommt. Auch weil die Strafen deutlich härter sind.“

Neben den höheren Restriktionen tauschten sich die Podiumsgäste auch über die Pluspunkte und Nachteile des derzeitigen Kontrollsystems aus. „Besonders diverse legitimierte Informationsübertragungen kämen uns durch das neue Gesetz zu Gute, weil wir damit unsere analytischen Strategien besser aufstellen könnten. Allerdings darf dieses insgesamt die Stärken unseres derzeitigen Testsystems nicht mindern“, sagte Thevis, der einräumte, dass das aktuelle Kontrollsystem auch Lücken offenbare. Dem stimmte der ehemalige Beachvolleyballer zu: „Das aktuelle Kontrollsystem ist für die Athleten schon ziemlich belastend, weil man aufgrund der genauen Angabe seines Tagesablaufes im Vorfeld einfach sehr unflexibel oder eingeschränkt ist. Und obwohl man zu Kontrollzwecken im höchsten Testpool spezielle Zeiten angeben muss, wo man sich wann aufhält, bin ich mir sicher, dass man trotzdem betrügen kann, wenn man das will. Ich finde nicht, dass das derzeitige System effektiv ist.“ Reckermann äußerte zusätzlich seinen Unmut darüber, dass der NADA oftmals das nötige Geld für (weitere) Dopingkontrollen fehle, obwohl dem Thema Doping seitens der Offiziellen, Sponsoren und Medien so viel Aufmerksamkeit zukomme. „Ich glaube auch, die meisten Sportlern würden die ganzen Unannehmlichkeiten durch Meldepflichten, Kontrollen in Kauf nehmen, solange dadurch ein sauberer Sport gewährleistet wäre“, meinte der fünffache Deutsche Meister und merkte zum Wohlgefallen des Publikums kritisch an: „Aber wenn man Doping bekämpfen will, sollte man beispielsweise auch die Bewertung des Medaillenspiegels überdenken.“

Im weiteren Gesprächsverlauf war sich die Expertenrunde einig, dass man Doping zwar nicht verhindern, insbesondere durch ein gezieltes Präventivprogramm aber zumindest einschränken kann. „Die Sponsoren sollten mehr für eine Dopingbekämpfung unternehmen. Im Zuge der Radsportgeschichte hat die Deutsche TelekomAG diesbezüglich auch sehr viel Geld investiert. Schließlich nutzen wir den Sport für kommunikative Zwecke, sodass zunächst einmal der Sport an sich gefordert ist“, erläuterte Althoff aus Sicht eines Unternehmens.

 

Nach gut siebzig Minuten hatte das Publikum dann die Gelegenheit, gezielte Fragen an die Expertenrunde zu stellen, ehe der Abend mit einem gemütlichen Beisammensein im Foyer seinen Ausklang fand.  

Hier finden Sie das Video zum 8. Kölner Abend der Sportwissenschaft

7. "Hauptsache Nebensache - Wie viel Sport steckt noch im...

Der 7. Kölner Abend der Sportwissenschaft stand ganz im Zeichen der Sportberichterstattung. Unter dem Titel „Hauptsache Nebensache - Wieviel Sport steckt noch im Sportjournalismus?” debattierten am 14. Mai prominente Gäste an der Deutschen Sporthochschule Köln. 

Zum 30-jährigem Jubiläum des Instituts für und Kommunikations- und Medienforschung nahmen bekannte Gesichter auf den schwarzen Sofas Platz: Neben Moderator Wolf-Dieter Poschmann hatten sich die Sportmoderatorin Valeska Homburg, der ehemalige DFB-Pressesprecher Harald Stenger, die ehemalige Nationaltorhüterin Silke Rottenberg und Institutsleiter Univ.-Prof. Dr. Thomas Schierl eingefunden, um sich über die Schattenseiten der Berichterstattung im deutschen Sport auszutauschen. Als Gäste richteten der Vorstand der Gesellschaft der Freunde und Förderer (GFF), Michael Maier, und der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen Grußworte an die gut 400 Hörsaal-Besucherinnen und -Besucher.

In seinem Impulsvortrag machte Thomas Schierl (am Beispiel Doping) deutlich, dass die Sportberichterstattung in den deutschen Medien deutlich kritischer sei, als im internationalen Vergleich. Dennoch sei der Zeitpunkt dieser Reportagen entscheidend; schließlich diene der Konsum von Sportereignissen vorrangig zum Zwecke der Unterhaltung. Dass die Sportjournalistinnen und -journalisten dennoch kritisch mit dem Sport – in seiner kulturellen, gesellschaftlichen, politischen Rolle – umgehen sollten, darüber waren sich auch in der anschließenden Diskussion alle Podiumsgäste einig. „Die Kunst ist es, eine optimale Balance zwischen Kritik und Unterhaltung zu finden. Das können nur wenige”, so Schierl.

Aus seiner Zeit als DFB-Pressesprecher berichtete Stenger, dass er kritischen Journalismus, im Umgang mit Fußball-Nationalspielern, stets begrüßt habe. Dies habe sich bis heute nicht geändert. Es sei schließlich die Aufgabe der Medienvertreter, nicht nur über die schönen Dinge des Sports zu berichten, sondern auch Problemfelder aufzudecken: „Es ist der journalistische Auftrag, den Leuten nicht nach dem Mund zu reden”, meinte Stenger. Dies müsse allerdings stets in einem respekt- und würdevollen Umgang geschehen, waren sich alle Podiumsgäste einig. Leider sei dies heutzutage oft nicht mehr der Fall.

Unabhängig von dem Interesse der einzelnen Medienunternehmen, wünschte sich Homburg unterdessen mehr Nähe zu den Sportlern selbst – so wie es früher, z. B. Bei der Fußball-WM in Mexiko 1970 – möglich war. So könne mit Insiderwissen eine tiefergehende und dennoch gerechte Berichterstattung vorgenommen werden. Näher an die Aktiven heranzukommen, sei aufgrund der geringeren Aufmerksamkeit im Frauenfußball oder anderen Sportarten einfacher als im Männerfußball, erläuterte Rottenberg.

Zum Abschluss übte Stenger Kritik an der Ausrichtung vieler Pressestellen, die dem Marketing in den letzten Jahren immer mehr Bedeutung schenken würden: „Pressestellen von Verbänden und Vereinen haben in erster Linie die Aufgabe, eine Servicestelle für Journalisten zu sein. Das ist heute leider immer seltener der Fall – auch weil immer weniger Fachkräfte dort arbeiten.” 

Hier finden Sie das Video zum 7. Kölner Abend der Sportwissenschaft.

6. "Olympia braucht Platz – Stoßen wir an ökologische, ökonomische...

28. Januar 2014 - Die diesjährigen Olympischen Winterspiele in Sotschi haben im Vorfeld eine große Bandbreite an Diskussionen hervorgerufen. Einer der Streitpunkte: die zahlreichen notwendig gewordenen Baumaßnahmen im Zentrum des russischen Kurortes (Eishallen, Infrastruktur, etc.) sowie im etwa 30 Kilometer entfernten Skigebiet Krasnaja Poljana, in dem sämtliche alpine Wettbewerbe ausgetragen werden. Die Auswirkungen in und um Sotschi stehen jedoch nur beispielhaft für eine zunehmende Tendenz. Um ein derartiges Großsportevent zu realisieren, kommen die nationalen Veranstalter kaum noch ohne große Bauprojekte aus, da das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Ausrichtern spezielle Richtlinien der Dimensionierung (z. B. Zuschauerkapazitäten bei den einzelnen Wettkämpfen) vorschreibt. Olympia braucht also Platz. Mit dieser Thematik beschäftigte sich Anfang Februar der 6. Kölner Abend der Sportwissenschaft an der Deutschen Sporthochschule. Stoßen wir an ökologische, ökonomische und soziale Grenzen?

Neben dem Moderator Wolf-Dieter Poschmann waren die hauseigenen Experten Univ.-Prof. Dr. Ralph Roth (Leiter des Instituts für Natursport und Ökologie) und Univ.-Prof. Dr Christoph Breuer (Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement) sowie Stefan Klos (Geschäftsführer der Münchner Firma Proprojekt) zu einem Meinungsaustausch eingeladen. Alle drei waren sich einig, dass die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen bei der Ausrichtung von Olympischen Winterspielen mit den steigenden Anforderungen des IOCs zusammenhängen.  „Den jeweiligen Sportarten und Disziplinen soll ein optimales Umfeld geboten werden. Der Platzbedarf ist genau vorgeschrieben“, erklärte Roth die Umstände. Damit verbunden sei ein Anstieg der Kosten und Investitionen, welcher auf die entsprechenden Neubauten zurückzuführen ist. Des Weiteren ginge es dem IOC aus wirtschaftlicher Sicht immer deutlicher um die Erschließung Neuer Märkte, schilderte Breuer. Folglich entwickle sich der Trend immer weiter gegen die traditionellen (europäischen) Skinationen. Dadurch, dass die Ausrichter-Städte wie beispielsweise Sotschi oder das südkoreanische Pyeongchang (Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2018) kaum eine alpine Sporttradition besitzen, ist entsprechend auch nur ein geringes Ausmaß an vorhandenen Skisportanlagen verfügbar. So kommen die Veranstalter nicht um Neubauten herum, lautete der Tenor. Damit verbunden kam die Frage der Nachhaltigkeit auf, denn es sei kaum vorhersehbar, wie stark die (neuen) Bauwerke auch noch nach der Ausrichtung von Olympia genutzt werden würden. Alle Experten kamen allerdings ebenfalls überein, dass auch die gesamte Wirtschaft sehr stark von der Ausrichtung dieser Sportevents auf neuen Märkten profitiere. Als Beispiel wurden die insgesamt 50 Lifte für Sotschi genannt, die von drei Unternehmen aus Österreich importiert wurden.

Hier finden Sie das Video zu unserem 6. Kölner Abend der Sportwissenschaft. 

5. "Sotschi 2014 – Sport und Politik. Nichts hören, nichts sehen,...

18. November 2013 - Seit jeher nutzen Sportlerinnen und Sportler internationale Großereignisse als Bühne, um auf Menschenrechtsverletzungen oder politische Missstände hinzuweisen. Bekannt und berühmt geworden ist ein Foto, das bei einer Siegerehrung bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko entstand: Zwei afroamerikanische Sprinter recken ihre behandschuhten Fäuste in die Höhe – und demonstrieren damit gegen die Rassendiskriminierung in den USA. Ein neueres Beispiel: Bei der Leichtathletik-WM 2013 in Moskau fiel eine schwedische Hochspringerin auf, die sich ihre Fingernägel in den Regenbogenfarben lackiert hatte, welche ein Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung sind. Dieses Zusammenspiel von Sport und Politik war Thema beim 5. Kölner Abend der Sportwissenschaft. Aktueller Aufhänger: die bevorstehenden Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi (07.-23.02.2014). Daher lautete der Titel der von Wolf-Dieter Poschmann moderierten Veranstaltung: „Sotschi 2014 – Sport und Politik. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen?!“.

Während die eigentlichen Hauptdarsteller – nämlich die Sportlerinnen und Sportler – seit langer Zeit auf Sotschi 2014 fokussiert sind, beschäftigen sich Medien und Öffentlichkeit momentan verstärkt mit den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die in Russland herrschen. Anstoß zur Kritik gibt vor allem das „Gesetz gegen Propaganda von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“. Regelmäßig entbrennen im Vorfeld sportlicher Großevents hitzige Diskussionen über die Politik des Gastgeberlandes. Poschmann: „Doch diesmal ist es ein ganzer Strauß von Bedenken, der zwischenzeitlich sogar die Idee eines Boykotts ins Gespräch gebracht hat.“ Axel Hochrein, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes, betonte die deutliche Tendenz zur Homophobie in Russland. Seiner Meinung nach verstoße das Ausrichterland damit sowohl gegen die Menschenrechte als auch gegen das Regelwerk des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das Diskriminierung verbietet: „In Russland darf dagegen vollkommen ungestraft, Gewalt gegen Homosexuelle ausgeübt werden. Da ist es mir unverständlich, warum ein Land, trotz solcher Politik, überhaupt noch Mitglied des Europarates sein darf.“

 

Vergabe in der Kritik

An der Frage, warum ein Land, das die Menschenrechte missachtet, überhaupt den Zuschlag für Olympische Spiele bekommt, entbrannte sich eine lebhafte Diskussion, auch unter Beteiligung des Publikums. Univ.-Prof. Dr. Volker Schürmann vom Institut für Pädagogik und Philosophie kritisierte hier insbesondere das IOC, dem es weniger um den Sport, sondern vorwiegend um ökonomische Interessen gehe. Auch in Bezug auf die Menschenrechte nahm er das IOC in die Pflicht und forderte: „Es ist eine Grenze erreicht. Die zentrale Grundlage des Sports ist betroffen. Denn der Ausdruck der Menschenrechtstradition war seit jeher Kerngedanke des Olympischen Sports und dieser Erfüllung sollte auch in Zukunft nachgegangen werden.“ Dieselbe Richtung schlug Univ.-Prof. Dr. Jürgen Mittag, Leiter des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung, ein, indem er eine Reform der Charta forderte und die Legitimationsgrundlage des IOC in Frage stellte: „Kann sich ein undemokratisches Organ innerhalb des Komitees für demokratische Rechte einsetzen?“

„Sportgroßereignisse werden von den Gastgeberländern traditionell dafür genutzt, sich selbst zu inszenieren. Somit wird auch die Vergabe solcher Events immer mehr zu einem zentralen Thema der Sportpolitik“, fügte Mittag erklärend hinzu. Die sportlichen Großereignisse der nächsten Jahre, z.B. Fußball-WM 2022 in Katar, finden verstärkt in Ländern mit autoritären Staatsformen und hoher Korruptionsanfälligkeit statt, die allerdings gleichzeitig als so genannte „emerging countries“ über ein hohes Wirtschaftswachstum verfügen.  Hierzu zählen vor allem die BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika). „Im Gegensatz zu den dominanten ökonomischen Kriterien spielen humanitäre, menschenrechtliche oder demokratische Überlegungen bei den Entscheidungen oftmals kaum eine Rolle“, begründete Mittag die Tatsache, dass Athletinnen und Athleten ihre Unzufriedenheit immer wieder mit Protestaktionen zum Ausdruck bringen. Auf die Frage einer Zuhörerin, warum denn gerade Länder mit undemokratischen Strukturen oder humanitären Schwierigkeiten den Zuschlag für Großevents erhalten, antwortete Mittag: „Die Dynamik der sogenannten BRICS-Staaten ist im wirtschaftlichen Bereich stärker als im politischen, infolgedessen weisen die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen eine ganze Reihe von Defiziten auf. Die Veranstalter und Unternehmen können hier aber weitaus höhere Gewinne erzielen als etwa in den gefestigten Demokratien des Westens, deren Märkte weitgehend gesättigt seien.“

 

Mündige Athletinnen und Athleten

Auch auf die Rolle der Athletinnen und Athleten auf sportpolitischer Bühne kamen die Diskussionsteilnehmer zu sprechen. Während Prof. Schürmann die Nachhaltigkeit der Protestaktionen von SportlerInnen anzweifelte, äußerte sich Christian Breuer, Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), zuversichtlicher: Proteste während der Olympischen Spiele in Sotschi könnten als Türöffner für politische Veränderungen wirken. „Ob ein mündiger Athlet allerdings Stellung beziehen will oder nicht, ist diesem selbst überlassen. Wir erwarten aber, dass sich die Sportlerinnen und Sportler im Vorfeld ausreichend über die schwierige Thematik informieren und sich auch über mögliche Konsequenzen im Klaren sind“, sagte der Olympia-Teilnehmer im Eisschnelllauf. In erster Linie reisten die Athletinnen und Athleten aber nach Russland, um ihrem Sport nachzugehen. „Der Sport muss oftmals für Themen herhalten, die im Grund andere gesellschaftliche Bereiche, zum Beispiel Wirtschaft, Medien und Politik, regeln müssten“, monierte Breuer.

Einig waren sich die Podiumsgäste, dass die Vergabekriterien von Sportgroßevents überdacht werden sollten, vor allem wenn – wie in Sotschi – offensichtliche Verstöße gegen die Olympische Charta vorliegen. Denn in der steht: „Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung unvereinbar.“

 

(Autor: Presse und Kommunikation / Deutsche Sporthochschule Köln)

Video: Hier finden Sie das Video zu unserem 5. Kölner Abend der Sportwissenschaft.

  

Hier finden Sie die ersten Presseberichte zum 5. Kölner Abend der Sportwissenschaft:

Nützliche Neutralität (taz.de, 26.11.2013)

Olympia als Türöffner für Sotschi (Kölner Stadt-Anzeiger, 19.11.2013)

Professor Schürmann kritisiert Katar und die FIFA (zeit.de, 19.11.2013)

Homosexuelle befüchten Diskriminierungen nach den Spielen (Deutschlandfunk, 18.11.2013)

Den Athleten nicht zu viel aufbürden (dosb.de, 19.11.2013) 

4. "alltäglich ALLtauglich – Weltraumforschung im Dienste der...

15. Mai 2013 - In rund 400 km Höhe kreist die Internationale Raumstation ISS um die Erde. Auch die Sporthochschule ist regelmäßig mit Experimenten an Bord des fliegenden Labors. Was sie dort macht und vor allem warum sie in Schwerelosigkeit forscht, war Thema des 4. Kölner Abends der Sportwissenschaft. Unter dem Titel „Alltäglich ALLtauglich“ konnten Kölner Bürgerinnen und Bürger sowie alle Interessierten einen Einblick in die weltraumbezogenen Forschungsaktivitäten der Hochschule gewinnen und dem Weltall ein Stück näher sein.

„Wir gehen in die Luft, um Erkenntnisse für die Erde zu gewinnen“, erklärte Rektor Professor Walter Tokarski und ergänzte: „Wir betreiben Weltraumforschung im Dienste der Gesundheit.“ Was das genau bedeutet, erörterten die Wissenschaftler PD Dr. Stefan Schneider von der Deutschen Sporthochschule Köln und PD Dr. Alexander Choukér von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „In Schwerelosigkeit laufen die Prozesse, wie zum Beispiel Muskelschwund oder Knorpeldegeneration, wie im Zeitraffer ab. Alles geht viel schneller. Um herauszufinden, wie man diese Prozesse aufhalten oder hinauszögern kann, bietet das Weltall optimale Bedingungen“, erklärte Schneider in einem spannenden Impulsvortrag. Je länger die Aufenthalte in Schwerelosigkeit würden, so der Sprecher des Zentrums für integrative Physiologie im Weltraum (ZiP), desto wichtiger seien neben den physiologischen Faktoren die Aspekte Kognition und Immunsystem. „Leben in Schwerelosigkeit bedeutet Stress, da sich die Astronauten unter sehr extremen Bedingungen aufhalten: sie bewegen sich auf engstem Raum, sind abgeschieden von der Außenwelt, haben sehr hohe Arbeitsanforderungen und agieren in multikulturellen Teams“, sagte Schneider. Dass Sport ein Stresskiller, auch in Schwerelosigkeit ist, konnte in zahlreichen Studien belegt werden. „Die Veränderungen in den unterschiedlichen Bereichen des Cortex geben Aufschluss auf die Auswirkung von Sport auf das Gehirn und damit verbunden auf die Stressregulation“, erklärte Schneider. Auch in den Untersuchungen von Dr.  Alexander Choukér spielt Stress eine entscheidende Rolle. Sein Forschungsinteresse gilt in erster Linie den Auswirkungen von Stress auf das menschliche Immunsystem. „Die ersten vorläufigen Studienergebnisse deuten auf eine Modulation und Hemmung bestimmter Zellantworten hin, die in der Infektabwehr bedeutsam sind", sagte der Mediziner der LMU München und nannte ein weiteres Beispiel, aus dem Alltag: „Wir haben die Immunantwort gegen eine Grippeimpfung bei Menschen, die an Alzheimer erkrankte Angehörige pflegen, analysiert und konnten feststellen, dass die negativer ausfiel, als bei einer Kontrollgruppe.  Grund war wahrscheinlich ein erhöhtes Stressniveau.“ In ihren kurzweiligen Vorträgen machten die Wissenschaftler deutlich, dass die Zukunft in gesamtheitlichen, den ganzen Körper betreffenden Ansätzen liegt. „Wie verfolgen einen holistischen Ansatz“, so Choukér, der damit gleichsam die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der Forschungseinrichtungen unterstrich.

Für den Transfer in die Praxis sorgte Astronaut Dr. Reinhold Ewald. In einer unterhaltsamen Podiumsdiskussion, wortwitzig und schlagfertig moderiert von Wolf-Dieter Poschmann, berichtete der 56-Jährige von seinem Aufenthalt im Weltall während der MIR97-Mission. „Weltraumflüge sind ein Privileg, darum kann man uns sicherlich beneiden. Aber am Ende überwiegt doch die Pflichterfüllung“, sagte Ewald und ergänzte: „Vielleicht trifft das Wort Erfüllungsstress am besten zu.“ Was für die Astronauten Stress ist, ist für die Wissenschaftler Grundlage für ihre Forschung: „Wie reagieren wir auf die veränderten Bedingungen? Das Weltall bietet eine einzigartige Gelegenheit zu beobachten, wie der Organismus lernt sich anzupassen“, erzählte Choukér begeistert. Schneider ergänzte: „Wir haben einen sehr kontrollierten Raum und können daher sehr einfach Defizite benennen.“ Defizite konnte Astronaut Ewald während seines Fluges mit dem Raumschiff Sojus TM-25 nicht feststellen: „Im Weltraum habe ich keinen körperlichen Verfall wahrgenommen, aber nachher, als ich wieder auf der Erde gelandet bin. Ich wollte ein Buch überreichen und konnte es nicht. Ich war halten gar nicht mehr gewöhnt, nur stupsen und loslassen.“ Daher sei Sport nicht nur während des Aufenthaltes in Schwerelosigkeit wichtig, so Schneider, sondern auch in der Regeneration. „Wir haben das gleiche Phänomen bei bettlägerigen Patienten, bei denen es aufgrund von Immmobilisation zum Abbau von Muskel- und Knochenmasse kommt“, sagte Schneider. Die Faszination für das Weltall übertrug sich von den Protagonisten auf die 300 Gäste in Hörsaal 1 und so schauten viele verwundert auf die Uhr, als Moderator und Sporthochschul-Absolvent  Wolf-Dieter Poschmann  zu Getränken und Häppchen in das Foyer einlud. „Sie dürfen wiederkommen, zum nächsten Kölner Abend der Sportwissenschaft“, verabschiedete sich Poschmann und dankte der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Sporthochschule, die die Veranstaltungsreihe gemeinsam mit der Hochschule ausrichtet.

Der 4. Kölner Abend der Sportwissenschaft bot gleichzeitig den Rahmen für die Preisverleihung der TOYOTA-Forschungsförderung für den jungen wissenschaftlichen Nachwuchs. Toyota-Geschäftsführer Lothar Feuser überreichte die Auszeichnung an Thorben Hülsdünker („Auswirkungen einer akuten körperlichen Belastung auf die kognitive Leistungsfähigkeit und deren neuronale Korrelate im Alter und bei Patienten mit chronischem Fatigue Syndrom“) und Tobias Morat(„Erstellung und Effektivitätsprüfung eines Slingtrainings zur Verbesserung der funktionellen Mobilität, der Kraft- und der Gleichgewichtsfähigkeit von Älteren“).„Bereits seit vielen Jahren ist Toyota ein wichtiger Kooperationspartner unserer Hochschule, der sich die Förderung unseres wissenschaftlichen Nachwuchses auf die Fahne geschrieben hat“, bedankte sich Rektor Tokarski bei Lothar Feuser und Toyota.

Die Kölner Abende der Sportwissenschaft werden unterstützt von der DAK Gesundheit und Gaffel.

Video 4. Kölner Abend der Sportwissenschaft „alltäglich ALLtauglich“ 

3. "Das Phänomen Messi – Kreativität macht den Unterschied!?"

25. Februar 2013 - Wie schafft es ein Spieler wie Lionel Messi, in 37 Saisonspielen 50 Treffer zu erzielen und 20 weitere vorzubereiten? Ist er einfach schneller, kräftiger oder technisch versierter als seine Gegenspieler? Ein häufig vergessener Parameter der Leistung im Fußball liegt in der Kreativität, deren Bedeutung am 3. Kölner Abend der Sportwissenschaften diskutiert wurde. Die Gäste, in der von Moderator Wolf-Dieter Poschmann moderierten Podiumsdiskussion, waren der Leiter der Nachwuchsabteilung von Red Bull Salzburg, Ernst Tanner, sowie der ehemalige Fußballprofi und heutige Fußballlehrer Uwe Fuchs. Für die Sporthochschule komplettierten Professor Daniel Memmert und Professor Joachim Mester die Expertenrunde.

„Natürlich gab es Kreativität schon immer“, stellt Uwe Fuchs klar und antwortet damit auf die Frage Poschmanns, warum dieses Thema von solch aktuellem Interesse ist. „Was sich aber verändert hat, sind die physischen Anforderungen. Dinge wie Laufleistung, Raum- und Zeitdruck. Kreativität unterliegt ganz neuen Anforderungen!“ Woher diese Veränderungen kommen und warum Kreativität überhaupt so eine enorme Bedeutung hat, verdeutlicht Memmert. „Durch Gegneranalysen sind Mannschaften im professionellen Fußball einfach sehr gut aufeinander eingestellt. Dadurch muss man sich so verhalten können, wie es der Gegner nicht erwartet um erfolgreich zu ein!“ Ist Kreativität also eine der wenigen verbliebenen Komponenten, in denen sich Profifußballer und Mannschaften spielentscheidend voneinander abheben können? Ein Aspekt, den Professor Joachim Mester, Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, so nicht ganz anerkennt. „Wenn man sich das Tor eines Ibrahimovic ansieht, der aus zwanzig Metern Entfernung einen Fallrückzieher im Tor unterbringt, dann würde ich sagen, macht die Athletik den Unterschied!“ Nun könnte man sich fragen, was die Grundvoraussetzung dieses sensationellen Tores letztlich war: Die Kreativität, sich in dieser Situation für genau diese Handlung zu entscheiden, oder die körperliche Voraussetzung, die überhaupt erst zu dieser Handlung befähigt?

Das letztliche Maß an Bedeutung mal außen vor: Wenn man die Kreativität durch den strengen Blick der Sportwissenschaft erst ein wenig entmystifiziert hat, ist sie wie all die anderen Leistungsparameter des Sports durchaus trainierbar und zu definieren, wie Tanner erklärt: „Entscheidend ist variables Lernen! Man muss immer wieder verschiedene Situationen im Training schaffen, auf die reagiert werden muss und für die optimale Lösungsmöglichkeiten zu finden sind. Kreativität bedeutet eben insbesondere, viele alternative Handlungsmöglichkeiten zu erkennen und zugänglich zu machen“. Memmert ergänzt: „Dazu muss ich als Trainer auch den Aufmerksamkeitsfokus der Spieler schulen. Denn wer mehr aus seiner Umgebung wahrnimmt, hat auch mehr Handlungsmöglichkeiten zur Auswahl!“

Bei all der Wissenschaft, die im professionellen Sport mehr und mehr von Bedeutung wird, darf ein bedeutender Aspekt jedoch nicht vergessen werden: „Wir haben Erhebungen durchgeführt, wie viele Tore letztlich nur auf Zufall beruhen. Das waren ganze 50 Prozent!“, erklärt Mester. Also kurz vor Schluss doch noch ein Gegentor für die Wissenschaft? Vielleicht auch nicht! Letztlich dürfte es wohl gerade der Zufall sein, der die Bedeutung von Kreativität am deutlichsten macht. Wer das bezweifelt, sollte mal die Herren van Gogh und Mozart befragen, wie viele Produkte ihrer Kreativität letztlich doch Zufall waren.

Die Kölner Abende der Sportwissenschaft werden gemeinschaftlich veranstaltet mit der Gesellschaft der Freunde und Förderer der DSHS (GFF), mit freundlicher Unterstützung durch trainingsworld.com, Gaffel und der DAK.

Video 3. Kölner Abend der Sportwissenschaft „Das Phänomen Messi“

2. "Heute Jogger – morgen Patient?"

5. November 2012 - Joggen liegt im Trend: 16 bis 17 Millionen Läufer gibt es schätzungsweise in Deutschland, bald möglicherweise auch genauso viele neue Patienten? Dem Titel des 2. Kölner Abends der Sportwissenschaft  „Heute Jogger –  Morgen Patient?“ zufolge ist dies eine Frage, die zumindest einer kritischen Beleuchtung bedarf.

Rund 450 Gäste hatten sich im Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule eingefunden, um zu diesem Thema die neusten sportwissenschaftlichen Erkenntnisse präsentiert zu bekommen und mit Experten zu diskutieren. Als Moderator führte erneut Wolf-Dieter Poschmann durch den Abend.

Anschaulich stellte Professor Brüggemann, Leiter des Instituts für Biomechanik und Orthopädie, zunächst in seinem Impulsvortrag die Auswirkungen des Laufens aus biomechanischer Sicht dar. „Bei jedem Schritt wirkt ungefähr das Gewicht eines Trabis auf das Knie eines Joggers ein“, resümierte er die auftretenden Belastungen. „Es muss das Ziel sein, herauszufinden, bis zu welchem Punkt die auftretenden Kräfte unschädlich sind“, erklärte Brüggemann.

Interessanter Input für die anschließende Podiumsdiskussion, in der die Aspekte von Ökonomie-Professor Christoph Breuer, Mediziner Professor Hans-Georg Predel, Professor Brüggemann sowie Marathon- und Ultramarathonläuferin Birgit Lennatz-Lohrengel aufgegriffen und debattiert wurden.

Man dürfe nicht generalisieren, mahnte Mediziner Professor Predel. „Per se ist Laufen nicht gefährlich. Es wirkt sich positiv auf Herz-Kreislauf- und Immunsystem aus und eignet sich sogar als Therapeutikum - wenn es dosiert und individuell eingesetzt wird.“ In dem Marathon-Trend sehe er aber vor allem die Gefahr des Verlustes von Respekt vor großen sportlichen Herausforderungen und warnte davor, aus einer „Partylaune“ heraus, dieses Vorhaben in Angriff zu nehmen. Birgitt Lennatz-Lohrengel weiß, was es heißt, für die 42,195 Kilometer zu trainieren. Nach ihrem Verständnis muss es aber nicht unbedingt ein Marathon sein, auch ein 10-Kilometer-Lauf oder ein Halbmarathon können reizvoll sein. „In den Medien wird der Mythos Marathon so sehr gepusht, dass der Eindruck entsteht, dass alles darunter nicht mehr zählt“, kritisierte sie. 

Professor Christoph Breuer hob indessen die ökonomischen Aspekte der Laufbewegung hervor:  „Die Teilnehmer müssen sich einen persönlichen Nutzen vom Marathon versprechen, die Kosten für eine sinnvolle Investition halten.“ Trotz aller ökonomischen Denkweise räumte er aber auch ein, dass es sinnvoll wäre eine AGB-ähnliche Klausel bei der Anmeldung zu einem Marathon zu unterschreiben. „Es muss das Ziel sein, die Teilnehmer über ihr eigenes gesundheitliches Risiko aufzuklären.“ In diesem Zusammenhang verwies Professor Predel auch auf die Idee, von jedem Teilnehmer ein Sporttauglichkeits- Attest zu verlangen. Dies halte er jedoch für nicht durchsetzbar. Viel wichtiger sei es, an jeden Einzelnen zu appellieren, in sich hinein zu hören und über den Weg der Zusammenarbeit mit Experten, das Training individuell zu planen. 

Die Experten waren sich am Ende des Abends einig, dass es keine universale Formel geben kann, die für jeden Sportler aussagt, ob und was für ein Risiko Joggen darstellt. Denn, wie Professor Brüggemann feststellte, sind es multivariate Faktoren, die berücksichtigt werden müssen: „Disposition, Gewebebeschaffenheit und Vorverletzungen sind nur einige der Indikatoren. Man kann schon sagen: Die Dosis macht das Gift.“ 

Video 2. Kölner Abend der Sportwissenschaft "Heute Jogger - Morgen Patient" 

1. "Fit statt Fett"

2. Mai 2012 - „Gesundheit ist ein Thema, bei dem wirklich jeder etwas für sich mitnehmen kann.“ Mit diesen Worten begrüßte Hochschulrektor Professor Walter Tokarski die rund 250 Gäste in Hörsaal 1. Dabei machte er die Ziele der neuen Veranstaltungsreihe der Gesellschaft der Freunde und Förderer der DSHS (GFF) direkt zu Beginn deutlich: „Die Universität ist Teil der Gesellschaft und als solche verpflichtet, auch etwas zurückzugeben. Dazu gehört auch der Transfer von Wissen und Erkenntnissen in die Öffentlichkeit. Und das wollen wir in Form dieser Abende tun.“ Abende, die zwei bis drei Mal im Jahr stattfinden sollen und sich mit aktuellen sportwissenschaftlichen Themen auseinandersetzen. „Wir wollen es nicht bei einer Premiere belassen, sondern hoffen, dass daraus eine Serie werden kann, die für uns alle Früchte tragen wird“, beschrieb Sportmoderator Wolf-Dieter Poschmann den Wunsch der Organisatoren. Der Begrüßung des Rektors folgte ein Impulsvortrag von Professorin Christine Graf, die ihr Ziel, die anschließende Diskussionsrunde zu beleben, nicht verfehlte. Die Vorsitzende des ­Sportärztebundes Nordrhein e.V. und Mitarbeiterin am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft wies zunächst auf ein großes Problem unserer Gesellschaft hin. „Es ist viel wichtiger, schlank und dünn als fit und gesund zu sein. Ein Bild, das so von den Medien transportiert wird.“ ­Warum das schlimm ist, machte die Medizinerin deutlich. „Fitte Menschen haben ein geringeres Sterblichkeitsrisiko als nicht fitte Menschen – unabhängig vom Gewicht. Es muss ein Perspektivwechsel der Maßstäbe stattfinden. Weg vom Gewicht, hin zur Fitness.“ Fitness müsse jedoch nicht direkt mit einem intensiven Sportprogramm realisiert werden. „Wir müssen in diesen Kontext nicht immer über Sport reden. Was zählt ist es, die allgemeine Bewegung im Alltag wieder zu erhöhen.“ Die Art der Motivationsmaßnahmen, die das Ziel haben „die Hürde in ein aktives und bewegtes Leben zu senken“, seien jedoch sehr stark zielgruppenabhängig und schwer zu pauschalisieren.

Vor allem die Frage nach der Motivation bildete die Grundlage für eine belebte Podiumsdiskussion mit Professorin Christine Graf, Professor Jens Kleinert (Psychologisches Institut) und Ex-Fußballprofi ­Matthias Scherz, moderiert von Wolf-Dieter Poschmann. Zentraler Aspekt waren die „drei großen V“. Die Rückführung der Ursachen für Adipositas (starkes Übergewicht) auf Vererbung, Verhältnisse und Verhalten. Dass Vererbung nicht länger als alleinige Ausrede gelten kann, machte Kleinert, Leiter der Abteilung Gesundheit und Sozialpsychologie des Psychologischen Instituts, deutlich: „Unser Genpool wird auch durch äußere Einflüsse gesteuert. Genetische Veranlagung und Umwelt sind also nicht länger getrennt zu behandeln, und was meine Gene mit mir tun, ist durch mich beeinflussbar.“

 

Selbstwertgefühl durch Sport

Dennoch seien die Grundvorrausetzungen natürlich unterschiedlich. In etwa so unterschiedlich, wie es bei den Grundvoraussetzungen des Verhaltens der Fall ist. „In Familien sind nicht nur gewisse Erbanlagen und Gene gehäuft, sondern eben auch Verhalten. Das Kind macht das, was die Eltern vorleben“.

Eng mit Vererben und Verhalten sind aber auch die Verhältnisse verknüpft. So führte die Frage Poschmanns, ob Übergewicht in gewissen sozialen Kreisen erhöht ist, zu kontroversen Meinungen.

„Es muss eine größere Transparenz bei Lebensmitteln hergestellt werden, um die wichtigen Informationen auch bildungsfernen Personen zukommen zu lassen“, so Graf. Eine Ansicht, die für Kleinert nicht die Quelle des Problems ist. „Wir betreiben seit 20 Jahren Aufklärungsarbeit, und dennoch werden die Zahlen nicht besser.“ Der Sportpsychologe sieht die Art der Motivation als Problem, da diese viel zu häufig fremdgesteuert sei. „Mir geht es gerade bei Bewegung viel zu selten um die Freude. Dinge wie Schrittzähler beinhalten auch wieder nur Verpflichtungen und Aufgaben. Ziel muss es sein, die intrinsischen Bedürfnisse anzusprechen und so Sport und Ernährung als Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen. Wenn ich ein positives Selbstwertgefühl durch Sport und Ernährung entwickeln kann, sind mir die gemachten und gezählten Schritte letztlich egal.“

An der Quelle der Persönlichkeitsentwicklung arbeitet auch Matthias Scherz. Im Rahmen seines selbstgegründeten Vereins „Scherz e.V.“ versucht der ehemalige Bundesligaprofi jungen Schülern und Schülerinnen eine gesunde Lebensweise näherzubringen. Ziel ist es dabei, Spaß an Bewegung zu vermitteln. „Natürlich renne ich als Kind nicht gerne einfach durch den Wald. Wir versuchen, durch interessante Angebote wie Fußball oder Golf den Spaß für Bewegung zu wecken.“

Und auch wenn die Frage nach der richtigen Motivation abschließend nicht völlig geklärt werden konnte, dürften sowohl die Diskussionsteilnehmer als auch die Gäste ihren Konsens in einem Zitat finden, das von Birgit Fischer, Mitglied im Hochschulrat der Sporthochschule, stammt: „Wir haben ein universelles Medikament gegen viele Krankheiten – und das völlig kostenfrei: Bewegung und Sport!“

Und so sehr Kölsch und Häppchen den Abend beim gemütlichen Beisammensein im Foyer abzurunden wussten, dürfte der ein oder andere darüber nachgedacht haben, am nächsten Morgen mal mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. (Mm)

 

Video 1. Kölner Abend der Sportwissenschaft "Fit statt Fett" 

Aktueller Rückblick

Der letzte Wissenschaftsabend fand am 4. Dezember statt. Das Video finden Sie hier