Erdbeben-Katastrophe in der Türkei und in Syrien

Ali Uzun zeigt eine Präsentation zu seinem geplanten Charity Run

Verheerende Erdbeben haben Anfang Februar die türkisch-syrische Grenzregion erschüttert und massiv zerstört. Tausende Menschen haben ihr Leben verloren, Zehntausende sind verletzt und obdachlos. Mit Bestürzung hat die Deutsche Sporthochschule Köln die Auswirkungen verfolgt. Auch Mitarbeitende, Forschende und Studierende der Sporthochschule kommen aus der Türkei und aus Syrien oder haben Beziehungen in die Region. Allen Betroffenen und ihren Angehörigen spricht die Sporthochschule ihr tiefes Mitgefühl aus. Wie können wir sie in dieser Situation unterstützen? Wir haben unseren türkischen Austauschstudenten Ali Uzun und den syrischen Promotionsstudenten Guevara Alkhateeb um ihren Rat gefragt und Tipps für vertrauenswürdige Hilfsorganisationen von Gülay Hamidanoglu, Mitarbeiterin im Prüfungsamt, erhalten.

Ali, seit wann lebst du in Deutschland?
Ich bin seit seit Oktober 2020 in Deutschland. Ich komme aus Istanbul und dort haben wir an der Marmara Universität eine Austauschpartnerschaft mit der Deutschen Sporthochschule Köln. Ich kam zunächst nur für ein Austauschsemester nach Köln, bin aber geblieben. Mir gefällt es hier an der Spoho sehr gut und es ist schön, dass ich hier Sport und Forschung miteinander verbinden kann. Jetzt habe ich mich für ein Masterstudium beworben: den Master Human Technology in Sports and Medicine.

Guevara, was machst du an der Spoho?
Ich bin Promotionsstudent in der Abteilung Trainingswissenschaftliche Interventionsforschung des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik.

Ist deine Familie von dem Erdbeben betroffen?
Meine Familie lebt in Latakia (nahe der türkischen Grenze). Glücklicherweise sind alle in Sicherheit und haben keinen direkten Schaden erlitten. Die Situation in den letzten zwei Wochen war aber aufgrund der ständigen Panik, es gab zuletzt mehr als 60 Erdbeben (das letzte ereignete sich gestern mit einer Stärke von 6,3), psychisch enorm belastend. Aus diesem Grund hat meine Familie heute die Stadt verlassen.

Ali, wie ist es bei dir?
Meine Familie lebt in Istanbul, das ist mehr als 1.000 Kilometer von dem betroffenen Gebiet entfernt. Sie ist nicht selbst betroffen, aber so viele Menschen sind es: 15 Millionen. Das sind mehr Menschen als in Belgien oder in Griechenland leben. Und das betroffene Gebiet ist halb so groß wie Deutschland.

Warst du schon selbst in der betroffenen Region in der Türkei?
Ich bin Profisportler (Mountainbike-Orienteering, Anm. d. Redaktion),habe viele verschiedene Orte bereist und in verschiedenen Städten an Turnieren teilgenommen. Auch in der Region, die jetzt betroffen ist. Die Region wird als Wiege der Zivilisationen bezeichnet, beherbergte viele Reiche und Religionen und ist historisch sehr bedeutsam. Sie ist Weltkulturerbe. Jetzt ist vieles durch das Erdbeben zerstört.

Ali, wie erlebst du die Situation persönlich?
Ich kenne einige Betroffene. Einer meiner Freunde, er spielt in der türkischen Handball-Nationalmannschaft, lebte in Hatay, der am stärksten betroffenen Provinz. Er lag unter den Trümmern, hat aber Gott sei Dank überlebt und ist in Sicherheit. Jedes Mal, wenn ich Nachrichten schaue oder auf den sozialen Medien unterwegs bin, fühle ich mich schrecklich, weil alle meine Freunde sagen, wie sehr sie Unterstützung für Hatay, Gaziantep oder andere Städte brauchen. Die Zahl der betroffenen Menschen ist so unglaublich groß. Die türkische Regierung hat zwar schon um internationale Hilfe gebeten und die meisten Länder haben auch Unterstützung geschickt, aber das reicht noch immer nicht aus. Körperlich kann ich die Katastrophe nicht spüren, aber wenn ich versuche mir vorzustellen, was die Menschen fühlen, dann fehlen mir dafür die Worte.

Guevara, wie ist die Lage in Syrien?
In Syrien sind zwei unterschiedliche Gebiete von dem Erdbeben betroffen. Die nordsyrische Region liegt außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung. Sie wird von islamistischen Kämpfern angeführt, die mit der Türkei verbunden sind. Die nordwest- und zentralsyrische Region wird von der offiziellen syrischen Regierung kontrolliert. In beiden Regionen gibt es große Schäden, aber nur der Norden Syriens ist von Wirtschaftssanktionen befreit und leicht für die europäischen Hilfsorganisationen zugänglich. Die anderen Bereiche leiden stark unter den Sanktionen, die die Regierungen der USA und der EU verhängt haben. Auch schon vor dem Erdbeben lebten die Menschen mit nur 30 Minuten Strom am Tag und eingeschränkten Transportmöglichkeiten (kein Diesel und Benzol). Jetzt hat sich die Situation durch das Erdbeben und das kalte Wetter noch verschlimmert. Aus Angst davor, dass die Erde erneut bebt, schlafen die Menschen auf der Straße; auch ohne Heizung oder Strom. Tausende haben ihre Häuser verloren. Ganze Familien sind umgekommen. Außerdem gibt es viele Waisenkinder, die das alles jetzt alleine durchstehen müssen. Die ganze Welt hilft der Türkei, aber effektive Hilfe in dem von der Regierung kontrollierten Teil Syriens gibt es überwiegend nur von einigen arabischen Ländern. Menschen, die obdachlos geworden sind, brauchen Kleidung und Lebensmittel, andere brauchen spezielle Milch für ihre Kinde und einige brauchen Geld, um ihr zerstörtes Haus wieder aufzubauen oder zu retten, was noch zu retten ist. All diese verheerenden Probleme sind verstärkt worden, weil es keinen Strom, kein Gas, kein Benzin und keine Öl-Derivate gibt.

Wir in Deutschland sind weit weg und viele fühlen sich angesichts dessen hilflos. Wie können wir die Menschen in Syrien unterstützen?
Es wäre wichtig, den Menschen zu helfen, die im syrischen Regierungsgebiet leben. Sie sind von der Außenwelt isoliert. Das bedeutet nicht, dass wir den Norden vergessen sollten, denn auch dort gibt es viel Leid (die europäischen Medien berichten verstärkt darüber). Aus humanitären Gründen haben die Vereinigten Staaten ihre Sanktionen jetzt für sechs Monate ausgesetzt. Das reicht aber bei weitem nicht aus. Die Menschen vor Ort brauchen Strom und Treibstoff, um sich zu erholen. Wichtig wäre es, die Sanktionen aufzuheben, weil sie nur den einfachen, armen Bürgern schaden. Menschen hierzulande können für beide Regionen spenden. Man sollte aber aufpassen, an wen man spendet.  

Hast du einen Tipp, für eine vertrauenswürdige Organisation in Syrien?
Der Syrisch-Arabische Rote Halbmond, der dem Internationalen Roten Kreuz angeschlossen ist, ist für mich die einzige vertrauenswürdige Organisation.

Ali, wie können wir den Menschen in der Türkei helfen?
Ich denke, dass momentan eine Spende die beste Art zu helfen ist. Wir sollten aber auch jetzt schon an die Prävention in der Zukunft denken. Wir sollten das Bewusstsein dafür schärfen, wie wichtig es ist, sichere Gebäude zu bauen, die einem Erdbeben oder anderen Naturkatastrophen standhalten können. Wir können die Natur nicht bekämpfen, aber wir können einen Weg finden, mit solchen Katastrophen besser umzugehen.

Hast du einen Tipp, für welche Organisation man spenden könnte?
Es gibt sehr viele Organisationen, die vor Ort Hilfe leisten, aber ich würde die AHBAP (siehe Link unten, Anm. d. Redaktion) empfehlen, weil sie auch internationale Spenden annehmen kann. Die AHBAP ist eine Nichtregierungsorganisation, die in der Türkei wirklich gute Arbeit leistet. Wenn jemand spenden möchte, kann er ihnen zu 100 % vertrauen.

Hier in Deutschland leben viele Menschen mit Familie in der Türkei. Wie können wir die Menschen hier vor Ort unterstützen?
Wir als türkische Gemeinschaft sind sehr emotionale Menschen. Anteilname, eine Umarmung oder eine sanfte Berührung an der Schulter, all das hilft: „Wie geht es deiner Familie und deinen Freunden?“, „Das ist eine wirklich schwierige Situation. Wir teilen deinen Schmerz.“ Darüber hinaus helfen Spenden. Und was ich noch zum Schluss sagen möchte: Ich danke dem deutschen Rettungsteam I.S.A.R. und allen anderen Menschen, die die Erdbebenopfer vor Ort unterstützt haben, und für sie beten.

Auch viele Menschen aus Syrien leben in Deutschland. Wie können wir ihnen helfen?
Viele von uns können seit Wochen nicht gut schlafen. Menschen hierzulande können helfen, indem sie die Arbeitsbelastung der Betroffenen reduzieren und sie keinem zusätzlichen psychischen Druck aussetzen. Außerdem wäre es schön, wenn wir uns angesichts dieser Situation unter der Flagge der Menschlichkeit vereinen könnten und auf politische Standpunkte verzichten würden (auch unter Syrern).

Hinweis: Die Interviews wurde separat geführt und vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Sie möchten helfen? Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen hat hier auf seiner Website besonders förderungswürdige Hilfswerke aufgelistet und gibt Tipps zum sicheren Spenden.

Ali Uzun, Austauschstudent aus der Türkei, empfiehlt eine Spende an AHBAP.Hier finden Sie den direkten Link für Spenden an die Betroffenen des Erdbebens in der Türkei.Er sagt: „Die AHBAP ist eine Nichtregierungsorganisation, die in der Türkei wirklich gute Arbeit leistet. Wenn jemand spenden möchte, kann er ihnen zu 100 % vertrauen. Außerdem können sie auch internationale Spenden annehmen."

Gerade arbeitet Ali daran, einen weltweiten virtuellen Spendenlauf für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Syrien und in der Türkei zu organisieren. Er möchte Spenden sammeln, um zerstörte Sport- und Spielplätze aufzubauen. Derzeit ist er auf der Suche nach Kooperationspartnern für seine Idee. Können Sie helfen? Dann melden Sie sich per Mail an: presse@­dshs-koeln.de. Wir stellen gerne einen Kontakt her.

Guevara Alkhateeb, Promotionsstudent aus Syrien, empfiehlt eine Spende an den Syrisch-Arabischen Roten Halbmond. Er sagt: "Der Syrisch-Arabische Rote Halbmond ist dem Internationalen Roten Kreuz angeschlossen und für mich die einzige vertrauenswürdige Organisation."

Gülay Hamidanoglu, Mitarbeiterin im Prüfungsamt, empfiehlt eine Spende an STELP: Sie sagt: „Der Gründer ist direkt in den Ländern vor Ort und kann daher die aktuelle Lage einschätzen und auch, welche Hilfsgüter benötigt werden. Mit den Spendengeldern werden die benötigten Dinge eingekauft und direkt an die Erdbebenopfer verteilt.“ Außerdem empfiehlt sie für Spenden nach Syrien die non-profit Hilfsorganisation Infaq e.V.. Hier der direkte Link für eine Spende über PayPal.

Studierende und Mitarbeitende der Sporthochschule, die aufgrund der belastenden Situation um das Erdbeben in der Türkei und in Syrien psychologische Beratung suchen, können sich an Anna Heese von der Psychologischen Beratungsstelle der Sporthochschule wenden. Hier finden Sie weitere Informationen.