Kampfsport und Gesellschaft
Die gesellschaftliche Bedeutung von Kampfkunst, Kampfsport und Selbstverteidigung: Mit diesem Thema beschäftigte sich die 5. Jahrestagung der dvs-Kommission „Kampfkunst und Kampfsport“. Vom 6. bis 8. Oktober 2016 fand diese unter Federführung von Univ.-Prof. Dr. Swen Körner und Leo Istas vom Institut für Pädagogik und Philosophie an der Deutschen Sporthochschule Köln statt.
„Kampfsport, Kampfkunst und Selbstverteidigung sind mittlerweile in allen Gesellschaftsbereichen angekommen, nicht nur im Sport und in den Medien, sondern auch in der Pädagogik und Politik, in Wirtschaft und Wissenschaft“, konstatierte Tagungsleiter und Kommissionssprecher Prof. Swen Körner in seiner Eingangsrede. Vor dem Hintergrund aktueller Vorkommnisse wie der Kölner Silvesternacht habe sich der Zusammenhang von Gewalt, Sicherheit und Eigenverantwortung in den Mittelpunkt einer breiten öffentlichen Aufmerksamkeit gespielt.
Mittlerweile böten nicht mehr nur der organisierte Sport sowie zahlreiche kommerzielle Anbieter Kampfkunst- und Kampfsportangebote. Auch im Gesundheitssektor gäbe es einen Boom. Zahlreiche Angebote im Bereich Prävention und Rehabilitation stünden unter dem Einfluss von Kampfkünsten und Kampfsportarten, so Körner. Zudem gelte das Kämpfen in sozial- und sportpädagogischen Kontexten als „probates Mittel der Persönlichkeitsentwicklung“. „Dies alles führt zu einer interessanten Unübersichtlichkeit an Angeboten und Wirkungsversprechen, was Forschung und wissenschaftliche Beobachtung herausfordert“, sagte Körner.
Diese Vielfalt an Kampfkunst- und Kampfsportthemen sei nun – nach jahrzehntelanger Ausblendung in der Forschung und monothematischer Ausrichtung in der Lehre – an der Deutschen Sporthochschule Köln angekommen. Fünf Jahre nach Gründung der Kommission „Kampfkunst und Kampfsport“ innerhalb der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) sei also genau der richtige Zeitpunkt gekommen, die Jahrestagung nach Köln zu holen. „Mit der Tagung wollen wir diese Entwicklungen nach außen kommunizieren, Forschungslücken schließen und weitere Impulse setzen. Wir freuen uns vor allem über das internationale Teilnehmerfeld“, so Körner eingangs.
Einen internationalen Einstieg bot direkt nach der offiziellen Begrüßung der erste Keynote-Vortrag von Prof. Dr. Norbert Finzsch (Universität zu Köln). Unter dem Titel „On Style: Geschlecht, Boxen und Männlichkeiten im 20. und 21. Jahrhundert“ zeichnete der Historiker ein umfassendes Bild des US-amerikanischen Boxsports. Finzsch, emeritierter Professor des Historischen Instituts der Uni Köln, schilderte anschaulich, welche sozialen Umstände in den USA dazu führten, dass das Boxen Anfang des 20. Jahrhunderts zum Kassenschlager wurde und wie die Sportart dann von den asiatischen Kampfkünsten abgelöst wurde.
Neben Dr. Benjamin Judkins (USA) stellte als weiterer Gast mit internationalem Renommee Prof. Dr. Paul Bowman von der Universität Cardiff im zweiten Keynote-Vortrag die Frage: „What Can a Martial Body Do for Society?“. Der Gründer des „Martial Arts Studies Journal“ bot eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Definition und Konzeptionalisierung von Martial Arts und Gesellschaft.
Mehr als 20 weitere Vorträge, Workshops und Praxiseinheiten, Blitz-Networking, Sportprogramm, Brauhaustour und gemeinsames Abendessen sowie die Posterpräsentationen rundeten die Tagung ab.
„Ein Erfolg auf ganzer Linie. Interessante Themen, spannende Diskussionen und ein Meilenstein für den Anschluss an die internationalen Martial Arts Studies,“ lautete das Fazit von Mitorganisator und Sporthochschul-Promotionsstipendiat Leo Istas.