Online-Hass im Leistungssport
Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) fördert ein Forschungsprojekt des Instituts für Kommunikations- und Medienforschung (IKM) der Deutschen Sporthochschule Köln zum Online-Hass im Sport unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Daniel Nölleke.
„Ich will einfach nur Fußball spielen.“ Das sagte der brasilianische Profifußballer Vinicius Júnior von Real Madrid im März auf einer Pressekonferenz und brach daraufhin in Tränen aus. Grund dafür waren anhaltende rassistische Beleidigungen. Aber nicht nur im Stadion oder im Umfeld von Spielen, sondern insbesondere in Online-Medien und sozialen Netzwerken sehen sich Spitzensportler*innen in großem Maße mit Anfeindungen von Teilen des Publikums konfrontiert und werden Opfer von Hass. Sexistische Beleidigungen gegenüber weiblichen Athletinnen bei der Leichtathletik-WM 2022 oder auch Morddrohungen gegen die Fünfkämpferin Annika Schleu nach den Olympischen Sommerspielen 2020 sind weitere Beispiele.
„Im Sport ist das Problem im Vergleich zu anderen Bereichen offensichtlich besonders ausgeprägt: Schmähgesänge und explizite Beleidigungen scheinen in populären Mannschaftssportarten seit jeher ein vielfach geduldeter Teil der ‚Fankultur‘ zu sein“, erklärt Jun.-Prof. Dr. Daniel Nölleke und bezieht sich dabei auf bisherige Forschungsarbeiten. Die Logik von sozialen Netzwerken sei zudem ein idealer Nährboden für solche Formen inzivilen Verhaltens, also für Pöbeleien und Drohungen. Während Vereine und Verbände Online-Hass als gravierendes Problem erkannt haben, fehlt es von Seiten der Forschung bislang weitgehend an systematischem Wissen zu den (Wirk-)Mechanismen von Hate Speech im Sport. Das bewilligte Projekt zielt darauf ab, solch ein systematisches Wissen zu den Strukturen von Online-Hass im Sportkontext sowie zu den Perspektiven von Sportakteur*innen auf digitale Anfeindungen zu generieren.
„Online-Hass im Leistungssport: Merkmale, Erfahrungen und Bewältigungsstrategien“
Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft fördert das Projekt ab 1. Mai 2024 für zwei Jahre. Das Projekt untersucht digitalen Hass auf unterschiedlichen Plattformen (X, Instagram, TikTok; Fanforen) sowie in verschiedenen Kontexten des Leistungssports (Mannschaftssport/Individualsport; Wintersport/Sommersport). Die Forscher*innen befragen sowohl Athlet*innen als auch Trainer*innen, Sportdirektor*innen und weitere Expert*innen zu ihren Erfahrungen, Bewältigungsstrategien und Lösungsansätzen. Aufbauend auf bisheriger Forschung zu geschlechtsspezifischen Erfahrungen mit Online-Hass nimmt das Projekt weibliche Sportlerinnen besonders in den Blick. Denn: Die Forschung zu Online-Hass in anderen gesellschaftlichen Bereichen zeigt, dass sich die Situation für weibliche Leistungsträgerinnen besonders dramatisch darstellt. Feindselige Kommentare würden sich bei Sportlerinnen weniger auf Leistung oder Expertise beziehen, sondern vor allem auf das Geschlecht selbst. „Wir knüpfen an diese Forschung an und analysieren, durch welche Merkmale sich digitale Anfeindungen gegen weibliche Athletinnen von denen gegen männliche Athleten unterscheiden. Außerdem fragen wir danach, inwiefern weibliche Spitzensportlerinnen Online-Hass anders erleben und sie im Vergleich zu männlichen Sportlern andere Konsequenzen aus ihren negativen Erfahrungen mit Hassbotschaften im Internet ziehen“, führt Nölleke diesen Fokus aus. Das Projekt leistet damit einen Beitrag zum BISp-Forschungsschwerpunkt „Frauen und Mädchen im Leistungssport“ (FeMaLe) und liefert eine Grundlage, um zielgerichtet Strategien und Präventionsmaßnahmen für den Umgang mit digitaler Gewalt im Leistungssport zu entwickeln und insbesondere weibliche Nachwuchsathletinnen für das Problem zu sensibilisieren.
Jun.-Prof. Nölleke kooperiert bei dem Projekt mit mehreren Spitzensportverbänden (Deutscher Turner-Bund e.V., Deutsche Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft e.V., Deutscher Volleyball-Verband e.V., Deutscher Ruderverband e.V.) und der Athlet*innenvertretung Athleten Deutschland e.V. „Die Erkenntnisse werden auch in Kooperation mit dem Landessportbund NRW in Schulungen mit Nachwuchssportler*innen, in Informationsbroschüren sowie im Zuge einer interaktiven Website zur Selbsteinschätzung bei Erfahrungen mit Anfeindungen im Internet umgesetzt“, kündigt Nölleke an. Diese Zusammenarbeit soll helfen, die Projektergebnisse nachhaltig im Spitzensport zu verankern und zukünftig Athlet*innen besser vor Online-Hass schützen zu können bzw. ihnen eine kompetente Unterstützung im Umgang mit Hate Speech an die Hand zu geben.
Projektkontakt