Safe Sport e.V.
Auf Einladung der Sportministerkonferenz (SMK) stellte die Vorstandsvorsitzende von Safe Sport e.V., Prof.'in Dr. llse Hartmann-Tews, auf der Frühjahrstagung der SMK am 18. April in Saarbrücken das Beratungsportfolio der Unabhängigen Anlaufstelle vor, die im Juli 2023 ihre Arbeit aufgenommen hat.
Die Prävalenzraten für interpersonale Gewalt im Sport sind hoch – dass zeigen die verschiedenen Studien, die Prof. Bettina Rulofs und Prof. Ilse Hartmann-Tews zusammen mit weiteren Kolleg*innen der Deutschen Sporthochschule Köln und des Universitätsklinikums Ulm durchgeführt haben (Safe Sport StudieSicherImSport). Die Befunde machen auch deutlich, dass die sozialen Strukturen der Sportvereine systemimmanente Barrieren für die Wahrnehmung und das Markieren von Fehlverhalten sind und eine Offenlegung sowie systematische und unabhängige Aufklärung von Verdachts-(Fällen) erschweren.
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag die Unterstützung für den Aufbau eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport festgeschrieben, um den Kampf gegen physische, psychische und insbesondere sexualisierte Gewalt im Sport zu verbessern.
Der erste Meilenstein auf dem Weg zu dem mit vielen Aufgaben und Kompetenzen auszustattenden Zentrum, das seit 2023 in einem aufwendigen Stakeholderprozess projektiert wird, war die Einrichtung einer Unabhängigen Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Personen im Sport: Ende 2022 gründeten das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) am Rande der 46. Sportministerkonferenz unter Beteiligung aller 16 Bundesländer den Verein Safe Sport – Unabhängige Anlaufstelle für Betroffene sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Sport.
Die Beratungen sind offen für alle Betroffene sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Spitzen- und Breitensport (Safe Sport e.V.) und erfolgen in Unabhängigkeit von Dritten (insbesondere dem organisierten Sport), unter dem Schutz der Vertraulichkeit und Anonymität der Ratsuchenden.
Betroffene erhalten je nach Bedarf sowohl psychosoziale als auch juristische Unterstützung in einer Erst- und Begleitberatung. Seit Eröffnung haben sich 91 Ratsuchende an den Verein Safe Sport gewandt. Der überwiegende Anteil (46%) der Ratsuchenden sind Personen, die selbst von Gewalt betroffen sind oder waren, gefolgt von Angehörigen/Partner*innen (38%). Die Unterstützungs- und Hilfeanfragen kommen von Ratsuchenden aus nahezu allen Bundesländern. Knapp 2/3 von ihnen sind Mädchen und Frauen. Der Erstkontakt lief überwiegend über die Hotline (77%). In einem Drittel der Fälle wurde sowohl psychologische als auch juristische Beratung in Anspruch genommen, 35% der Fälle war ausschließlich juristische Beratung in 29% der Fälle ausschließlich psychologische Beratung. An erster Stelle der Formen erlebter Gewalt (Mehrfachnennung waren möglich) steht die psychische Gewalt mit 80%, gefolgt von sexualisierter Gewalt (47%) und physischer Gewalt (15%, wobei in 17% der Fälle digitale Gewalt benannt wurde.. Die Gewalterfahrung war bei der überwiegenden Mehrheit kein Einzelvorfall, sondern fand in 71% der Fälle mehrfach statt. In 73% der Fälle waren Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre von Gewalterfahrungen betroffen,. Die meisten Ratsuchenden (63%) berichten von Vorfällen im Breitensport und wettkampforientierten Breitensport. In 64% der Fälle waren Trainer*innen die Beschuldigten bzw. Täter*innen.
Der Bericht stieß auf große Resonanz.Sowohl Bundesinnenministerin Nancy Faeser als auch der Vorsitzende der Sportministerkonferenz Bayerns, Innenminister Joachim Herrmann, würdigten die Arbeit des Vereins und bestätigten, dass die Unabhängige Ansprechstelle die erhoffte Wirksamkeit in ganzer Breite entfaltet.
Die Grenzen der Arbeit werden allerdings auch sichtbar. Da die Unabhängige Ansprechstelle betroffenenzentriert berät, kann sie weder (Verdachts-)Fälle systematisch aufarbeiten noch Interventionen vor Ort in den Vereinen oder Verbänden vornehmen.
Genau hier - bei der Intervention, Untersuchung und Aufarbeitung von Verdachtsfällen - soll das Zentrum für Safe Sport einen Schwerpunkt seiner Arbeit haben. Über die Kompetenzen wird zur Zeit intensiv beraten. Ein Modell dabei ist, dass die Sportorganisationen, insbesondere die Sportfachverbände, die umfassende Übernahme von Verantwortung für einen sicheren, diskriminierungsfreien Sport bspw. durch die Bindung an einen verbandsbezogenen Safe Sport Code übernehmen (Safe Sport Code). Das Zentrum sollte dann subsidiär als unabhängige, externe Institution immer dann eingreifen (müssen), wenn Sportvereine und -verbände trotz Bekanntwerden eines Verdachtsfalles untätig bleiben oder Betroffene sich an das Zentrum wenden.