Tradition, Augenmaß und Gier
Die kommerziellen Auswüchse des Fußballgeschäfts zählen zu den brennendsten Themen des gegenwärtigen Sportdiskurses. Beim 14. Kölner Abend der Sportwissenschaft wurde nun auch an der Deutschen Sporthochschule über den Einstieg von Investoren, die globale Unternehmensstrategie vieler Großclubs und die Folgen für die lokal gewachsene Fußballtradition diskutiert.
Für viele Fußballanhänger müssen die Worte, die Univ.-Prof. Dr. Sebastian Uhrich gegen Ende des 14. Abends der Kölner Sportwissenschaft fand, ziemlich schmerzlich klingen. „Ich glaube, dass die globale Kommerzialisierung den Fußball längst für sich gewonnen hat“, sagte der Forscher vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement, „die Frage ist nur, welche Rolle die Fankultur da noch spielen kann“. Wenn das stimmt, ist der Kampf, den viele Kurven gegen den wachsenden Einfluss finanzieller Interessen führen, längst verloren. Oder lässt sich diese Entwicklung doch noch bremsen? „Globale Kommerzialisierung vs. lokale Fankultur – wer gewinnt den Fußball für sich?“, lautete der Titel der Veranstaltung im gut gefüllten Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule Köln.
Zur Einführung hatte Uhrich einen Impulsvortrag über das Bestreben der Bundesligisten gehalten, neue Anhänger auf dem ganzen Erdball an den eigenen Klub zu binden. In einer Studie wurde danach gefragt, wie die Meinungen deutscher Traditionsfans zu diesen neuen Mitgliedern ihrer Gemeinde aussehen. Zu Leuten, die allenfalls mal im Rahmen einer Urlaubsreise ins Stadion gehen können, deren Familien nicht schon seit Generationen an einem bestimmten Klub hängen, die aber interessante Kunden für die durchkommerzialisierten Fußballunternehmen sind. Wenn diese meist aus Asien oder Amerika stammenden Anhänger eine „erfolgsunabhängige Treue“ und eine starke „emotionale Anbindung“ entwickeln, stoßen sie bei den Traditionsfans auf eine hohe Anerkennung, lautet die zentrale Erkenntnis der Untersuchung. Wobei die aktive Fanszene aus den Kurven hier noch etwas strengere Maßstäbe anlegt als der durchschnittliche Fußballfreund.
In der anschließenden Diskussion, die vom ZDF-Journalisten Wolf-Dieter Poschmann moderiert wurde, debattierte Uhrich dann mit Fortuna Düsseldorfs Vorstandsvorsitzendem Robert Schäfer, mit Christoph Ruf, einem Autor diverser Werke über die Fankultur und die Kommerzialisierung und mit Jan-Henrik Gruszecki, einem aktiven Fan von Borussia Dortmund. Es wurde eine spannende Reise durch ein komplexes Themenfeld: Soll Investoren die Übernahme von Bundesligaklubs erleichtert werden? Sind ein paar Montagspiele ein plausibler Grund für wütende Proteste? Repräsentiert die Ultraszene mit ihrer Neigung, Regeln oder gar Gesetze zu brechen wirklich die Interessen der Fanmehrheit? Und welche Rolle spielt eigentlich Tradition?
Daraus ergab sich eine informative und in vielen Momenten auch sehr unterhaltsame Kontroverse, die unerfreuliche Entwicklungen und Zustände sichtbar machte, die aber bei allen Ansätzen zur Kritik auch zu einer beruhigenden Erkenntnis führte: Obwohl die Medien bisweilen ein anderes Bild zeichnen, kann Deutschland mit seinen Stehtribünen, seinen vollen Stadien und der großen Hingabe vieler Fans eigentlich froh sein über seine Fußballkultur. Bei allen Problemen gelinge es kaum einem anderen Land ähnlich gut, „eine Kommerzialisierung mit Augenmaß“ zu betreiben, sagte der Düsseldorfer Vorstandschef Schäfer und forderte: „Wir müssen den Fußball gestalten.“ Und zwar unter Berücksichtigung aller relevanten Interessen.