Zum Gedenken an Wildor Hollmann
Er gilt als der Nestor der deutschen und als der Motor der internationalen Sportmedizin, und er hat seit den 1950er Jahren dieses wichtige medizinische Fach wegweisend mitgeprägt: Universitäts-Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Wildor Hollmann, der Begründer und langjährige Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule in Köln, wäre am Donnerstag, dem 30. Januar, 100 Jahre alt geworden.
Wildor Hollmann ist am 13. Mai 2021 an den Folgen der Corona-Krankheit im Alter von 96 Jahren an seinem Heimatort in Brüggen (Kreis Viersen am Niederrhein) gestorben. Noch wenige Wochen vor seinem Tod war Wildor Hollmann in der Lehre an der Deutschen Sporthochschule Köln mit Vorlesungen zu sportmedizinischen Themen aktiv und bis zuletzt bei seinen Studierenden sehr beliebt.
Der aus dem Sauerland stammende Wildor Hollmann studierte Medizin an der Universität zu Köln und begann bereits 1949 mit ersten experimentellen Untersuchungen über den Einfluss von körperlicher Arbeit und Training bzw. über die Auswirkungen von Bewegungsmangel auf den gesunden und den kranken Menschen. Das war zu der Zeit als praktizierender Arzt an der Medizinischen Universitätsklinik in Köln unter der Leitung seines medizinischen Mentors Prof. Dr. Hugo Wilhelm Knipping (1895-1984). Im Jahre1956 mietete Hollmann einen Keller an der Sporthochschule Köln, um hier quasi als „Ein-Mann-Privat-Institut“ seine Forschungen mit (vor allem studierenden) Sportlerinnen und Sportlern zu intensivieren. Der damalige Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Willi Daume (1913-1996), war auf den jungen Forscher Hollmann aufmerksam geworden und sorgte für finanzielle Unterstützung durch ein Kuratorium für Sportmedizin. Zehn Jahre später übernahm das Land Nordrhein-Westfalen das Institut als staatliche Einrichtung.
Im Jahre 1965 wurde Wildor Hollmann auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Kardiologie und Sportmedizin an der Kölner Sportuniversität berufen. Aus dieser Einrichtung sollten unter seiner Leitung 24 Habilitationen und später daraus 14 Professorinnen und Professoren hervorgehen. Als akademischer Lehrer betreute er über 1000 Diplomarbeiten und über 200 Promotionen. Hollmann reüssierte auch als gefragter Wissenschafts-Manager: 1965 wurde er erstmals zum Prorektor der Deutschen Sporthochschule gewählt, von 1969 bis 1971 stand er als Rektor an der Spitze in der Nachfolge von Prof. Dr. h.c. Lieselott Diem (1906-1992). „Wildor Hollmann war nicht nur ein Wegbereiter der modernen Sportmedizin, sondern auch ein inspirierender Visionär, der zeitlebens den Menschen und ihre Gesundheit in den Mittelpunkt stellte. Mit unermüdlicher Leidenschaft und tiefem menschlichem Engagement hat er Generationen geprägt und die Grundlagen für ein besseres Verständnis von Bewegung und Gesundheit geschaffen“, sagt Prof. Dr. Ansgar Thiel, Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln.
Wildor Hollmann war u.a. Präsident des Deutschen Sportärztebundes sowie des Weltverbandes für Sportmedizin, Vorsitzender des Fachbereichs Sportmedizin im Bundesinstitut für Sportwissenschaft (damals noch auf dem Campus der Sporthochschule) und Chefredakteur der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin. Von 1994 bis 1997 amtierte er als Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Viele Jahre arbeitete Wildor Hollmann als betreuender Sportarzt für die Nationalmannschaften im Fußball (1958-1978), im Golf (1959-1963) sowie im Hockey (1964-1971).
Auch die Liste der Ehrungen, mit denen seine sportmedizinischen Verdienste weltweit bedacht wurden, ist lang und vielschichtig: Im Jahre 1961 erhielt er die Carl-Diem-Plakette für Sportmedizin und Sportwissenschaft (heute Wissenschaftspreis des Deutschen Olympischen Sportbundes) des DSB, drei Jahre später den Hufeland-Preis für Präventivmedizin, 1976 den Philip-Noel-Baker-Forschungspreis der UNESCO, im Jahre 2002 wurde er mit der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft geehrt. Die Bundesrepublik Deutschland verlieh ihm das Schulterband zum Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern.
Anlässlich seines 95. Geburtstags wurde in einer Feierstunde an der Deutschen Sporthochschule Köln eine Dauerausstellung mit zahlreichen Erinnerungsstücken aus dem akademischen und privaten Leben und dem sportmedizinischen Wirken von Wildor Hollmann zu seinen Ehren eröffnet: „Als Wildor Hollmann 1958 das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln in Verbindung mit der Medizinischen Universitätsklinik Köln gründete, konnte er sicher nicht ahnen, dass 62 Jahre später auf der Basis seiner wissenschaftlichen Erfolge mit weltweiter Anerkennung einmal eine Dauerausstellung gegründet würde“, würdigte der damalige Rektor der Sportuniversität, Prof. Dr. Heiko Strüder, das wissenschaftliche Lebenswerk bei die Eröffnung der Ausstellung, die an allen Wochentagen tagsüber auch für Gäste der Deutschen Sporthochschule Köln geöffnet ist. Die Sporthochschule hatte Hollmann bereits 1995 den selten vergebenen Titel „Ehrenbürger der Deutschen Sporthochschule Köln“ verliehen: „Diese Auszeichnung ehrt sowohl einen herausragenden Wissenschaftler, Arzt und vor allem auch empathischen und humorvollen Menschen – eine Kombination, die in der Person Wildor Hollmanns in einmaliger Weise vereint war“, so Prof. Dr. Hans-Georg Predel, heutiger Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin (Abteilung 1). Dazu ergänzt Prof. Dr. Wilhelm Bloch als aktueller Leiter der Abteilung 2 des ehemaligen Hollmann-Instituts: „In der Tat war Hollmann ein Visionär, der die wissenschaftliche Entwicklung in der Sportmedizin vorangetrieben hat."
Wildor Hollmann war auch den Sportorganisationen als Experte gefragt und insbesondere im DSB, eine der Vorgängerorganisationen des heutigen Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), aktiv. Zusammen mit dem langjährigen DSB-Breitensport-Chef Dr. Jürgen Palm (1935-2006), selbst einst Absolvent der Sporthochschule Köln, brachte sich Hollmann bei der Entwicklung der damals höchst erfolgreichen Trimm-Dich-Kampagnen ein. Aus dieser Zeit in den 1970er Jahren stammt aufgrund der Erkenntnisse seiner damaligen Forschungen der bis heute vielzitierten Satz von Wildor Hollmann: „Durch ein geeignetes körperliches Training gelingt es, 20 Jahre lang 40 Jahre alt zu bleiben.“ Diesen Lebensgrundsatz können wir uns jetzt anlässlich seines 100. Geburtstages in Erinnerung rufen und im Gedenken an Wildor Hollmann … immer noch mit regelmäßiger Bewegung den Alternsprozess 20 Jahre lang verlangsamen!