Zum Tod von Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Eckhard Meinberg
Am 12. Oktober verstarb der langjährige, ehemalige Leiter des Pädagogischen Seminars der Deutschen Sporthochschule, Univ.-Prof. Dr. Dr. Eckhard Meinberg, im Alter von 78 Jahren.
Eckhard Meinberg studierte Erziehungswissenschaften, Philosophie und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln, wo er als Schüler des renommierten Bildungstheoretikers und Humboldt-Experten Clemens Menze auch promovierte und habilitierte. Er arbeitete seit 1972 zunächst als Wissenschaftlicher Assistent und, nach einem kurzen Abstecher an die Ruhr-Universität Bochum 1978, ab 1979 als Professor und Leiter des Pädagogischen Seminars bis zum Eintritt in seinen Ruhestand 2010 an der Deutschen Sporthochschule Köln, wo er zudem von 1987 bis 1999 als Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs aktiv war. Beides – Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs – waren für Eckhard Meinberg nicht nur Verwaltungsaufgaben, sondern inneres Anliegen. Nach seiner Emeritierung übernahm er noch im Jahr 2016 das Amt der Ombudsperson für Forschung, das er bis zuletzt engagiert ausfüllte.
Eckhard Meinberg zählte zu jener ersten Generation von Sportpädagogen – zusammen etwa mit Ommo Grupe, Dietrich Kurz oder Karl-Heinz Scherler –, die der Disziplin nach der Abkehr von einer nicht mehr zeitgemäßen Theorie der Leibeserziehung eine neue Ausrichtung mit auf den Weg gegeben haben. Als genuiner Erziehungswissenschaftler hat Eckhard Meinberg dabei von Anbeginn eine von anthropologischen und bildungstheoretischen Grundüberzeugungen getragene Perspektive an seine sportpädagogischen Forschungen angelegt. Exemplarisch zeigt sich das bereits in der 1984 in erster Auflage erschienenen Arbeit „Hauptprobleme der Sportpädagogik“. Publiziert in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, einer damals noch weitgehend den tradierten geisteswissenschaftlichen Disziplinen verpflichteten Verlagsgesellschaft, ist es eine der ersten systematisierenden Einführungen in eine sich erst etablierende Sportpädagogik, die einerseits auf aktualisierten erziehungswissenschaftlichen und anthropologischen Grundannahmen aufbaut, gleichzeitig aber auch Phänomenen wie Sozialisation oder Lernen einen eigenen Raum gewährt. Diese von der modernen Bildungstheorie und Philosophischen Anthropologie ausgehende Argumentationsbasis hat Eckhard Meinberg bis in seine letzten Veröffentlichungen hinein konsequent beibehalten, ohne dabei allerdings – und auch das ein sehr sympathisches Merkmal seiner Persönlichkeit – jemals in dogmatische Kleingeistigkeit zu verfallen. Dabei ist sein wissenschaftliches Lebenswerk, heute würde man wohl von „Forschungsoutput“ sprechen, schlicht imposant und umfasst mehr als ein Dutzend Monografien und über zweihundert Artikel und Aufsätze, teilweise übersetzt in mehrere Sprachen. Die Leidenschaft zum Forschen hat Eckhard Meinberg bis in die letzten Wochen seines nun zu Ende gegangenen Lebens nicht verlassen, wie auch der persönliche Email-Verkehr mit ihm nachdrücklich bezeugt.
Eckhard Meinberg war aber auch ein ebenso leidenschaftlicher Förderer des – nicht nur im engeren Sinne sportpädagogischen – wissenschaftlichen Nachwuchses. Auch dies ist ein Zeichen seiner undogmatischen Sicht auf Wissenschaft. So hat sich im Laufe der Jahrzehnte am Pädagogischen Seminar auch keine sportpädagogische „Schule“ im Sinne einer Jünger*innenschaft ausgebildet, sehr wohl aber hat er zahlreichen Nachwuchskräften auf seine Art einen Zugang in die Sportwissenschaften eröffnet. Viele heute bekannte und in ihren inhaltlichen Ausrichtungen sehr heterogene Hochschullehrer*innen haben ihren wissenschaftlichen Weg am Pädagogischen Seminar der Deutschen Sporthochschule begonnen oder wesentliche Stationen ihrer wissenschaftlichen Karriere dort verbracht (z.B. Karl Heinrich Bette, Peter Frei, Ilka Lüsebrink, Swen Körner, Michael Kolb, Stephan Wassong). Auch auf internationaler Ebene hat dies Spuren hinterlassen, wobei Eckhard Meinberg über mehrere Jahrzehnte vor allem in engem Austausch mit der Universität in Porto und mehreren Hochschulen in Südkorea stand. Mindestens zwei seiner südkoreanischen Promovenden sind mittlerweile auch Hochschullehrer an dortigen Universitäten. Wenn man so will, kann man auch den „Output“ an wissenschaftlichem Nachwuchs als mehr als eindrucksvoll bezeichnen.
Eckhard Meinberg war ohne Zweifel ein bedeutender Hochschullehrer, aber er war zudem auch ein interessanter Mensch. Eine aus meiner Sicht zentrale Facette seiner Persönlichkeit war der sehr feine, gelegentlich ironisch-süffisante Humor, der auch vor seiner eigenen Person nicht Halt machte. Als Sportpädagoge ohne den einschlägigen „sportiven Stallgeruch“ hat er eigene sportliche Ambitionen zwar immer gepflegt, aber auch ironisch-distanziert realistisch einzuschätzen gewusst. Als mäßig talentierter „ostwestfälischer Beckenbauer“ blieben ihm öffentliche Kostproben der Eigenrealisation, wie man sie aus sportaffineren Kolleg*innenkreisen kennt, immer ein wenig suspekt. Dafür kannte er allwöchentlich die Ergebnisse und Spielberichte der oberen Ligen in den unterschiedlichsten Sportarten auswendig – nur ein Beispiel für sein legendäres fotografisches Gedächtnis. Auch unsere letzten persönlichen Emails blieben nicht ohne Verweise auf die wechselhaften Vorstellungen der Dortmunder BvB-Kicker.
Eckhard Meinberg war sicher nicht der nahbare und kumpelhafte Sportlertyp, eher schon der stets freundlich-distanzierte Gentleman, der aber durchaus seine gesellig-zugewandten Seiten besaß. Die erschlossen sich jedoch nicht auf Anhieb, liebte und lebte er doch aus tiefer Überzeugung heraus die Humboldt’sche Vorstellung des in „Einsamkeit und Freiheit“ Forschenden. In den mehr als vierzig Jahren, die ich die Möglichkeit und das Privileg hatte, ihn kennen zu dürfen, sind wir über das „Herr Meinberg“ und „Herr Thiele“ nie hinaus gekommen, gestört hat es – so zumindest meine Wahrnehmung – uns beide nicht. „Nähe und Distanz“ – so der Titel eines Buches des von ihm hoch geschätzten Eugen Fink – tragen eben viele Facetten.
Die Sportpädagogik verliert mit Eckhard Meinberg einen der letzten Vertreter der Gründungsgeneration der heute im Feld der Sportwissenschaften gut etablierten Sportpädagogik, der bis in die letzten Wochen seines Lebens aktiv an der Entwicklung seiner Disziplin Anteil genommen hat.