"Die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft sollte Freude und Spaß bereiten"
Professor Ralf Roth leitet an der Deutschen Sporthochschule Köln das Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung. Seit Jahren erforscht der Wissenschaftler, wie es um die Nachhaltigkeitsleistungen im Sport steht, und ist ein gefragter Experte auf diesem Gebiet. Er entwickelt Nachhaltigkeitsstrategien für Sportverbände, Sportgroßveranstaltungen und Sporttourismusdestinationen, ist u.a. Vorsitzender des Beirats "Umwelt und Sport" beim Bundesumweltministerium und seit 2021 Leiter der neu gegründeten „Kommission für nachhaltige Entwicklung“ an der Sporthochschule. In dieser Funktion haben wir ihn gefragt, was Nachhaltigkeit nach seiner Auffassung bedeutet, wie die Hochschule einen Beitrag dazu leisten kann und warum das Thema so immens wichtig ist.
Professor Roth, wie definieren Sie den Begriff nachhaltige Entwicklung?
Nachhaltige Entwicklung bedeutet, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Es ist ein dauerhaftes Bemühen um den Interessenausgleich und um Konfliktlösung für die nachfolgenden Generationen. Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes System übergeben. Im Kern ist es eine Frage der Haltung und eines gemeinsamen Zukunftsbildes. Hier fließen Verantwortung und Kompetenz zusammen, Empathie und Mut, Anspruch und Weitblick. Die weltweiten Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals, sind dabei wichtig, weil sie die Dringlichkeit und Komplexität der Herausforderung weltweit deutlich machen und insgesamt einen sehr guten Orientierungsrahmen, gerade auch für den Sport, darstellen.
2020 hat die Hochschule eine Nachhaltigkeitskommission in der Grundordnung verankert, die 2021 offiziell ihre Arbeit aufgenommen hat. Was genau sind die Aufgaben?
Mit der Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung im Hochschulentwicklungsplan und der Einrichtung der Kommission übernimmt die Sporthochschule gesellschaftliche Verantwortung und handelt für die Zukunft, auch außerhalb der Universität. Sie verankert Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe in den zentralen Leistungsdimensionen von Lehre, Forschung, Transfer, Campus sowie in sämtlichen Betriebsabläufen. Die Verantwortung der Universität hört hier nicht auf dem Campus und den Trainingsstätten auf. Die Kommission unterstützt und berät das Rektorat und den Senat in diesen Verantwortungsbereichen. Zu ihren Aufgaben gehört insbesondere die universitätsinterne Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung und die Förderung des Austauschs mit gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren. Sie tagt grundsätzlich hochschulöffentlich. Es wurde ein Nachhaltigkeitsbüro eingerichtet, das Wissen und Aktionen an der Spoho bündelt. Die Website und der Claim „Spoho bewegt nachhaltig“ wurden nun auch eingeführt. Es gibt vielfältige konkrete Umsetzungsprojekte und Impulse an unserer Hochschule. Wir haben viele starke und kreative Menschen aus allen Statusgruppen – Nachhaltigkeit ist für uns ein Gemeinschaftswerk.
Warum ist das Thema erst in den letzten Jahren so verstärkt in den Fokus gerückt?
Heute sind viele Probleme viel näher bei uns. Der diesjährige Hitzesommer mit außergewöhnlicher Trockenheit ist ein Beispiel hierfür. Das Hochwasser im Ahrtal oder das plötzliche Ausbleiben von Bienen. Aber auch die Luftverschmutzung, das Plastik in den Ozeanen und das Mikroplastik in den Nahrungsketten beschäftigt uns. Im weltweiten Fokus steht natürlich die Klimaerwärmung. Trotz derzeit geplanter globaler Klimaschutzmaß nahmen wird sich die Jahresmitteltemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um mindestens weitere zwei Grad Celsius erhöhen. Die menschengemachte Erwärmung ist dabei bestimmt durch die Gesamtmenge von fossilen CO2-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung. Jede weitere zukünftige Emission heizt das Klima weiter an. Ein schnelles Zurückfahren der Emissionen bis auf null, und sogar die Entfernung von bereits emittiertem CO2 aus der Atmosphäre stehen an. Die Wüsten-Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar ist so gesehen ein bedenklicher Rückschritt. In den kommenden Jahrzehnten müssen wir dringend Wege finden und gehen, die globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Wasserknappheit und Rohstoffmangel zu meistern und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt und unseren Lebensstandard zu sichern. Auch der Sport und unsere Hochschule dürfen nicht abwarten, sondern müssen heute handeln. Die aktuelle Energiekrise mit ihren Kosten ist hier ein temporärer Treiber für eine nachhaltige Transformation.
Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um Nachhaltigkeit voranzutreiben?
In der Nachhaltigkeitsdebatte überwiegen eher dunkle Szenarien. Und die Reaktion ist oftmals Unsicherheit und eben nicht Empathie, Mut und Gestaltungswille. Wir brauchen glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategien, die positiv und einladend sind. Klar in den Instrumenten und verbindlich in den Zielen. Die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft sollte Freude und Spaß bereiten. Bildung und Forschung übernehmen hier wichtige Aufgaben zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele und der Nachhaltigkeitstransformation. Sie schaffen und vermitteln die nötigen Grundvoraussetzungen an Wissen, kreative Ideen und Kompetenzen, gemeinsam mit jungen Menschen.
Wo sehen Sie die wichtigsten Anknüpfungspunkte an der Spoho?
Wir können den Weg für Veränderungsprozesse auf unserem Campus bereiten und einen Beitrag dazu leisten, Lösungsvorschläge für aktuelle Krisen zu entwerfen. Dies geschieht sowohl nach innen, zum Beispiel durch ausdrücklich nachhaltigkeitsbezogene Ansätze in Lehre und Forschung oder die Koordination und das Management von Nachhaltigkeit im Betrieb, als auch nach außen, zum Beispiel durch den Transfer von Erkenntnissen der Nachhaltigkeitsforschung in andere Gesellschaftsbereiche. Es gibt viele herausragende Beispiele und Ansätze an unserer Universität, insbesondere im Bereich von Interaktion, Integration und Inklusion. Das Wissen kommt mit dem Handeln und wird so gestärkt. Hierfür müssen wir allerdings den entsprechenden Freiraum und die Ressourcen an der Sporthochschule schaffen – das ist eine Herausforderung.
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