Balanceakt zwischen Familie, Sport und Studium
Er ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Profi-Wakeboarder weltweit – und das schon seit mehr als zehn Jahren: Nico von Lerchenfeld. Mit ca. 30 km/h saust er auf seinem Wakeboard durch die Anlagen und zeigt spektakuläre Sprünge und Tricks. Aber nicht nur hierbei gilt es für Nico, das Gleichgewicht zu halten. Auch sein Alltag ist ein Balanceakt, denn der 30-Jährige studiert an der Spoho den Bachelor-Studiengang Sportmanagement und Sportkommunikation, ist Vater von zwei Söhnen und möchte sich mit einer eigenen Business-Idee selbständig machen. Warum Köln ein gutes Pflaster fürs Wakeboarden ist, welche Pläne er als Geschäftsmann hat und warum sein Leben mitunter „ultra chaotisch“ ist, erzählt er im Interview.
Nico, wie bist du überhaupt zum Wakeboarden gekommen?
Ich bin im Allgäu aufgewachsen und schon sehr früh mit Wakeboards und Snowboards in Kontakt gekommen. Meine Eltern haben damals den Wasserskilift Inselsee betrieben. Da stand ich mit sechs Jahren das erste Mal auf dem Brett. Wir haben quasi direkt an der Anlage gewohnt und ich habe mir viel von den älteren und besseren Fahrern abgeguckt und Tipps geholt. Nach der Schule habe ich mich entschlossen, erstmal alles aufs Wakeboarden zu setzen. Ich habe damals vom Wachstum der Sportart in Deutschland profitiert und hatte ein paar gute Sponsoringverträge in der Tasche.
Was macht für dich die Faszination des Wakeboardens aus?
Am meisten fasziniert mich das Gefühl auf dem Wasser, das Gleiten auf der spiegelnden Oberfläche, das ist einfach unbeschreiblich. Obwohl wir im Wakepark immer im Kreis fahren, gibt dir die Anlage unendlich viele Möglichkeiten, kreativ zu sein und dich auszuprobieren. Wakeboarden ist nicht höher, schneller, weiter. Wenn du einen Trick drauf hast, kannst du ihm immer wieder deine eigene Note geben, ihn immer weiter verändern. Selbst der einfachste Trick fühlt sich für mich nach 20 Jahren noch geil an.
Wo steht das Wakeboarden in Deutschland?
Die Szene ist in Deutschland schon recht groß, es gibt immer mehr Wakeboarder. Andererseits gibt es bei den Anlagen noch einige weiße Flecken auf der Landkarte. Du brauchst die Infrastruktur, ein Ticket, das Ganze ist nicht billig. Somit ist es schon eine Sportart mit einer höheren Eintrittsschwelle. Aber gleichzeitig auch für viele geeignet. Wakeboarden kann jeder lernen, egal welchen Alters. Und auch weil wir nicht wissen, wie viel Wintersport in Zukunft noch möglich ist oder wer sich den noch leisten kann, ist Wakeboarden eine echte Alternative.
Hättest du es mit einer anderen Sportart auch nach oben geschafft?
Mh, schwierig. Als Kind und Jugendlicher bin ich auch viel Snowboard gefahren, was dann nach und nach weniger wurde zugunsten des Wakeboardens. Wenn ich da drangeblieben wäre, hätte das auch echt gut werden können. Früher habe ich außerdem sehr gerne und viel Basketball gespielt – auch wenn ich definitiv nicht den Körper habe, mit dem ich es zum Basketballprofi geschafft hätte (1,65 m und 62 kg; Anm. d. Red.). Regional erfolgreich war ich noch im Trampolinturnen. Da waren mir aber irgendwann die Strukturen zu strikt; ich habe mich da reingepresst gefühlt und nicht wirklich frei.
Actionsportarten leben von professionellen Videoproduktionen und regelmäßigem Social Media Content. Wie gehst du damit um?
Als Sportler versucht man natürlich einerseits, immer besser zu werden und in Contests erfolgreich zu sein. Der andere große Fokus liegt auf der Produktion von Medien, vor allem von spektakulären Videos an ungewöhnlichen Locations. Solche Videoformate sind die Währung in unserem Sport. Es wird sehr viel Zeit darauf verwendet, die krassesten Tricks und Shots einzusammeln. Die sozialen Medien ermöglichen es dabei, mit der Community zu kommunizieren und sich inspirieren zu lassen. Und dann kommt die Realität, und man merkt, wie viel Arbeit das ist.
Mit deiner Geschäftsidee des ‚Wakeboard Campus‘ möchtest du ein eigenes Unternehmen gründen. Wie kamst du darauf?
Als Sportler habe ich selbst erlebt, dass es im Wakeboarden keine klassischen Trainings- und Vereinsstrukturen gibt. Daher hatte ich schon früh die Idee, Videotutorials für die Community zu produzieren. Mit dem ‚Wakeboard Campus‘ möchte ich Wakeboarder*innen weltweit eine Plattform mit professionellen Videosessions zur Verfügung stellen und gleichzeitig ein Zuhause für die gesamte Community bieten. Es geht nicht nur um einzelne Tricks oder wie man die besser macht, sondern es geht auch darum, den Sportler*innen den Einstieg und das Weiterkommen im Wakeboarden zu erleichtern und sie miteinander in Kontakt zu bringen.
Hat dir dabei das Studium geholfen?
Das war eine coole Geschichte, denn in einem meiner Seminare sollten wir eine Geschäftsidee weiterentwickeln. Weil meine Gruppe die Idee des Wakeboard Campus gut fand, haben wir daran weitergearbeitet: Zielgruppen definiert, Markt- und Wettbewerbsanalysen durchgeführt, ein Geschäftsmodell aufgesetzt. Dann ging es in den StarS-Kader und zu den Sporthilfe Start-ups, wo ich das Konzept vorgestellt und Feedback erhalten habe.
Als Sporthilfe Start-up des Jahres hast du die DKB-Gründerprämie in Höhe von 12.000 Euro erhalten. Wie wirst du deine Business-Idee damit weiterentwickeln?
Mit der Prämie möchte ich zusammen mit meinem Eigenkapital und Sponsorengeldern mit der Produktion der Inhalte loslegen. Die webbasierte Plattform soll in den nächsten Monaten stehen. Parallel möchte ich über YouTube die Community aufbauen und über Instagram das Marketing vorantreiben, um dann hoffentlich zum Jahresende Investoren für die Appentwicklung gewinnen zu können.
Wie bist du eigentlich in Köln und letztlich an der Spoho gelandet?
Zwischen 2008 und 2013 war ich jedes Jahr in Köln beim Wake the Line, der inoffiziellen Freestyle Wakeboard Weltmeisterschaft im Stadionbad, die ich 2011 gewinnen konnte. Die Stadt und die Stimmung haben mir schon immer gefallen. 2014 hatte dann meine heutige Frau die Idee, nach Köln zu ziehen. Sie ist Künstlerin und Filmerin. Und da mir Köln sympathisch war und mit der Wasserskianlage Langenfeld ein guter Spot um die Ecke liegt, bin ich mit. Und dann habe ich 2019 noch meinen lang gehegten Traum verwirklicht, an der Spoho zu studieren – nachdem ich den Eignungstest im dritten Anlauf geschafft hatte. (lacht)
Ist Köln ein gutes Pflaster fürs Wakeboarden?
Köln ist in Sachen Infrastruktur fürs Wakeboarden top. Es gibt bald vier Anlagen, die ich innerhalb von einer halben Stunde erreiche und noch viele mehr, wenn ich den Radius etwas ausweite. (siehe auch Nicos Tipps unten)
Im Sommer 2022 hast du einen wichtigen Wettbewerb gewonnen, den Munich Mash. Ein besonderer Moment?
Das war das i-Tüpfelchen auf meiner Wakeboard-Karriere, die ja schon eine Weile dauert. Ich bin sehr stolz darauf, richtig lange richtig gut gewesen zu sein. Mit dem Sieg konnte ich zeigen, dass ich immer noch dabei bin, weil ich einer der Besten bin und nicht nur, weil meine Sponsoren es noch nicht geschafft haben, mich von der Payroll zu streichen. (grinst) Außerdem waren meine Frau und die Kids dabei – das war ein grandioser Moment.
Die vielen Jahre auf dem Wasser haben körperliche Spuren hinterlassen. Stürze, Verletzungen und Überlastungen kommen beim Wakeboarden häufig vor, oder?
Absolut, es ist nicht unbedingt der gesündeste Sport. Jeder, der schon mal einen Bauchplatscher vom 1-Meter-Brett gemacht hat, weiß, wie bretthart Wasser sein kann. Wir fahren mit 30 km/h durch die Anlagen, springen über Schanzen und landen im Flachen. Wenn man da falsch landet, tut das ziemlich weh. Wie viele andere habe ich daher vor allem Knieprobleme.
Wie sieht aktuell dein Training aus?
Seitdem die Kinder da sind, hat sich das verändert. Ich bin nicht so oft auf dem Wasser. Ich habe gelernt, aus wenig Wasserzeit das Maximum rauszuholen, das heißt, ich bin gut darin, wenig zu fahren und trotzdem Leistung zu bringen. Im Sommer bin ich grob jeden zweiten Tag auf dem Wasser, im Winter liegt der Fokus auf Krafttraining, Fitness, Athletik und dem Studium.
Wie finanzierst du dich, deinen Sport und deine Familie?
Das Deutschlandstipendium und die Gründerförderungen helfen uns total. Dafür, dass ich das Branding bestimmter Marken trage, bekomme ich zudem vertraglich vereinbarte Geldbeträge. Im Boardsport ist auch das Pro Model wichtig, also das Produkt mit dem Namen des Athleten. Manchmal gibt’s für Videoprojekte noch was oben drauf.
Wie chaotisch geht es bei euch zuhause eigentlich zu?
Ehrlich gesagt: ultra chaotisch. Für die Kids will man die besten Eltern sein, gleichzeitig haben meine Frau Nane und ich eigene starke Ziele, sie als Künstlerin, ich als Profisportler. Wir jonglieren Tag für Tag und manchmal fällt ein Ball runter. Gelernt haben wir, den Perfektionismus beiseite zu schieben und zu akzeptieren, dass man manchmal nicht 100 Prozent schafft.
Interview: Julia Neuburg
Gut zu wissen
Kurzvita
- geboren am 28.12.1992 im Allgäu
- seit 2019 B.A. Sportmanagement & Sportkommunikation
- verheiratet mit Nane, zwei Söhne (5 und 2)
- Wohnort: Köln
Wakeboard-Highlights
- Signature Board: eigenes Wakeboard-Modell „Peak” für die Marke Liquid Force von Ehefrau Nane designt
- Signature Features: vier Wakepark-Elemente (Features) mit dem Hersteller UNIT entwickelt
- Freestyle Wakeboard Weltmeister (Wake the Line 2011), Gewinner Munich Mash 2022
- Wasserski Langenfeld: über 50 Features (Hindernisse) verteilt auf sechs Seilbahnen – vier Rundkurse (Full-Size-Cables) und zwei Minibahnen (System 2.0); zwischen Köln und Düsseldorf; www.wasserski-langenfeld.de
- Wakebeach257!: Straberg-Nievenheimer See in Dormagen, Full-Size-Cable und Minibahn; www.wakebeach.de
- DOCK5: Badesee Düren, Sechsmastseilbahn und Minibahn; www.dock5.eu
- Wasserski Wedau: Margaretensee im Sportpark Duisburg, zwei Full-Size-Cables; www.wasserski-wedau.de
- Wakepark Triolago: nahe Trier, ein Rundkurs; www.wakepark-triolago.de
- Wasserski Bleibtreusee: Brühl nahe Köln, Full-Size-Cable und Minibahn; www.wasserski-bleibtreusee.de
- WakeClubCologne: geplant bzw. Bauarbeiten haben begonnen, Wasserskianlage Rather See in Köln-Neubrück mit zwei Rundkursen und einer Anfängerbahn; www.facebook.com/WakeClubCologne