Interview
Univ.-Prof.'in Dr. Ilse Hartmann-Tews war 35 Jahre lang an der Sporthochschule tätig, von 1997 bis 2014 als Professorin für Geschlechterforschung, anschließend bis 2022 als Professorin für Soziologie und Sportsoziologie und als Leiterin des Instituts für Soziologie und Genderforschung. Jetzt engagiert sie sich ehrenamtlich gegen Gewalt im Sport und ist Vorstandsmitglied von Safe Sport e.V., ein gemeinnütziger Verein, der im Dezember 2022 gegründet wurde und seit Juli 2023 die Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Sport leitet.
Wann sind Sie erstmals mit dem Thema sexualisierte Gewalt im Sport in Kontakt gekommen?
Das war Ende der 1990er Jahre, als Michael Klein und Birgit Palzkill eine Studie über Gewalt gegen Mädchen und Frauen im Sport veröffentlicht hatten. Die Autor*innen bekamen immensen Gegenwind von Seiten des organisierten Sports. Ihre Arbeit wurde diskreditiert und sie waren erheblichen persönlichen Angriffen ausgesetzt. Beides, Thema und Reaktionen, haben mich und Bettina Rulofs hellhörig werden lassen.
2010 wurde der Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch gegründet. Was änderte sich dadurch?
In der Sportpraxis gab es damals viele engagierte Menschen, denen das Thema am Herzen lag. Es bestand aber ein klares Forschungsdefizit, weil es keine belastbaren Zahlen gab. Wir wurden als Arbeitsgruppe an der Schnittstelle von Soziologie und Genderforschung konkret angesprochen, einen Forschungsantrag einzureichen. Daraus entstand die erste Studie über sexualisierte Gewalt im Sport »Safe Sport« .
Hat sich da schon abgezeichnet, dass sich die Spoho mit diesem Thema so platzieren kann?
Nein, das war nicht absehbar und hätte ich so auch nie erwartet. Die umfassende und interdisziplinäre Herangehensweise der Studie sowie die vielen transferbezogenen Aktivitäten drumherum haben insgesamt zu einer hohen Akzeptanz geführt.
Was sind die Anliegen des Safe Sport e.V.?
Aus unseren Studien zeichnete sich die Notwendigkeit einer vom Sport unabhängigen Institution zur Intervention bei und Aufklärung von Vorfällen interpersonaler Gewalt im Sport ab. Der erste Schritt in diese Richtung war 2022 die Gründung des Vereins Safe Sport e.V. durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat und alle 16 Bundesländer. Zweck des Vereins ist es, Betroffenen und ihrem Umfeld bei erlebter oder beobachteter interpersonaler Gewalt eine unabhängige psychologische und/oder juristische Beratung jenseits der sportverbandlichen Strukturen anzubieten. Wir sehen jetzt, nach eineinhalb Jahren, dass sich immer mehr Betroffene bei uns melden, ebenso wie Angehörige/Partner*innen und Zeug*innen und dass die Fälle teils komplexer werden.
Was machen Sie als Vorsitzende?
Unsere Aufgabe war zunächst, die Ansprechstelle zu etablieren. Wir haben Räume in Berlin angemietet, je eine qualifizierte Juristin und Psychologin für die Beratung rekrutiert und ein Büromanagement installiert. Jetzt geht es darum, das Qualitätsmanagement unserer Dienstleistungen, der Dokumentation der Beratungsfragen sowie des Marketings sicherzustellen und intensive Netzwerkarbeit zu betreiben. Ziel ist es, durch die Qualität der Beratungen ein Maximum an Reputation aufzubauen und damit als Unabhängige Ansprechstelle möglichst vielen Betroffenen und ihrem Umfeld helfen zu können.
Kontakt

Ilse Hartmann-Tews
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