Sicher im Wasser

Zwischen Abzeichen und Können: Freischwimmer auf dem Prüfstand

Das Deutsche Schwimmabzeichen in Bronze, auch Freischwimmer genannt, gilt als beleg dafür, dass Kinder sicher schwimmen können und sich alleine im Wasser aufhalten dürfen. Bei Klassenfahrten beispielsweise muss es vorgelegt werden, damit Kinder an Wasseraktivitäten teilnehmen dürfen. Umso wichtiger ist es, dass das Abzeichen Qualitätsstandards entspricht und nach einheitlichen Normkriterien vergeben wird. In einem aktuellen Forschungsprojekt nehmen die Deutsche Sporthochschule Köln und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) den bundesweit anerkannten Nachweis für das sichere Schwimmen unter die Lupe.

Studien belegen, dass immer weniger Kinder sicher schwimmen können. Doch was bedeutet „sicher“ schwimmen können genau? „An dieser Definition haben wir sehr lange gearbeitet“, sagt Dr. Harald Rehn. Der 64-Jährige ist Referent für den Bereich Ausbildung und Prävention innerhalb der DLRG. Er erklärt: „Um ein Abzeichen ausstellen zu können, das grundlegendes Können und Wissen für sicheres schwimmen bescheinigt, ist ein einheitliches Verständnis darüber unabdingbar. Wir haben intensiv, verbandsübergreifend und mit Vertretern der Kultusbehörden, an der Novellierung der Deutschen Prüfungsordnung gearbeitet und schließlich 2019 eine klare Definition für Deutschland erarbeitet.“ In ihr ist folgendes festgelegt:

Sicheres schwimmen im Tiefwasser wird durch ein qualitativ hohes Niveau des Könnens und durch Sprünge ins Tiefwasser, einschließlich des selbständigen Verlassens des Wassers ohne Hilfsmittel gekennzeichnet. Weiterhin können beliebige Änderungen der Schwimmlage und der Fortbewegungsrichtung im tiefen Wasser sowie eine vielseitige Anwendung der erlernten Schwimmtechniken (Schwimmarten) erfolgen.

„Es sind im Wesentlichen die Leistungen, die im Deutschen Schwimmabzeichen in Bronze abgeprüft werden“, ordnet Harald Rehn ein. So weit so gut. Doch wie sieht es in der Praxis aus?
„Um eine verlässliche Auskunft über das Können und Wissen zu erhalten, ist es notwendig, dass die Prüfenden gleich bewerten und abnehmen“, sagt Dr. Ilka Staub. Sie ist Wissenschaftlerin am Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten und führt aktuell gemeinsam mit der DLRG eine Studie durch, die genau das untersucht. „Wir haben 1.282 Personen aus ganz Deutschland befragt, wie sie die einzelnen Anforderungen an das Schwimmabzeichen Bronze prüfen. Die Befragten sind schulische Lehrkräfte, lizensierte Schwimmlehrkräfte, Fachkräfte aus den Bädern, Ausbildende sowie Trainerinnen und Trainer der DLRG und dem Deutschen Schwimm-Verband.“ Die Befragung zeigt zwei bedeutsame Aspekte: Positiv ist, dass sechs von sieben abgefragten Prüfungsschwerpunkten zu 90% vergleichbar geprüft werden. Es  zeigen sich aber deutliche Reserven bei der Auslegung der deutschlandweit gültigen Prüfungsordnung und der Vorgehensweise bei den Prüfungen. Ilka Staub nennt ein konkretes Beispiel: „27 Prozent der Befragten gaben an, zumindest teilweise das Tragen von Schwimmbrillen während der Prüfung zuzulassen.“ Dies ist laut DLRG-Referent Rehn jedoch nicht erlaubt. „Sichere Schwimmerinnen und Schwimmer müssen in der Lage sein, sich unter Wasser ohne Schwimmbrille zu orientieren und zielgerichtet zu bewegen, um zum Beispiel nach einem Sturz ins Wasser wieder an die Oberfläche zu gelangen.“ Die Befragung zeigt auch, dass Prüferinnen und Prüfer an einigen Stellen die zu erbringenden Leistungen unbewusst oder bewusst abwandeln, ergänzen oder nicht vollständig abnehmen. So verlangen einzelne (3%) ihren Schwimmschüler*innen eine längere Schwimmdauer ab und sogar jeder Dritte (35%) fordert mehrere erfolgreiche Tieftauchversuche. 12% verzichten auf die Prüfung des Lagewechsels während des Schwimmens.

„Die Befragungsergebnisse haben uns ein Spektrum möglicher Auslegungen zur Abnahme der Prüfungsanforderungen aufgezeigt. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, standardisierte Kriterien für dieses Vorgehen bei einer Prüfungsabnahme zu entwickeln, die das Qualitätsmerkmal der Vergleichbarkeit verbessern“, skizziert Dr. Ilka Staub das weitere Vorgehen. Dr. Harald Rehn: „Es ist doch ganz klar: Die empirische Erarbeitung dieses Standards für Vergleichbarkeit ist aus der Sicht der DLRG ein unverzichtbarer Schritt. Denn es gibt nichts Gutes, das man noch besser machen könnte. Erst recht nicht, wenn es um die Sicherheit geht. Das ist auch die plausible Begründung für unsere Initiative dieser wissenschaftlichen Kooperation mit den Kölner Kolleginnen und Kollegen.“

Das gemeinschaftliche Forschungsvorhaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft und der Deutschen Sporthochschule Köln läuft noch bis Ende nächsten Jahres. Im Anschluss wird das Projekt modifiziert für das Rettungsschwimmen im Zeitraum 2026 bis 2028 fortgesetzt.

Schwimmabzeichen Bronze

Anforderungen

Theoretisch

  • Kenntnis von Baderegeln

Praktisch

  • Sprung kopfwärts vom Beckenrand und 15 min Schwimmen (mind. 200 m), davon 150 m in Bauch- oder Rückenlage in einer erkennbaren Schwimmart und 50 m in der anderen Körperlage
  • Tieftauchen (ca. 2 Meter) von der Wasseroberfläche mit Heraufholen eines Gegenstandes
  • Paketsprung vom Startblock oder 1 m-Brett