Gemeinsam für mehr Sicherheit im Wasser
Im Interview erzählen Spoho-Wissenschaftlerin Dr. Ilka Staub und DLRG-Referent Dr. Harald Rehn mehr zu dem aktuellen Forschungsprojekt, warum eine einheitliche Abnahme des Bronze-Schwimmabzeichens wichtig ist und wie es mit dem Projekt weiter geht.
Können wirklich immer weniger Kinder schwimmen?
Rehn: Leider ist das tatsächlich so. Die Zahl der Grundschulkinder, die nicht sicher schwimmen können, hat sich 2022 im Vergleich zu 2017 noch einmal verdoppelt. Seit 2019 gibt es eine einheitliche Definition, was sicheres schwimmen überhaupt bedeutet. Sie zeigt deutlich: Die Schwimmfähigkeit der Kinder in Deutschland hat sich dramatisch verschlechtert.
Ab wann kann man sagen, dass ein Kind sich sicher im Wasser bewegt, also schwimmen kann?
R: Sicheres schwimmen bedeutet, dass ein Kind sich angstfrei und souverän im Wasser bewegt, sich über Wasser halten kann und eine gewisse Strecke zurücklegt. Technisch betrachtet umfasst dies das Schwimmen im tiefen Wasser, Sprünge ins Wasser und das selbstständige Verlassen des Wassers ohne Hilfsmittel.
Staub: Ein wichtiger Aspekt ist auch die kognitive Reife. Ein Kind muss Gefahren im Wasser erkennen und die eigenen Fähigkeiten einschätzen können.
Wofür steht das Bronze-Schwimmabzeichen?
S: Ursprünglich, ab etwa 1977, waren Schwimmabzeichen als Motivation gedacht und um einen Lernfortschritt zu dokumentieren. Mit der Reform 2019 hat das Bronze-Abzeichen jedoch einen neuen Stellenwert bekommen. Es wird nun häufig als offizielle Voraussetzung genutzt, um etwa ohne Begleitung ins Schwimmbad zu dürfen oder an Wassersportangeboten teilzunehmen.
R: Das Bronze-Abzeichen ist ein standardisierter Nachweis, dass ein Kind grundlegende Schwimmfähigkeiten sicher beherrscht. Es wurde in Abstimmung mit der Kultusministerkonferenz und anderen Fachverbänden erarbeitet und gilt deutschlandweit einheitlich. Im Rahmen der Kultushoheit der Länder ist so etwas nicht unbedingt selbstverständlich.
Warum war es der DLRG wichtig, die Abnahme des Bronze-Schwimmabzeichens zu überprüfen?
R: Als DLRG stehen wir für Sicherheit im Wasser. Es reicht nicht aus zu behaupten, dass das Bronze-Abzeichen sicheres schwimmen bedeutet – wir wollen es auch beweisen.
S: Die Prüfungsordnung ist durch die Gründungsväter bewusst sehr knapp und prägnant formuliert. Uns wurde in Studien klar, dass die knappen Formulierungen auch unterschiedliche Auslegungen begründen. Die Abnahme in der Praxis erfolgt daher, durchaus verständlich, in einigen Punkten unterschiedlich. Unser Ziel ist es, mit klaren Kriterien als Vorgaben für die Prüfungsabnahme eine einheitliche Grundlage zu schaffen, damit das Bronze-Abzeichen tatsächlich die gleiche Aussagekraft hat – unabhängig davon, wo es erworben wurde.
Erzählen Sie uns etwas zu dem wissenschaftlichen Vorgehen …
S: Unser Forschungsprojekt ist in drei Schritte gegliedert. Zuerst haben wir eine deutschlandweite Befragung von Ausbilderinnen und Ausbildern durchgeführt. Dabei ging es um die konkrete Praxis der Abnahme des Bronze-Abzeichens. Fast 1.300 Personen haben teilgenommen. In einem nächsten Schritt wird ein Expertengremium aus Multiplikatoren aus ganz Deutschland objektive Prüfungskriterien festlegen. Abschließend testen wir diese Kriterien in einer videogestützten Untersuchung, um die Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit zu überprüfen.
Was sind die prägnantesten Ergebnisse?
R: Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass es bei vielen Kriterien bereits eine sehr hohe Übereinstimmung bei den Prüfungsabnahmen gibt. Allerdings gibt es auch Bereiche wie etwa die Abfrage der Baderegeln, wo die Durchführung sehr unterschiedlich ist. Hier müssen wir für mehr Klarheit und Standardisierung sorgen.
S: Ein weiteres zentrales Ergebnis ist, dass einige wenige Prüferinnen und Prüfer bewusst von den offiziellen Vorgaben abweichen. Das ist jedoch besonders kritisch, weil das Bronze-Abzeichen inzwischen eine zentrale Rolle für die Sicherheit im Wasser hat.
Wie geht es jetzt weiter?
S: Wir befinden uns derzeit in der zweiten Phase, in der ein Expertengremium konkrete Vorschläge für standardisierte Kriterien im Vorgehen bei der Prüfungsabnahme erarbeiten soll. Diese Vorschläge werden wir dann in realen und videogestützten Tests überprüfen, um ihre Vergleichbarkeit sicherzustellen. Ziel ist es, bis 2026 eine belastbare und objektive Grundlage zu schaffen.
Eine persönliche Frage zum Schluss: Wann haben Sie Schwimmen gelernt und wie?
R: Ich war in meiner Kindheit regelmäßig im Sommer an der Ostsee, konnte schon sehr früh tauchen und unter Wasser schwimmen. Ich war eine richtige Wasserratte. Nur über Wasser wollte es nicht klappen. Mit acht Jahren ist meine Mama dann mit mir im Freibad zum Bademeister gegangen, der mir das Schwimmen beibringen sollte. Das war dann gar nicht mehr notwendig, ich bin auf Anhieb geschwommen und habe die erste Stufe absolviert.
S: Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen und habe das Schwimmen sehr traditionell auf einer Mittelbahn in einer Erfurter Schwimmhalle gelernt: Mit Schwimmgurt solange schwimmen, bis Bein- und Armschlag funktionieren und dann immer mehr Stücke vom Gurt abnehmen. Da war ich fünf.