„Nachhaltigkeit ist immer ein Aushandlungsprozess“

Professor Roth, Sportgroßveranstaltungen und Nachhaltigkeit. Geht das überhaupt zusammen?
Sportgroßveranstaltungen wie Weltmeisterschaften oder gar die Olympischen Spiele sind eine große Chance und Herausforderung für die Ideen einer nachhaltigen Entwicklung. In Deutschland gibt es jährlich bis zu 200 Sportgroßveranstaltungen entsprechend der Definition aus der Nationalen Strategie, dazu kommen 3.000 Ligaspiele, 3.000 Laufveranstaltungen. Insgesamt haben wir mehr als 200.000 Sportveranstaltungen unterschiedlicher Größen. Aus der Verantwortung des Sports heraus, sollten wir die ökologischen und sozialen Risiken grundsätzlich minimieren. Gleichzeitig besitzen Sportveranstaltungen eine enorme transformative Kraft, um gesellschaftlichen Wandel zu unterstützen. Sie können mit ihrer Reichweite ein verlässlicher Multiplikator sein und umweltgerechtes und soziales Verhalten fördern. Nachhaltigkeit ist ein Prozess und kein feststehendes Konzept. Es wird niemals die „nachhaltige“ Weltmeisterschaft geben. Es geht darum, ökologische, soziale und ökonomische Aspekte konkret zu stärken und dabei flexibel auf das jeweilige Veranstaltungsformat einzugehen. Der Sport gibt auch bei Veranstaltungen mehr als er nimmt. Es braucht die komplementäre Betrachtung.

Die Olympischen Spiele 2024 in Paris wurden als die nachhaltigsten Spiele aller Zeiten beworben. Waren sie es?
Es gab in Paris einzelne Handlungsfelder, die gut umgesetzt wurden. Insgesamt lässt sich jedoch nicht sagen, dass Olympische Spiele konsequent an nachhaltigen Prinzipien wie Effizienz, Transparenz und Suffizienz ausgerichtet sind. Die nachhaltigkeitsbezogenen Analysen zeigen deutlich, dass in vielen Bereichen noch dringender Handlungsbedarf besteht. Das zeigt sich im Übrigen auch bei den begleitenden Wirtschaftsunternehmen und Sponsoren – aber alle sind gemeinsam auf dem Weg.

Was muss getan werden, um Nachhaltigkeit im Sport voranzutreiben?
Es ist wichtig, dass die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in Netzwerken und konkreten Partnerschaften noch stärker zusammenwirken. Außerdem müssen die Verantwortlichen in Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, in Städten und Regionen, in Sportorganisationen, Naturschutzverbänden, Unternehmen und Initiativen eigenverantwortlich Programme und Projekte für einen nachhaltigen Sport auf den Weg bringen. Dafür benötigen sie Unterstützung. Bildung und Forschung übernehmen hier wichtige Aufgaben. Sie schaffen und vermitteln die nötigen Grundvoraussetzungen an Wissen, Ideen und Kompetenzen. In der öffentlichen Nachhaltigkeitsdebatte wird vielerorts ein düsteres Szenario gezeichnet, das mit Unsicherheit und Überforderung einhergeht und nicht mit Mut und Gestaltungswille. Wir brauchen glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategien und Zukunftsbilder, die positiv und einladend sind, die Ängste abbauen und Menschen befähigen, aktiv zu handeln.

Wie stehen Sie zur deutschen Olympia-Bewerbung 2040?
Ich sehe große Chancen für eine erfolgreiche Bewerbung, sofern der Prozess ehrlich und transparent gestaltet wird. Wir brauchen Mut und Zuversicht und gleichzeitig einen Aktionskreis, der über den DOSB hinausgeht und die wichtigen gesellschaftlichen und politischen Akteure einbindet. Eine schlüssige Standortsentscheidung und  ein nachhaltiges Gesamtkonzept mit einer tragfähigen Finanzierung werden entscheidend sein.

Warum wird dem Sport in puncto Nachhaltigkeit so viel zugetraut und welche Rolle spielen Universitäten in dem Kontext?
Der Sport ist ein gesellschaftliches Phänomen. Er bringt Menschen in Bewegung und Gemeinschaft. Er ist in sich einzigartig, weil er auf Emotionen und direkte Kommunikation setzt. Unsere Lehrenden und Studierenden sind nicht nur Fachleute für Bewegung und Menschen, sondern auch erfahrene Kommunikationsprofis. Dennoch gilt auch hier: Nachhaltigkeit ist immer ein Aushandlungsprozess, der nicht kostenlos zu haben ist.

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Ralf Roth

Seit 1998 leitet der 62-Jährige das Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung der Deutschen Sporthochschule Köln. Als Vorstandsmitglied und Vorsitzender ist er unter anderem bei der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft e.V., der Stiftung Sicherheit im Skisport und dem Beirat Umwelt und Sport des Bundesumweltministeriums aktiv. Er ist Herausgeber der Fachzeitschrift Ski &Berge Wissen und leitet an der Sporthochschule den Masterstudiengang Sporttourismus und Destinationsmanagement. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Sporttourismus, Destinationsentwicklung sowie nachhaltige Sportgroßveranstaltungen. Im Fokus seiner Forschung steht die Entwicklung von Infrastrukturen, Umweltbedingungen und Settings im Outdoor-Sport – insbesondere im Hinblick auf ihre Rolle in nachhaltigen Transformationsprozessen.

Wir brauchen glaubwürdige Nachhaltig­keitsstrategien und Zukunftsbilder, die positiv und einladend sind, die Ängste abbauen und Menschen befähigen, aktiv zu handeln.

Prof. Ralf Roth, Leiter Outdoor Sport und Umweltforschung

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