Meinung!

Muss sich der Sport in puncto Nachhaltigkeit positionieren? Und wenn ja, wie tut er das? Wir wollten wissen, wie unterschiedliche Interessenträger*innen diese Frage beantworten, und haben sie um einen Kommentar gebeten.

In den 86.000 Sportvereinen in Deutschland ist nachhaltiges Handeln längst gelebte Praxis – sei es durch gesundheitsfördernde Bewegungsangebote, gemeinschaftliches Engagement oder umweltbewusste Initiativen.

Lena Recktenwald, Referentin für Nachhaltigkeit beim DOSB

Wenn wir Nachhaltigkeit in unser Denken und Tun integrieren, inspirieren wir nicht nur unsere Studierenden, sondern die gesamte Sportwelt.

Prof. Ansgar Thiel, Rektor der Deutschen Sporthochschule

Zwei Meinungen

Lena Recktenwald / DOSB

28,8 Millionen Mitgliedschaften zählte der Deutsche Olympische Sportbund im Jahr 2024. Mehr als je zuvor. Hinter diesen 28,8 Millionen Mitgliedschaften stecken die verschiedensten Gesichter – von Kindern und Erwachsenen, kleinen und großen Leuten, Menschen mit und ohne Behinderung, Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Ganz egal ob Tischtennis-training am Mittwochabend oder das Fußball-Bundesligaspiel am Samstagnachmittag – Sport bringt Menschen zusammen, verbindet Kulturen und Generationen. Er bewegt nicht nur Individuen, sondern auch unsere Gesellschaft. Doch was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? Eine ganze Menge! Diese enorme Reichweite des Sports macht ihn zu einer einzigartigen Plattform, um gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit voranzutreiben. In den 86.000 Sportvereinen in Deutschland ist nachhaltiges Handeln längst gelebte Praxis – sei es durch gesundheitsfördernde Bewegungsangebote, gemeinschaftliches Engagement oder umweltbewusste Initiativen. Sportvereine vermitteln weit mehr als nur körperliche Fitness: Sie fördern von klein auf Werte wie Fairplay, Toleranz und Teamgeist. Hier lernen Menschen, andere Perspektiven einzunehmen, sich aktiv zu beteiligen und Mitbestimmung zu erleben – gelebte Demokratie in ihrer besten Form. Inklusion und Teilhabe sind keine abstrakten Konzepte, sondern Teil des sportlichen Miteinanders.

Gleichzeitig steht auch der Sport vor den Herausforderungen des Klimawandels – doch er ist nicht nur betroffen und muss sich anpassen, sondern übernimmt aktiv Verantwortung. Viele Vereine setzen bereits auf nachhaltige Lösungen, sei es durch umweltfreundliches Equipment, gemeinschaftliche Clean-up-Aktionen bis hin zum Einsatz von Photovoltaikanlagen auf Vereinsdächern.

Egal ob durch die aktive Mitwirkung an Projekten, das Engagement im Team oder die persönliche Übernahme von Verantwortung – Sportvereine machen Nachhaltigkeit erlebbar und integrieren sie so spielerisch in den Alltag. Vereine fungieren als Multiplikatoren, die diese Werte weitergeben und damit einen bedeutenden Beitrag zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft leisten.Was im Kleinen bereits geschieht, wirkt auch im Großen: Denn auch Sportveranstaltungen können weit mehr als nur sportliche Höchstleistungen und emotionale Momente liefern. Sie haben das Potenzial, Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit zu setzen und ein breites Publikum für umweltfreundliche, inklusive und zukunftsweisende Konzepte zu sensibilisieren.

Ein Beispiel dafür sind die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris 2024. Die Veranstalter hatten sich das ambitionierte Ziel gesetzt, die nachhaltigsten Spiele der Geschichte auszurichten. So hat Paris neue Maßstäbe gesetzt: eine nahezu ausgeglichene Anzahl an Medaillenwettbewerben für Männer und Frauen, 95 % der Wettkampfstätten wurden entweder bereits genutzt oder temporär errichtet und 90 % des Equipments fanden eine Wiederverwendung. Doch Paris 2024 setzte nicht nur ökologische Standards – auch gesellschaftlich wurde ein starkes Zeichen gesetzt. Ein landesweites Programm brachte 26.000 Kindern das Schwimmen bei und in Frankreichs Schulen wurde eine tägliche Stunde Bewegung eingeführt. Auch die UEFA EURO 2024 in Deutschland stellte Nachhaltigkeit bewusst in den Fokus und hatte ein eigenes Nachhaltigkeitskonzept vorgelegt, wie dieses Event umweltfreundlicher, sozial gerechter und inklusiver umgesetzt werden sollte. Zwar bleiben weder die Olympischen und Paralympischen Spiele noch die EURO 2024 frei von Kritik, doch sie erreichen vor allem eines: Dem Thema Nachhaltigkeit wird im Sport eine Plattform gegeben, es wird diskutiert und sichtbar.

Vereine bewegen Zukunft
Um das Potenzial nachhaltiger Sportevents weiter zu stärken, wurde das Webportal www.nachhaltige-sportveranstaltungen.de ins Leben gerufen. Das gemeinsame Projekt der Deutschen Sporthochschule Köln, des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Öko-Instituts – gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sowie das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) – liefert wissenschaftlich fundierte Ansätze, wie Sportveranstaltungen in allen Dimensionen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft beitragen können.

Sportgroßveranstaltungen setzen wichtige Impulse und inspirieren. Doch die wahre Veränderung beginnt dort, wo Nachhaltigkeit täglich gelebt wird: in den Sportvereinen. Sie sind weit mehr als Orte der Bewegung – sie sind lebendige Treffpunkte für Nachhaltigkeit, Bildung und Gemeinschaft. Sie sind der Herzschlag zur Veränderung einer nachhaltigen Zukunft. Dabei wird es entscheidend bleiben, das Potenzial in den Vereinen zu nutzen und die Reichweite und Strahlkraft von Sportveranstaltungen, denn beide bewegen unsere Gesellschaft mit Ideen für eine nachhaltige Zukunft.

Prof. Ansgar Thiel / Spoho-Rektor

Sport ist weit mehr als nur Wettkampf und Unterhaltung – er ist Spiegel für gesellschaftliche Entwicklungen und kann als kraftvoller Motor für nachhaltigen Wandel fungieren. Doch diese Rolle erfordert die Übernahme von Verantwortung. Der Klimawandel ist ein gutes Beispiel hierfür. Die globale Erwärmung ist auch für den Sport längst nicht mehr nur eine abstrakte Bedrohung, sondern hat bereits konkrete Auswirkungen: Steigende Temperaturen, extreme Wetterereignisse und Luftverschmutzung beeinflussen nicht nur Trainings- und Wettkampfleistungen, sondern auch die Gesundheit der Sportler*innen. Gleichzeitig trägt der Sport selbst zur Umweltbelastung bei – sei es durch energieintensive Sportstätten, Großveranstaltungen oder hohe Reiseaktivitäten. Doch es gibt Lösungen. Der Sport kann als Vorbild vorangehen: Klimaneutrale Stadien, nachhaltige Events, ressourcenschonende Produktion von Sportausrüstung und die Förderung von umweltfreundlicher Mobilität – all das sind Maßnahmen, die zeigen, wie Nachhaltigkeit und Sport Hand in Hand gehen können. Sportorganisationen, Verbände und Vereine stehen vor der Herausforderung, nicht nur Umweltaspekte in ihre Planungen zu integrieren, sondern diese auch als Teil ihrer Identität zu begreifen. Darüber hinaus kann der Sport dazu beitragen, Menschen resilienter gegenüber Umweltveränderungen zu machen – körperliche Fitness hilft, sich besser an klimatische Herausforderungen anzupassen und gesundheitliche Risiken zu minimieren.

Doch Nachhaltigkeit ist weit mehr als zukunftsorientiertes klimabezogenes Handeln. Nachhaltiges Handeln impliziert auch die Förderung der Gesundheit der Menschen sowie die Übernahme einer sozialen Verantwortung. Der Sport ist hierfür ideal. Sport und Bewegung sind die langfristig wohl effektivsten und kostengünstigsten Mittel, chronisch-degenerativen Erkrankungen vorzubeugen, was für eine alternde Gesellschaft von besonderer Relevanz ist. Der Sport schafft aber auch Gemeinschaft in einer zunehmend individualisierten Welt und vermittelt Werte wie Fairness, Respekt und Zusammenhalt. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung kann der Sport Brücken bauen und ein Bewusstsein für nachhaltiges Denken und Handeln schaffen. Denn nachhaltiges Handeln bedeutet auch, nach sozialer Gerechtigkeit zu streben. Der Sport kann die gesellschaftliche Integration fördern und als Plattform für wichtige gesellschaftliche Debatten dienen. Besonders im Breitensport gibt es zahlreiche Möglichkeiten, nachhaltige Projekte zu initiieren – sei es durch inklusive Sportangebote, die Förderung von Diversität oder die gezielte Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien.

Nachhaltigkeit im Sport ist also nicht nur ein Randthema. Nachhaltige Entwicklung zu sichern, heißt, Umweltbewusstsein, Gesundheit und soziale Verantwortung zu fördern. Nachhaltiges Handeln muss in diesem Sinne integraler Bestandteil einer zukunftsorientierten Sportentwicklung werden.

Der Sport war schon immer ein Katalysator für gesellschaftlichen Fortschritt – ob beim Thema Inklusion, Gleichberechtigung oder globalem Frieden. Jetzt muss er diese Rolle auch im Bereich Nachhaltigkeit übernehmen. Es reicht nicht, Nachhaltigkeit als Nebensache zu behandeln – der Sport muss sich aktiv und sichtbar positionieren. Eine klare Strategie und ein entschlossenes Handeln sind essenziell, um nachhaltige Veränderungen nicht nur zu fordern, sondern selbst mitzugestalten.

Zeit für klare Positionen
Dazu gehört auch, Nachhaltigkeit nicht nur als Trend zu begreifen, sondern als langfristiges Konzept, das sich durch alle sportlichen Strukturen zieht – von der Basis bis zum Spitzensport. Für die Verbreitung eines Bewusstseins für Nachhaltigkeit ist der Sport sehr gut geeignet. Die Akteure des Sports haben eine enorme Strahlkraft und können durch ihre Vorbildfunktion gesellschaftliche Prozesse anstoßen. Wenn prominente Sportler*innen öffentlich nachhaltige Werte vertreten und sich für umweltfreundliche sowie soziale Initiativen einsetzen, erreicht das viele Menschen und kann dadurch zu einem Umdenken breiter Bevölkerungsschichten beitragen.

Bei der Schaffung einer zukunftsfähigen Sportwelt müssen Sportverbände, Vereine und Schulen eine zentrale Rolle spielen. Als führende Institution im Bereich der Sportwissenschaft muss aber auch die Deutsche Sporthochschule Köln einen wichtigen Beitrag bei der Förderung von Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit im und durch Sport leisten. Wir haben die Möglichkeit – und die Verantwortung –, nachhaltige Prinzipien in Forschung, Lehre und unser eigenes Handeln zu integrieren. Dazu gehören eine nachhaltige Veranstaltungsplanung und Campusgestaltung ebenso wie Forschung, die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeitsaspekte im Sport untersucht und zur Entwicklung von Konzepten für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen beiträgt. Und nicht zuletzt haben wir den Auftrag, in unseren Bachelor-, Master- und Weiterbildungsstudiengängen Lehrer*innen, Trainer*innen und Entscheidungsträger*innen des Sports in nachhaltigem Denken und Handeln auszubilden. Unsere Absolvent*innen werden die Entwicklung des Sports mitgestalten – und können die Weichen für eine nachhaltigere Sportwelt stellen. Durch gezielte Schulungen und innovative Lehrkonzepte können wir dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit nicht nur theoretisch diskutiert, sondern praktisch gelebt wird.

Als Universität dürfen wir uns nicht auf Forschung und Lehre beschränken, sondern wir müssen auch unsere Erkenntnisse in die Gesellschaft transferieren. Und wir müssen durch unser eigenes Handeln Zeichen setzen. Wenn wir Nachhaltigkeit in unser Denken und Tun integrieren, inspirieren wir nicht nur unsere Studierenden, sondern die gesamte Sportwelt.