Vorwärts Spoho 98
Nachhaltigkeit vorleben statt vorgeben
Der Amateurfußballverein, gegründet von Studierenden der Sporthochschule, hat letztes Jahr den Nachhaltigkeitspreis im Bereich „Sportverbände und -vereine“ gewonnen. Für Lea Wippermann, 2. Vorsitzende und Nachhaltigkeitsbeauftragte, „eine schöne Wertschätzung“. Noch schöner fände sie, wenn ihr Verein kein Pilotprojekt bleibt. Aber wie sieht nachhaltiges Wirtschaften in einem Fußballverein genau aus?
Zwischen Lockdown, Inzidenz und R-Wert gründet sich 2021 in der Vereinszentrale des Fußballvereins Vorwärts Spoho 98 die AG Nachhaltige Entwicklung. Das Ziel: Nachhaltigkeit langfristig in der Vereins-DNA verankern und einen Beitrag zur Agenda 2030 leisten. Die AG organisiert sich in sechs Arbeitsgruppen: Gastronomie, Platzanlage, Material/Ausstattung, Soziales Engagement, Zertifizierung und Prozesssteuerung. Seit drei Jahren wird der Verein vom TÜV Rheinland als deutschlandweit erst zweiter Amateurverein auf Nachhaltigkeit nach dem ZNU-Standard für nachhaltiges Wirtschaften zertifiziert. Dabei verfolgt der Verein einen ganzheitlichen Ansatz, steckt sich jährlich Ziele im Bereich Ökonomie, Ökologie und Soziales.
So sind die Trikots, mit denen gespielt wird, recycelt und fair produziert. Auch die Bälle, die übers Feld gekickt werden, sind fairtrade. Im Vereinsheim ist das Essen bio und regional, bei Veranstaltungen gibt’s Tofu statt Bratwurst – aus Mehrweg statt Einweg. Hochbeete und Nistkästen heißen Hummel und Rotkehlchen willkommen. Und die Anreise? Bitte nur mit dem Fahrrad. „Die Anlage ist autofrei. Wir haben viel für die Anfahrt mit dem Fahrrad getan, es gibt sogar eine kleine Fahrradwerkstatt“, sagt Lea Wippermann. Außerdem „wurde die Beleuchtung rund ums Vereinsheim auf LED umgestellt“ und „auch, wie viel Wasser wir beim Händewaschen und Duschen verbrauchen, ist festgelegt“. Die nächsten großen Wunschetappen in puncto Nachhaltigkeit? „Verkehr! Wir würden sehr gerne einen E-Bus und ein Lastenrad haben, damit wir Auswärtsfahrten, Mannschaftsfahrten und Einkäufe damit machen können“, sagt die Nachhaltigkeitsbeauftragte. Ein folgerichtiges Ziel. Aus dem Positionspapier Nachhaltiger Sport 2030 vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, kurz BMUV, geht hervor: Rund 6 % aller Wege im Personenverkehr entfallen explizit auf den Zweck, aktiv Sport zu treiben. Das Auto ist für Wege im Sport das Hauptverkehrsmittel.
Bei der Umsetzung ihrer Ziele und Projekte helfen auch Förderungen aus öffentlichen Geldern. Eine Spezialistin kämpft sich dafür durch den Paragrafendschungel, was nicht heißt, dass die anderen AG-Mitglieder sich entspannt zurücklehnen.
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„Wir suchen Förderungen raus, behalten gemeinschaftlich Deadlines im Blick, überlegen, mit was für Projekten wir uns bewerben“, erklärt Wippermann den Workflow. Solche Förderungen seien eine super Möglichkeit, die Maßnahmen deutlich schneller umzusetzen. Auch weil der Verein sich komplett aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Die AG selbst zählt mittlerweile 30 ehrenamtliche Mitglieder.
Neben ökologischen und ökonomischen Zielen spielen auch soziale Themen eine große Rolle. So hat der Verein einen Fördertopf ins Leben gerufen, der die Mitgliedsbeiträge derer trägt, die diese sonst vor Probleme stellen würde. „Ein weiterer Schwerpunkt ist die Förderung von Mädchen und Frauen“, ergänzt die Spoho-Absolventin. Und: Seit Januar gibt’s eine Inklusionsmannschaft im Verein. Dass Diversität und Vielfalt nicht einfach nur hohle Phrasen sind, zeigen ein paritätisch aufgestellter Vorstand und die verschiedenen Nationalitäten, die als Trainer*innen und Spieler*innen auf dem Platz stehen. „Es ist nicht so, dass wir das gezielt fördern. Die Leute können sich einfach gut mit unserem Konzept identifizieren und kommen gerne zu uns in den Verein“, sagt die 34-Jährige. Die deutliche Positionierung für Nachhaltigkeit und das gute Image, das dem Verein vorauseilt und von vielen unterstützt wird, stößt aber abseits des Nordfeldes noch zu oft an seine Grenzen. „Beim Aufeinandertreffen mit Gästemannschaften kommt es schon vor, dass wir als Öko-, Klimaschutz- oder Schwulenverein bezeichnet werden. Die Regenbogenfahne als Symbol triggert extrem viele Menschen im Fußball – vor allem im männlichen Bereich“, erzählt Lea.
Kommunikation ist dabei nicht nur für die Außenwelt relevant. „Wir tragen unsere Themen auch nach ‚innen‘, indem wir den Umgang mit Material oder Mülltrennung besprechen“, sagt Lea. So werden die neu beflockten Shirts mit der Aufschrift #demokratiestärken besprochen „und warum das halt grade einfach wichtig wäre“. Anderes ergibt sich eher aus dem laufenden Spielbetrieb, sagt Lea. „Die Kinder werden mit bestimmten Sachen automatisch konfrontiert, weil ihnen auffällt, dass wir keine gängigen Markentrikots haben oder unsere Bälle anders als die der anderen Mannschaften aussehen.“
Natürlich würde der Verein versuchen, die Kinder auf die Vereinsreise mit dem Ziel Nachhaltigkeit mitzunehmen, aber ohne den erhobenen Zeigefinger. Vielmehr soll das Thema vorgelebt statt vorgegeben werden.