Spoho persönlich

"Ich erlebe den Wald mit allen Sinnen"

Die Blätter rauschen, die Vögel zwitschern, ein aufgeschreckter Rehbock flüchtet durch das Unterholz, in der Ferne plätschert ein kleiner Wasserlauf. Bei diesen Geräuschen geht Dr. Stefan Türk das Herz auf. Als Forstwissenschaftler liebt er den Wald von Berufswegen – und an der Spoho hat er die perfekte Kombination aus Wald und Bewegung gefunden.

Ich liebe es, mit meinen Hunden durch den Wald zu gehen und die vermeintliche Ruhe zu genießen. Auf einem stillen Weg, da schaue ich, rieche, höre, schmecke! Da sind all meine Sinne aufnahmebereit. So erlebe ich den Wald.“ Was Stefan Türk so bildhaft beschreibt, blitzt direkt vor dem inneren Auge auf, obwohl er gerade in seinem Büro im Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung sitzt. „Viele Menschen empfinden den Wald als ruhig und nennen dies auch als einen Grund dafür, dass sie so gut in der Natur entspannen können“, sagt Türk. Das Hintergrundrauschen im Wald kann aber bis zu 50 bis 60 Dezibel erreichen, was in etwa der Lautstärke eines normalen Gesprächs entspricht. „Im Wald empfinden wir diese natürlichen Geräusche aber anders“, erklärt der 59-Jährige. Er muss es wissen, denn er ist studierter Forstwissenschaftler. Aufgewachsen ist Türk in einem Dorf im Rheinland in der Nähe von Jülich, in unmittelbarer Nachbarschaft zum damals noch existierenden Hambacher Forst. Von klein auf ist er viel im Wald unterwegs; Großvater und Vater sind Jäger. Somit ist das Studium der Forstwissenschaft nur folgerichtig, das er in Freiburg absolviert. Doch damals gibt es nur wenige Stellen im Forstdienst, sodass sich Türk für einen Job an der Uni Freiburg entscheidet und dort promoviert. Hierbei untersucht er, wie Calcium in zweijährigen Fichtensämlingen bewegt und gebunden wird, wobei ein radioaktives Isotop von Calcium verwendet wird, um diese Prozesse zu verfolgen. „Das Thema Bewegung lag mir offensichtlich damals schon“, witzelt er; 1999 kommt er an die Spoho.

Der Wald als Erholungsort
Apropos Bewegung: Ein Aufenthalt im Wald hat zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Studien zeigen, dass Waldaufenthalte Symptome von Depressionen lindern können. Naturumgebungen können Entspannung fördern, Stress reduzieren, die Stimmung verbessern, Blutdruck und Herzfrequenz senken, das Immunsystem stärken. „Das Interessante ist, dass viele Menschen in Deutschland den Wald aufsuchen, weil er sehr viele Erholungsoptionen bietet. Es herrscht ein anderes Klima, eine andere Beschattung, andere Luftfeuchte; das spüren die Menschen direkt und deswegen sind sie auch so gerne im Wald“, skizziert Türk. Er selbst genießt den Wald am liebsten im Nationalpark Eifel. Dieser feiert in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum und seit mehr als zehn Jahren arbeitet das Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung in diversen Forschungsprojekten mit dem Nationalpark Eifel zusammen. Ein Nationalpark ist ein speziell ausgewiesenes Naturschutzgebiet, es handelt sich um die höchste Schutzstufe, die es in Deutschland gibt. Primäres Ziel von Nationalparks ist der Naturschutz, aber auch Bildung und Erholung zählen zu den ausgewiesenen Zielen. „Deshalb dürfen wir auch in Nationalparks wandern, aber wir müssen uns dort an Vorschriften halten, zum Beispiel auf den Wegen bleiben. Dass wir selbst in den wichtigsten Großschutzgebieten bewegungsaktiv unterwegs sein dürfen, hat einen wichtigen Grund“, erläutert der Experte, der auch Sprecher der Bundesplattform Wald, Sport, Erholung und Gesundheit beim Bundeslandwirtschaftsministerium ist: „Nur, was man kennt und liebt, ist man auch gewillt zu schützen.“ Außerhalb solcher Schutzareale gibt es in deutschen Wäldern eine durchaus privilegierte Regelung, die viele gar nicht kennen: das freie Betretensrecht der Landschaft.

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Forschung im Nationalpark
Seit zehn Jahren betrachten Stefan Türk, seine Kolleg*innen und die Projektpartner*innen von der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) in Form eines sozioökonomischen Monitorings, wie sich die Besucher*innen des Nationalparks Eifel verhalten, wer sie sind, wie und wo sie sich bewegen. Kürzlich erschien der Abschlussbericht, der die Ergebnisse von Besucherzählungen, Beobachtungen und Befragungen zusammenfasst und die regionalwirtschaftlichen Effekte darstellt. Die Anzahl der Besucher*innen ist deutlich gestiegen, von 850.000 auf fast 1,4 Millionen pro Jahr. Stefan Türk meint: „Toll ist, dass viele der Besucher*innen bewusst die Region aufsuchen, weil sie ein Nationalpark ist. Das geben 75 Prozent an, was zeigt, dass der Nationalpark einen richtig guten Job gemacht hat und es schafft, für die Leute interessant zu sein.“ Umgerechnet bringe der Nationalpark damit ca. 76 Millionen Euro Umsatz pro Jahr in die Region.

Fichtensterben und Klimawandel
Die größte Gefahr für die Zukunft des Waldes in Deutschland ist der Klimawandel. In forstlich genutzten Wäldern müssen sich Waldbesitzer*innen und Förster*innen Gedanken darüber machen, wie ihr Wald der Zukunft aussehen kann. Im Nationalpark Eifel entscheidet die Natur darüber, was in Zukunft auf den Flächen wachsen wird. Diese sind seit einigen Jahren besonders stark vom Fichtensterben betroffen. „Die Fichte ist eigentlich eine Hochgebirgsbaumart. Sie wurde einst ins Flachland gesetzt, weil sie ein hervorragendes Bauholz liefert. Mit den veränderten klimatischen Bedingungen kommt sie nicht zurecht. Wenn die Baumart wegstirbt, wie aktuell auch in der Eifel oder im Bergischen Land zu beobachten, dann fehlt sie als Bauholzlieferant. Das merken alle, die aktuell zum Beispiel einen Dachstuhl bauen wollen“, erläutert Türk. Die Folgen sind weitreichend und betreffen nicht nur die wirtschaftliche Nutzung, sondern auch die ökologischen Funktionen der Wälder und die Vielfalt von Tier- und Pflanzenwelt (Biodiversität).
Spirituell gesehen passiert aktuell viel in deutschen Wäldern. Wahrscheinlich haben die meisten schon einmal vom „Waldbaden“ gehört. Unter dem Begriff Shinrin Yoku wurde diese Praxis in Japan entwickelt. Sie setzt auf die heilende und beruhigende Wirkung des Waldes. Ein anderer Trend: Es entstehen immer mehr Friedwälder. Die Vorstellung, in einem Wald beigesetzt zu werden, wo man Teil der Natur bleibt, spricht viele Menschen an. „Waldfriedhöfe sind vielleicht auch deswegen beliebter geworden, weil sich nicht mehr so viele Menschen den Kirchen verbunden fühlen, aber sie sich dennoch einen würdigen Abschiedsort wünschen“, nennt Stefan Türk einen möglichen Grund.
Jungen Menschen die Schönheit der Natur nahezubringen und für deren Schutz zu sensibilisieren, das ist eine von Stefan Türks Aufgaben an der Spoho. Sein Leitsatz dabei lautet: Hinterlasse keine Spuren! „Wenn wir draußen unterwegs sind, ob zu Fuß, mit dem Mountainbike oder auf Skiern an Land, mit dem Surfbrett oder Katamaran auf dem Wasser oder dem Gleitschirm in der Luft, dann ist es oft sehr schwierig, das umzusetzen, denn irgendwie hinterlässt man ja immer Spuren. Wichtig ist dabei aber, sich der Verantwortung für den genutzten Raum bewusst zu sein und sich als Gast zu benehmen.“

Text: Julia Neuburg

Zur Person

Dr. Stefan Türk

Dr. Stefan Türk ist 59 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Zülpich. Er ist stellvertretender Leiter des Instituts für Outdoor Sport und Umweltforschung und – gemeinsam mit Dr. Axel Kupfer – Studiengangsleiter im B.A. Sport- und Bewegungsvermittlung in Freizeit- und Breitensport (SBV). Er organisiert die Segelsportausbildung der Spoho, unterrichtet Schießsport sowie in der Profilergänzung Erlebnispädagogik auf Traditionssegelschiffen. Im Wintersemester liegt der Schwerpunkt seiner Lehre auf dem M.Sc. Sporttourismus und Destinationsmanagement. Stefan Türk besitzt seit seinem 16. Geburtstag den Jagdschein und führt aktuell zwei Rauhaardackel. Seine Lieblingsbäume sind Birken (wegen der Optik) und Douglasien (wegen der Größe).