Nicht nur für's Labor

Nicht nur für‘s Labor - Die Bedeutsamkeit und Vermittlung wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens im Rahmen des Sportstudiums am Beispiel von „Werkstatt Wissenschaft“

Jens Kleinert & Fabian Pels

ZUSAMMENFASSUNG

Studierende haben häufig ein geringes Interesse an Studienangeboten zum wissenschaftlichen Denken und Arbeiten. Demgegenüber steht die hohe Bedeutsamkeit der Vermittlung einer wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweise. Ausgehend von dieser allgemeinen Problematik und ausgehend von spezifischen Hinweisen zur Optimierung von Studienangeboten im Rahmen der Rezertifizierungen der BA-Studiengänge war es an der DSHS Köln das Ziel, ein Konzept zu entwickeln, mit dem möglichst frühzeitig die Wissenschaftlichkeit von Studierenden positiv beeinflusst werden kann und die Struktur und studienübergreifende Einbindung diesbezüglicher Studienanteile optimiert werden. Das Ziel dieses Beitrags ist es, die Entwicklung, Organisation und Implementierung dieses Konzeptes vorzustellen. Das entwickelte Konzept umfasst unter dem Titel „Werkstatt Wissenschaft“ Lern- und Handlungsräume des sportwissenschaftlichen Bachelorstudiums, die der Vermittlung von Wissenschaftlichkeit dienen. Die „Werkstatt Wissenschaft“ besteht aus neun Veranstaltungen unterschiedlicher Formate (Vorlesung, Seminar, Übung). Alle Veranstaltungen der Werkstatt Wissenschaft lassen sich einer der drei Zielebenen „Wissenschaftliche Techniken erlernen“, „Wissen und Grundverständnis erwerben“ und „Wissenschaftliche Techniken üben“ zuordnen. Die Veranstaltungen sind sowohl untereinander als auch mit disziplinspezifischen Veranstaltungen (z.B. biowissenschaftliche Grundlagen) verzahnt. Die Bewertung des Konzeptes fällt aus übergeordneter Perspektive sowohl aus theoretisch-konzeptioneller Sicht als auch aus Sicht der Organisation und Implementierung bislang grundsätzlich positiv aus. Perspektivisch müsste anhand von Evaluationen die Wirkung dieses Konzeptes im Vergleich zu anderen oder vorherigen Konzeptionen geprüft werden.

1 PROBLEMSTELLUNG

Dem subjektiven Eindruck vieler Lehrenden nach scheinen Studienanfänger*innen der Sportwissenschaft verhältnismäßig wenig an wissenschaftlichem Forschungsmethoden, Curriculum, Modulhandbuch, Bachelor Denken und wissenschaftlichem Arbeiten für interessiert zu sein. Dieses vermeintlich geringe Interesse für wissenschaftliches Denken und wissenschaftliches Arbeiten ist weder ein neues Phänomen noch auf Deutschland beschränkt (Kuhn, 1993) und gilt auch für andere Fächer als für die Sportwissenschaft. So schätzen Medizinstudierende insbesondere im ersten
Jahr wissenschaftliches Denken und Arbeiten als weniger wichtig ein (Ribeiro, Severo, Pereira & Ferreira, 2015). Als Gründe für eine solche subjektiv geringe Priorität wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens werden vor allem die Diskrepanz zur schulischen Denk- und Arbeitsweise genannt und die geringe Bedeutsamkeit, die dem wissenschaftlichen Denken und Arbeiten für die spätere Berufspraxis beigemessen wird (Ribeiro et al., 2015). Auch Sportstudierende sehen vermutlich im wissenschaftlichen Denken und Arbeiten wenige Zusammenhänge zur gewünschten Arbeitswelt, während trainings- oder naturwissenschaftliche Grundlagen aufgrund der offensichtlichen Körperlichkeit von Sport den Studienanfänger*innen relevanter erscheinen (Czimek, 2010). Darüber hinaus wird eine positive Lerneinstellung zum Thema wissenschaftliches Denken und Arbeiten auch dadurch behindert, dass nicht wenige Studierende der Auffassung sind, eher „Sport“ zu studieren als „Sportwissenschaft“.

Es fehlt also ganz offensichtlich insbesondere Studienanfänger*innen das Wissen über die Relevanz einer wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweise. Dabei geht diese Relevanz weit über das hinaus, was wissenschaftliche Techniken für das Studium selbst notwendig macht. Stattdessen verbirgt sich hinter dem Erwerben einer wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweise eine bestimmte professionelle Einstellung (Ribeiro et al., 2015). Diese Einstellung ermöglicht es, dass nicht nur im Studium, sondern auch im späteren (Arbeits-) Leben das eigene Handeln angemessen reflektiert und professionelle Techniken weiterentwickelt werden können (Downing, 1933; Ribeiro et al., 2015). Daher sollte ein Ziel des (sport-)wissenschaftlichen Studiums sein, jungen Studierenden möglichst schnell zu vermitteln, dass Wissenschaft eine prinzipielle, wertgestützte, professionelle Einstellung über Denk- und Arbeitsprozesse in beruflichen und alltäglichen Situationen ist und nicht „just something the scientist uses in the lab“ (Lansdown, 1953, S. 315). Neben der teils unzureichenden Einstellung zum wissenschaftlichen Denken und Arbeiten fällt die studentische Bewertung diesbezüglicher Studienangebote eher unbefriedigend aus. So beurteilten die Bachelor-Abschlussjahrgänge 2011 2013 der Deutschen Sporthochschule (DSHS) Köln die wissenschaftlichen Studienangebote eher als nicht zufriedenstellend (je nach Studiengang 3.2-3.6 auf einer Notenskala 1-5; Stabsstelle Akademische Planung und Steuerung, 2015). Hierbei wurde von 31% der Befragten das Erwerben wissenschaftlicher Arbeitstechniken als schlecht bzw. eher schlecht bewertet; im Falle des wissenschaftlichen Schreibens war die Bewertung noch niedriger (41% (eher) schlecht). Neben der Bewertung durch Studierende ergeben sich die Notwendigkeit und die Hinweise zur Optimierung von Studienangeboten auch aus den gesetzlich vorgegebenen Rezertifizierungen der Studiengänge. Im Rahmen dieser Rezertifizierungen an der DSHS Köln empfahlen externe Gutachter*innen für die Vermittlung wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens eine Erhöhung des Studienumfangs, eine Verbesserung der inhaltlich-zeitlichen Abfolge verschiedener Veranstaltungen (z. B. Grundlagen, Datenerhebungsmethoden, Datenauswertungsmethoden) oder eine Optimierung der zeitlichen Einordnung bzw. Verteilung im Rahmen des Studiums (z. B. bessere Anbindung an Projektseminare oder die Abschlussarbeit; Stabsstelle  Akademische Planung und Steuerung, 2017). Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutsamkeit der Vermittlung wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens einerseits (vgl. auch das sportwissenschaftliche Kerncurriculum; Hottenrott et al., 2017) und des Verbesserungsbedarfs der diesbezüglichen Studienanteile an der DSHS Köln andererseits ergab sich zwischen 2015 und 2020 ein Arbeitsprogramm mit den Zielstellungen (a) möglichst frühzeitig die Wissenschaftlichkeit von Studierenden positiv beeinflussen zu können sowie (b) die Struktur und studienübergreifende Einbindung diesbezüglicher Studienanteile zu optimieren. Dieses Arbeitsprogramm fußt auf der nachfolgenden theoretischen und konzeptionellen Betrachtung von dem, was wissenschaftliches Denken und Arbeiten sowie eine hiermit verknüpfte Grundhaltung ausmacht und welche Ansätze für die Vermittlung dessen bestehen.

2 ASPEKTE DER ENTWICKLUNG VON WISSENSCHAFTLICHKEIT

Wissenschaftlichkeit setzt sich aus (1) einer wissenschaftlichen Grundhaltung sowie (2a) wissenschaftlichem Denken und (2b) wissenschaftlichem Arbeiten zusammen.

2.1 Wissenschaftliche Grundhaltung

Die wissenschaftliche Grundhaltung ist als professionelle Einstellung (Kuhn, 1993; Noll, 1936; Ribeiro et al., 2015) durch grundsätzliche Werte gekennzeichnet wie die Anerkennung der Bedeutsamkeit (z.B. Schaffung von Erkenntnisgewinn), der Aktualität (z.B. kritische Reflexion bestehenden Wissens), der Nachprüfbarkeit (z.B. empirisches Vorgehen), der Nachvollziehbarkeit (z.B. logisches und transparentes und somit replizierbares Vorgehen) oder der Planmäßigkeit und Systematik (z.B. regelgeleitetes Vorgehen entsprechend anerkannter Methoden) des eigenen Denkens und Handelns (Lamprecht, Stamm & Ruschetti, 1992). Die Entwicklung dieser wissenschaftlichen Grundhaltung erfolgt in kognitiver und in affektiver Hinsicht. In kognitiver Hinsicht besteht die Entwicklung einer wissenschaftlichen Grundhaltung für die Lernenden daraus, dass wissenschaftstheoretische Grundlagen erworben werden. Dies umfasst vor allem die Entwicklung eines Verständnisses dafür, was Wissenschaft ist und welche Funktionen Wissenschaft hat (Wissenschaft als Kriteriensystem, Forschungssystem, Erkenntnissystem, Lehrsystem und soziales System; Nitsch, 1994), aber auch welchen Grenzen Wissenschaft unterliegt (Kuhn, Iordanou, Pease & Wirkala, 2008). In affektiver Hinsicht besteht die Entwicklung einer wissenschaftlichen Grundhaltung daraus, epistemischen Affekt zu erfahren (Jaber & Hammer, 2016). Mit epistemischem Affekt wird die Gesamtheit der Gefühle bezeichnet, die mit dem Erwerb von Wissen und ähnlichen kognitiven Prozessen verbunden sind (z.B. Freude an der Untersuchung von Phänomenen; für eine Übersicht siehe Brun, Doğuoğlu & Kuenzle; Pekrun, Vogl, Muis & Sinatra, 2017). Für die Lernenden bedeutet dies, dass der epistemische Affekt in verschiedenen Ausprägungen erlebt werden sollte, damit erfahren werden kann, wodurch Wissenschaft gefühlsmäßig bewegt und erlernt werden kann, welche Funktion diese Gefühle haben und wie sie regulativ wirken können (z.B. Forschen aufgrund von Neugier). Der affektive und der kognitive Aspekt der Entwicklung einer wissenschaftlichen Grundhaltung sind wechselseitig aufeinander bezogen (Jaber & Hammer, 2016). Einerseits regt der epistemische Affekt die kognitive Entwicklung an. Beispielsweise führt die Neugier an alltäglichen Phänomenen dazu, dass man sich damit auseinandersetzt, warum ein derartiges Phänomen wissenschaftlich untersucht werden sollte. Andererseits regt die kognitive Entwicklung den epistemischen Affekt an. Dies ist zum Beispiel dann gegeben, wenn das Verstehen des Nutzens von Wissenszuwachs durch Forschungsergebnisse die Freude und das Interesse an eigenen Untersuchungen steigert. Zusammen führen der affektive und der kognitive Aspekt zur Entwicklung einer wissenschaftlichen Grundhaltung, die zugleich die Valenz wissenschaftlichen Denkens und Handelns darstellt. Valenz bedeutet in diesem Fall, dass Situationen (z.B. Phänomene, Probleme, Sachverhalte) vor dem Hintergrund professioneller wissenschaftlicher Einstellungen und Werte sowie der wissenschaftliche Umgang mit ihnen subjektiv und individuell bedeutsam erscheinen. Eine wissenschaftliche Grundhaltung ist damit die Basis für wissenschaftliches Denken und Arbeiten.

2.2 Wissenschaftliches Denken und wissenschaftliches Arbeiten

Wissenschaftliches Denken und wissenschaftliches Arbeiten sind Oberbegriffe für all jene Denk- und Arbeitsprozesse die im Zuge wissenschaftlicher Tätigkeit ablaufen. Die wissenschaftlichen Denkprozesse umfassen dabei Bereiche wie Beurteilen (z. B. Beurteilen von Literatur), Planen (z. B. Untersuchungsplanung) oder gedankliche Konstruktionen (z. B. Theoriebildung zum Beschreiben von Zusammenhängen). Die wissenschaftlichen Arbeitsprozesse umfassen hingegen eher unmittelbar handlungsbezogene Bereiche wie Recherchieren (z. B. Literaturrecherche), Datenerhebung
 (z. B. Durchführung einer Befragung), Datenauswertung (z. B. statistische Analysen) und Schreiben (z. B. Verfassen eines wissenschaftlichen Artikels). Die ablaufenden Denk- und Arbeitsprozesse sind dabei ständig wechselseitig miteinander verknüpft. Beispielsweise erfordert die Konstruktion einer Theorie zunächst das intensive Lesen zuvor recherchierter Literatur oder die Durchführung einer Untersuchung erfordert eine sorgfältige Untersuchungsplanung. Charakteristisch für all diese Denk- und Arbeitsprozesse im wissenschaftlichen Bereich ist, dass sie regelgeleitet und systematisch ablaufen. Diese Regeln und Systematiken fußen auf anerkannten logischen und methodischen Standards, für die eine Übereinkunft zwischen Wissenschaftler*innen besteht (Lamprecht et al., 1992). Diese Standards haben eine prozessübergreifende Gültigkeit (z. B. intersubjektive Nachvollziehbarkeit), werden jedoch in ihrer Anwendung mit spezifischen Techniken und Herangehensweisen prozessspezifisch ausgestaltet (z. B. Anwendung von Zitierrichtlinien als Form der Sicherung intersubjektiver Nachvollziehbarkeit beim Arbeitsprozess des wissenschaftlichen Schreibens). Aufgrund der logischen und methodischen Standards unterscheiden sich wissenschaftliche Denk- und Arbeitsprozesse von alltäglichen Denk- und Arbeitsprozessen (Bardmann, 2015). Während alltägliches Denken und Handeln teilweise intuitiv erfolgen oder auf Basis naiver Strategien, erfordern wissenschaftliches Denken und Arbeiten also den Erwerb von regelgeleiteten und systematischen Herangehensweisen. Prozessspezifisch ausdifferenzierte regelgeleitete und systematische Herangehensweisen sind somit die Kompetenzen, nach denen wissenschaftlich gehandelt werden kann. Zusammengefasst besteht Wissenschaftlichkeit als Ganzes somit aus (1) einer wissenschaftlichen Grundhaltung und (2) hierdurch ausgelöstes Handeln. Während also Ersteres die Valenz wissenschaftlichen Handelns prägt, fördert bzw. entwickelt Zweiteres die Handlungskompetenz und zwar in den Bereichen (2a) wissenschaftliches Denken und (2b) wissenschaftliches Arbeiten. Diese Bereiche von Wissenschaftlichkeit und ihre Zusammenhänge erfordern eine sorgfältige Planung ihrer Vermittlung in der (sport-) wissenschaftlichen, universitären Lehre.

3 VERMITTLUNG VON WISSENSCHAFTLICHKEIT

Schon immer haben Lehrkräfte im universitären Bereich sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie Wissenschaftlichkeit vermittelt werden sollte (z. B. Downing, 1933; Noll, 1936). Die existierenden Vermittlungsansätze können in zwei verschiedene Bereiche untergliedert werden. Zum einen gibt es Ansätze, in denen Hinweise und Empfehlungen gegeben werden, in welchen curricularen Strukturen die Vermittlung von Wissenschaftlichkeit erfolgen sollte. Zum anderen gibt es Hinweise und Empfehlungen, wie Wissenschaftlichkeit in den spezifischen Lehrveranstaltungen eines bestimmten Curriculums didaktisch vermittelt werden sollte, was seinerseits jedoch auch Rückwirkungen auf die Ausgestaltung der curricularen Strukturen hat. Bezogen auf die curricularen Strukturen wird beispielsweise empfohlen, die Ausbildung von Wissenschaftlichkeit bei Studierenden über zwei Ebenen vorzunehmen (Medizinischer Fakultätentag, 2018): Auf einer ersten Ebene sollen den Studierenden eine wissenschaftliche Grundhaltung sowie wissenschaftliches Denken und Arbeiten vermittelt werden. Auf einer zweiten Ebene sollen die Studierenden durch die Anfertigung einer oder mehrerer Forschungsarbeiten die wissenschaftliche Grundhaltung sowie die Kompetenzen des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens eigenständig anwenden. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten sollen sie durch theoretisches und empirisches Arbeiten eigenes Wissen schaffen oder bestehendes Wissen prüfen, und hiermit die notwendigen Kompetenzen zum selbstständigen Lösen wissenschaftlicher Probleme nachweisen. Um die beiden zuvor genannten Vermittlungsebenen von Wissenschaftlichkeit umzusetzen sollten die zugehörigen Lehrveranstaltungen verzahnt angelegt sein (Kleinert, 2015). Diese Verzahnung ist vorrangig inhaltlicher Natur, aus ihr ergeben sich jedoch auch Konsequenzen für die zeitliche Verzahnung (Kleinert, 2016).

Inhaltlich sollen die Lehrveranstaltungen zur Vermittlung von Wissenschaftlichkeit systematisch aufeinander aufbauen und dementsprechend zeitlich in einem longitudinalen Strang aufeinander folgen (vgl. auch Empfehlungen Medizinischen Fakultätentags, 2018): Auf einführende Lehrveranstaltungen, in denen eine wissenschaftliche Grundhaltung vermittelt wird, sollen weiterführende Lehrveranstaltungen folgen, in denen spezifische Kompetenzen des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens vermittelt werden. Diese weiterführenden Lehrveranstaltungen sollen schließlich in Veranstaltungen münden, in denen (in Projektform und/oder in Form einer Abschlussarbeit) alle wesentlichen Elemente von wissenschaftlichem Denken und Arbeiten gebündelt von den Studierenden angewendet werden. Obwohl bereits früh erkannt worden ist, dass die genannten spezifischen Veranstaltungen für die Vermittlung von Wissenschaftlichkeit unabdingbar sind (Downing, 1933; Noll, 1936), soll innerhalb dieses longitudinalen Strangs die Vermittlung von Wissenschaftlichkeit jedoch – wo möglich – inhaltlich stets in das Fachlernen integriert sein (Downing, 1933; Noll, 1936; Schilly & Szczyrba, 2019). Die hierzu passenden disziplinspezifischen Veranstaltungen (z. B. biowissenschaftliche Grundlagen) sollten dementsprechend zeitlich parallel angelegt sein (Kleinert, 2016; Schilly & Szczyrba, 2019): Beispielsweise können erworbene Kompetenzen aus Lehrveranstaltungen zu Methoden des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens (z. B. Techniken der Literaturrecherche, wissenschaftliches Lesen) parallel in disziplinspezifischen Lehrveranstaltungen eingeübt werden (z. B. Literatur zu einem disziplinspezifischen Thema recherchieren, disziplinspezifisches Wissen durch wissenschaftliches Lesen aneignen). In didaktischer Hinsicht sollte Wissenschaftlichkeit vermittelt werden, indem von den Lehrenden die Lernstufen der Taxonomie von Bloom (1956) gegenstandsangemessen adressiert werden. Zwar sind die Lernstufen – (1) Wissen, (2) Verstehen, (3) Anwenden, (4) Analysieren, (5) Synthetisieren und (6) Evaluieren (für detailliertere Ausführungen siehe Bloom (1956) und Krathwohl (2002)) – für Wissenschaftlichkeit als Ganzes bereits implizit in den empfohlenen curricularen Strukturen als Makrostruktur berücksichtigt. Allerdings gilt es auch innerhalb einzelner Lehrveranstaltungen einzelne Bereiche von Wissenschaftlichkeit derartig zu adressieren (vgl. Kuhn, 1993; Noll, 1936). Beispielsweise würde es für das Erlernen von Techniken des wissenschaftlichen Schreibens nicht nur bedeutsam sein, dass Studierende wissen und verstehen, warum Schreibtechniken wichtig sind und wie sie funktionieren (Wissen, Verstehen). Stattdessen sollten Studierende diese Techniken auch selbst beim Verfassen eines Textes einüben (Anwenden) und die Strukturparallelität zwischen Prinzipien von Schreibtechniken und anderen Bereichen  (z. B. Theoriebildung) aufzudecken versuchen (Analysieren). Dies könnte darauf aufbauend auch damit einhergehen, dass sie selbst Theorien bilden und schriftlich darstellen sollen (Synthese) und derartige Arbeiten von Kommiliton*innen auf ihre Angemessenheit evaluieren sollen (Beurteilen).

4 KONZEPTION „WERKSTATT WISSENSCHAFT“

Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutsamkeit der Vermittlung von Wissenschaftlichkeit und des Verbesserungsbedarfs der diesbezüglichen Studienanteile wurde an der DSHS Köln zwischen 2015 und 2020 das Konzept „Werkstatt Wissenschaft“ entwickelt (Kleinert, 2015, 2016). Durch den Begriff „Werkstatt Wissenschaft“ soll ausgedrückt werden, dass es im Konzept um Lern- und Handlungsräume geht: Diese Räume sind Veranstaltungen des sportwissenschaftlichen Bachelorstudiums, die der Vermittlung von Wissenschaftlichkeit im engeren oder weiteren Sinne dienen.

4.1 Organisation und Zielstellung des Entwicklungsprozesses

Zur Entwicklung der „Werkstatt Wissenschaft“ wurde auf unterschiedliche Informationsquellen zurückgegriffen. Dies waren insbesondere die konstruktive Kritik verschiedener beteiligter Akteure (z. B. Dozierende, Modulbeauftragte, Studierende), der Hochschulentwicklungsplan, Diskussionen und Aussprachen in der Universitätskommission für Studium und Lehre, innerhalb des Prorektorats für Studium und Lehre und des Rektorats der Universität. Entsprechend dieser Informationen waren die übergeordneten Zielstellungen der Konzeption „Werkstatt Wissenschaft“, (a) die wissenschaftliche Qualität des Bachelorstudiums zu verbessern, (b) die Verbindung zwischen Forschung und Lehre zu stärken und (c) die Binnenlogik der wissenschaftlichen Grundausbildung im Bachelorstudium zu verbessern. Auf Basis dieser übergeordneten Zielstellungen bestand das Arbeitsprogramm darin, (1) die einzelnen Veranstaltungen des sogenannten Basisstudiums in Hinsicht auf einen Kompetenzerwerb „Wissenschaft“ hin zu prüfen und gegebenenfalls zu verändern und (2) eine bessere Verzahnung zwischen einzelnen Veranstaltungsformaten zu konzipieren.

4.2 Veranstaltungen der „Werkstatt Wissenschaft“

„Werkstatt Wissenschaft“ besteht aus neun Veranstaltungen (siehe Abb. 1) unterschiedlicher Formate (Vorlesung, Seminar, Übung). Diese Veranstaltungen sind formal in den Studienbereichen „Schlüsselqualifikationen“ (SQ; Deutsche Sporthochschule Köln, 2018) und „Basisstudium“ (BAS; Deutsche Sporthochschule Köln, 2019) verortet. Alle Veranstaltungen der Werkstatt Wissenschaft lassen sich einem der drei Zielebenen „Wissenschaftliche Techniken erlernen“, „Wissen und Grundverständnis erwerben“ und „Wissenschaftliche Techniken üben“ zuordnen (vgl. Abb. 1).

4.2.1 Wissen und Grundverständnis erwerben

Die Vorlesung „Sport als Wissenschaft“ (SQ, 1. Fachsemester (FS), 1 SWS) besitzt als übergeordnetes Lernziel den Erwerb einer wissenschaftlichen Grundhaltung. Vermittelt wird dies durch das Kennenlernen verschiedener Facetten von Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit in der Sportwissenschaft. Die einzelnen Einheiten der Veranstaltungen bestehen aus jeweils zwei Kurzreferaten von Professor*innen zur Wissenschaft bzw. Forschung in ihrer Fachdisziplin mit einer anschließenden moderierten Podiumsdiskussion. Das Lernziel der Vorlesungsblöcke „Biowissenschaftliche Grundlagen“ (BAS, 1. FS, 4 SWS) und „Verhaltens- und sozialwissenschaftliche Grundlagen“ (BAS, 2. FS, 4 SWS) ist es, Wissen über medizinisch-naturwissenschaftliche Aspekte der Sportwissenschaft (z.B. Anpassungsvorgänge im Sport durch biologisch-medizinische Prozesse) bzw. über sportbezogene Erziehungs-, Bildungs-, Lern-, Entwicklungs- und Sozialisationsprozesse (z.B. Emotionen im Sport, Funktionen sportlichen Handelns) zu erlangen. Die Vorlesungen haben in „Werkstatt Wissenschaft“ die Funktion Fachwissen zu erwerben, welches später mit Techniken wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens verbunden werden kann und soll.

4.2.2. Wissenschaftliche Techniken erlernen

Lernziel des Seminars „Einführung in das wissenschaftliche Denken und Arbeiten“ (SQ, 1. FS, 2 SWS) ist es, Wissenschaft und wissenschaftliche Denktechniken zu verstehen (z.B. Funktion von Theorien) sowie Wissen über grundlegende wissenschaftliche Arbeitstechniken (z.B. Literaturrecherche, Lesen, Zitieren) zu erwerben und exemplarisch anwenden zu können. Hierdurch sollen sowohl eine wissenschaftliche Grundhaltung als auch das Erlernen von Basistechniken wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens ermöglicht werden. Die Vorlesung „Grundlagen der Methodenlehre“ (SQ, 2. FS, 1 SWS) zielt auf das Wissen über quantitative und qualitative Methoden der Untersuchungsplanung und Untersuchungsdurchführung (z.B. Experiment mit Verhaltensbeobachtung, Interview) sowie über qualitative Methoden der Datenauswertung (z.B. Inhaltsanalyse). Hierdurch wird die Grundlage für das Üben von Techniken (empirischen) wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens geschaffen. Im 3. FS sind eine VL und eine Übung zu Statistik verortet. Die VL „Einführung in die Statistik“ (SQ, 3. FS, 1 SWS) hat zum Ziel, Wissen über quantitative (statistische) Auswerteverfahren (z.B. deskriptive Statistiken, t-Test) zu erlangen. Hierdurch wird die Grundlage für eigene quantitative Forschungsarbeit geschaffen. Die „Übung zur Statistik“ (SQ, 3. FS, 1 SWS) begleitet die VL mit dem Ziel die quantitativen (statistische) Auswerteverfahren selbst durchführen und interpretieren zu können (z.B. deskriptive Statistik, t-Test) und hiermit Handlungskompetenz bei den entsprechenden Forschungsschritten zu erlangen.

4.2.3 Wissenschaftliche Techniken üben

Das Üben wissenschaftlicher Techniken an bestimmten sportwissenschaftlichen Fragestellungen wird in den Übungen des Basisstudiums umgesetzt, bei denen das Fachwissen sowie das Verständnis von Wissenschaft (vgl. 4.2.1) und das technologische Know-How (vgl. 4.2.2) verbunden werden sollen. Die Übungen werden für die Biowissenschaften (BAS, 2. FS, 1 SWS) und die Verhaltens- und Sozialwissenschaften (BAS, 3. FS; 1 SWS) angeboten. Das übergeordnete Lernziel der Übungen ist es, wissenschaftliche Denk- und Arbeitstechniken unter Rückgriff auf das jeweilige disziplinäre Fachwissen (z. B. Sportmedizin, Trainingswissenschaft, Sportpsychologie, Sportphilosophie) anwenden zu können. Hierdurch sollen Techniken wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens vertieft und mit Anwendungsbezügen verknüpft werden.

4.3 Studienteile, die auf die „Werkstatt Wissenschaft“ aufbauen

Der Wissens- und Kompetenzerwerb der „Werkstatt Wissenschaft“ wird in den sogenannten berufsorientierten Studienabschnitten (ab 4. FS) wiederholt angewendet, geübt und mit spezifischen Phänomenen des jeweiligen Studiengangs (z. B. Sportjournalismus, Sport und Leistung) verknüpft. Dies findet überwiegend in Projektseminaren statt, deren Ziel es typischerweise ist, spezifische Phänomene des jeweiligen Anwendungsfelds wissenschaftlich zu betrachten und mit wissenschaftlichem Blickwinkel Interventionen planen, durchführen und evaluieren zu können Schließlich münden die Wissens- sowie Kompetenzerwerbe der „Werkstatt Wissenschaft“ in die Bachelorarbeit (6. FS), in der ein im weiteren Sinne sport- oder bewegungsbezogenes Phänomen oder Problem mit wissenschaftlicher Betrachtungsweise betrachtet, bearbeitet und untersucht wird.

4.4 Curricularer Aufbau von „Werkstatt Wissenschaft“

Die drei Anteile der Werkstatt Wissenschaft „Wissen und Grundverständnis erwerben“, „Wissenschaftliche Techniken erlernen“ und „Wissenschaftliche Techniken üben“ wurden – soweit dies studientechnisch möglich war – im Rahmen des Curriculums binnenlogisch unter Berücksichtigung didaktischer Empfehlungen verknüpft. Diese Verknüpfung entsprach den theoretischen und didaktischen Vorüberlegungen und Empfehlungen (z. B. Downing, 1933; Kleinert, 2015, 2016; Medizinischer Fakultätentag, 2018; Noll, 1936; Schilly & Szczyrba, 2019). (1) Aus didaktischer Sicht ist in der „Werkstatt Wissenschaft“ das Grundverständnis vom wissenschaftlichen Gegenstandsbereich der Sportwissenschaft ein zentrales Moment. Daher wurde 2018 die Ringvorlesung „Sport als Wissenschaft“ konzipiert und in der unter 4.2.1 beschriebenen Form als Ringvorlesung mit Podiumsdiskussionen zum Thema Wissenschaft umgesetzt. Während „Sport als Wissenschaft“ einen Eindruck unterschiedlicher Facetten der Sportwissenschaft vermitteln soll, dienen die anderen fachwissenschaftlichen Vorlesungen dem Erwerb des spezifischer theoretischer und teils methodischer Grundlagen der bio-, verhaltens-, sozial- und erziehungswissenschaftlichen Gegenstände der Sportwissenschaft. (2) Weitgehend parallel zur Vermittlung des generellen und des disziplinspezifischen Gegenstandsbereichs finden die drei Lehrveranstaltungen zu wissenschaftlichen Denk- und Arbeitstechniken (4.2.2) semesterweise aufeinander aufbauend statt. Nach einer Einführung in Basistechniken wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens (SE „Einführung in das wissenschaftliche Denken und Arbeiten“) folgen Veranstaltungen, in denen spezifische Techniken empirischen Arbeitens vermittelt werden, im zweiten (VL „Grundlagen der Methodenlehre“) und dritten (VL „Einführung in die Statistik“, ÜB „Übung zur Statistik“) Semester. Die Lernziele zu Statistik wurden von ursprünglich dem 1. in das 3. FS verlegt, um eine Nähe zu Projektseminaren (4. FS) und zur Abschlussarbeit (6. FS) herzustellen. (3) In den Übungen des Basisstudiums („Biowissenschaften üben“ bzw. „Verhaltens- und Sozialwissenschaften üben“) findet aus didaktischer Sicht die Verknüpfung von Fachwissen und Grundverständnis mit den Techniken wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens im spezifischen, disziplinären Kontext statt. Mittels dieser Verknüpfung dienen die Übungen als Lernplattform der disziplinspezifischen Anwendung und Erprobung von Techniken wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens gedacht. Eine weitere Erprobungsphase findet im Anschluss an die „Werkstatt Wissenschaft“ in den ab dem vierten Semester stattfindenden Projektseminaren der einzelnen Studiengänge („berufsorientierte Studien“) statt und mündet schließlich im sechsten Semester in die Bachelorarbeit.

4.5 Implementierung und Organisation der „Werkstatt Wissenschaft“

Die Implementierung, aber auch die stetige Organisation von „Werkstatt Wissenschaft“ wurde und wird über drei Ebenen organisiert. Diese Ebenen bestehen aus (1) den Studiengangsleitungen, (2) den Modulleitungen und (3) den Dozierenden der betroffenen Studienbereiche. Auf Ebene (1) der Studiengangsleitungen erfolgten anfangs grundlegende Absprachen zum Zweck und zur Praktikabilität der Umsetzung von „Werkstatt Wissenschaft“. Einbezogen waren die Studiengangsleitungen der Werkstatt Wissenschaft (SQ, BAS), aber auch die Leitungen der Teilstudiengänge (verantwortlich für die berufsorientierten Studienanteile). Auf Ebene (2) der Modulleitungen finden inhaltliche Abstimmungen mittels Schlagwortkatalogen zu den jeweiligen Inhalten der Veranstaltungen innerhalb der Module statt um die Konsistenz und Stimmigkeit des Gesamtprogramms zu gewährleisten. Diese Schlagwortkataloge dienen als Kommunikationsmedium sowohl zwischen den Modulen der Werkstatt Wissenschaft an sich als auch zwischen den Modulen der Werkstatt Wissenschaft einerseits (1.-3. FS) und den aufbauenden Modulen in den berufsorientierten Studienanteilen andererseits (4.-6. FS). Hierdurch kann sichergestellt werden, dass alle Studienbereiche voneinander über Veranstaltungsinhalte informiert sind, auf die zurückgegriffen und aufgebaut werden kann oder die nicht vorweggenommen werden sollten. Basierend auf diesen Schlagwortkatalogen werden Dozierende in regelmäßigen Modulsitzungen über die Einbindung ihrer Lehrveranstaltung in das Konzept „Werkstatt Wissenschaft“ informiert und über die Inhalte aller Lehrveranstaltungen im Konzept „Werkstatt Wissenschaft“ mittels der Schlagwortkataloge in Kenntnis gesetzt. Die stetige Aufrechterhaltung von „Werkstatt Wissenschaft“ soll durch regelmäßige Austauschtreffen sichergestellt werden. Diese Austauschtreffen bestehen zum einen aus Studiengangskollegien, bei denen Studiengangsleitung und Modulleitungen eines Studienbereichs zusammenkommen. Zum anderen bestehen diese Austauschtreffen aus Modulversammlungen, bei denen die Modulleitungen und die zugehörigen Dozierenden zusammenkommen.

5 BEWERTUNG DES AKTUELLEN ARBEITSSTANDES UND PERSPEKTIVEN

Die Ausgangslage der vorliegenden Konzeption war und ist das eher geringe Interesse von für Studierenden an Studienangeboten zum wissenschaftlichen Denken und Arbeiten (Kuhn, 1993; Ribeiro et al., 2015), welches unter anderem darin begründet ist, dass wenige Zusammenhänge solcher Studienangebote zur gewünschten Arbeitswelt gesehen werden (Ribeiro et al., 2015). Demgegenüber steht die grundsätzliche Absicht universitärer Studiengänge, eine wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise als Teil einer professionellen Grundeinstellung zu vermitteln, die über das Studium und die Arbeitswelt hinausgeht (Downing, 1933; Lansdown, 1953; Ribeiro et al., 2015). Da auch an der DSHS Köln die Bewertung wissenschaftlicher Studienangebote durch die Studierenden (z. B. die Bachelor-Abschlussjahrgänge 2011 2013) für die Lehrenden und die Hochschulleitung nicht zufriedenstellend waren (Stabsstelle Akademische Planung und Steuerung, 2015), war es das Ziel des hier vorgestellten konzeptionellen Arbeitsprogramms, sowohl eine wissenschaftliche Grundhaltung als auch wissenschaftliche Denk- und Arbeitskompetenzen möglichst frühzeitig und trotzdem curriculär sinnvoll eingebettet auszubilden.

5.1 Bewertung

Die Bewertung des aktuellen Arbeitsstandes fällt aus übergeordneter Perspektive (Studiengangsleitung, Modulleitung) sowohl in theoretisch-konzeptioneller Hinsicht als auch in Hinblick auf die erfolgte Implementierung grundsätzlich positiv aus. Theoretisch-konzeptionell konnte sowohl das in der Vergangenheit problematische studentische Einstellungskonzept zur Wissenschaft („Wissenschaft wollen“) als auch das kompetenzorientierte Handlungskonzept („Wissenschaft können“) in der Konzeption angemessen berücksichtigt werden. Hierbei wurde die Beeinflussung der Einstellung (des Wollens) durch die frühe (1. FS) Podiumsveranstaltung „Sport als Wissenschaft“ umgesetzt, die insbesondere in ihrem neuen didaktischen Kleid (Kurzvorträge mit Podiumsdiskussion) guten Anklang findet: Durchschnittlich waren 25-35 % der im Fachsemester eingeschriebenen Studierenden anwesend, was bei fehlender Prüfung, fehlender Klausur und fehlender Anwesenheitspflicht erfahrungsgemäß recht hohe Zahlen sind. Die Komponente der Handlungskompetenz (des Könnens) wurde in der „Werkstatt Wissenschaft“ durch einen hohen Anteil von Übungs- und Erprobungsphasen aufgewertet. Zudem sind diese Übungs- und Erprobungsphasen mit anderen Elementen der Basisausbildung curriculär binnenlogisch verbunden bzw. verzahnt, wodurch der Lernprozess im Gesamtkonzept „Werkstatt Wissenschaft“ vertieft wird. Auch die Bewertung der Implementierung fällt aus Sicht des Prorektorats, der Leitung der Studienbereiche Basisstudium sowie Schlüsselqualifikationen sowie der Abteilung Studium und Lehre der Stabsstelle des Rektors positiv aus. Insbesondere hat sich als positiv erwiesen, dass frühzeitig viele beteiligte Akteure (z. B. Dozierende, Modulbeauftragte, Universitätskommissionen, Hochschulleitung) in die Entwicklung eingebunden waren, was die Akzeptanz bei den Betroffenen gestärkt hat. Ein weiterer positiver Aspekt der Implementierung war die die mehrphasige Entwicklung. Durch stufenweise Veränderungen der Gesamtkonzeption konnten unterschiedliche Meinungen und Vorschläge berücksichtigt werden.

5.2 Perspektiven

Perspektivisch stehen bestimmte Arbeitsschritte aus und verschiedene Fragen sind bislang noch unbeantwortet. Ausstehende Arbeitsschritte betreffen insbesondere die systematische Evaluation der nun bestehenden Konzeption und der Vergleich der studentischen Bewertung mit den Evaluationen der Vorjahre, in denen die Bedeutung und Qualität der wissenschaftlichen Ausbildung nur mittelmäßig eingeschätzt wurde. Ausstehend ist auch die Überarbeitung der vorliegenden Konzeption, da die gewünschte Verzahnung der Einzelveranstaltungen innerhalb der Werkstatt Wissenschaft aufgrund formal-curriculärer Bedingungen nicht überall gelungen ist. Hierbei können und sollen auch andernorts erprobte organisatorische Abläufe berücksichtigt werden (z. B. Unterstützung durch Stabsstellen zur Unterstützung der Hochschuldidaktik; Köhler, Klink & Klink, 2019). Offene Fragen betreffen insbesondere die Beeinflussbarkeit der wissenschaftsbezogenen Einstellung der Studierenden: Können 17-/18-jährige Studierende in einer sehr frühen Phase des Studiums (1./2. FS) überhaupt und angemessen eine wissenschaftliche Grundhaltung entwickeln und vor allem auch eine Weitsicht für die Bedeutung einer solchen Grundhaltung im Beruf oder Alltag? Weitere Fragen betreffen den tatsächlichen Kompetenzerwerb und seinen Erhalt: Lässt sich ein wissenschaftsorientierter Kompetenzzuwachs operationalisieren oder evaluieren (z. B. mittels Test: Türktorun et al., 2019) und halten sich solche Zuwächse im Studienverlauf (z. B. 4./5. FS) bis hin zur Bachelor-Thesis?

5.3 Ausblick

Unabhängig von der Durchführung der ausstehenden Arbeitsschritte oder Bearbeitung der genannten Fragen ist allein die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Ausbildung ein entscheidendes Qualitätsmerkmal einer Universität. Universitäten basieren auf dieser Auseinandersetzung als Teil des Selbst- und Leitbildes, was insbesondere auch für sportwissenschaftliche Bildungsprozesse gilt. Entsprechend gilt es in der Sportwissenschaft den eigenen Anspruch in Bezug auf „Sport als Wissenschaft“ und die Frage nach der besten, zielgruppenorientierten Umsetzung diesbezüglicher Lern- und Bildungsprozesse ständig und dynamisch weiterzuentwickeln.

AUTOREN

Prof. Dr. Jens Kleinert ist Dipl.-Sportlehrer und approbierter Arzt, seit 2006 Professor für Sport- und Gesundheitspsychologie an der Deutschen Sporthochschule Köln; seit 2014 Prorektor für Studium und Lehre an der DSHS Köln; Arbeitsschwerpunkte Motivation, Emotion, Stress, Gruppe/Beziehung.

Dr. Fabian Pels ist seit 2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der DSHS Köln. Er ist Lehrkraft und Leiter von Modulen in der wissenschaftlichen Methodenausbildung und im Bereich Sport- und Gesundheitspsychologie. In der Forschung widmet er sich insbesondere Themengebieten Gruppendynamik und Stress.

LITERATUR

Bardmann, T. M. & Hansen, K. (2015). Die Kunst des Unterscheidens. Eine Einführung ins wissenschaftliche Denken und Arbeiten für soziale Berufe. Wiesbaden: Springer VS.

Bloom, B. S., Engelhart, M. D., Furst, E. J., Hill, W. H. & Krathwohl, D. R. (1956). Taxonomy of educational objectives: The classification of educational goals. Handbook I: Cognitive domain. New York: David McKay Company.

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