Skandalisierung & Viktimisierung
Gründe, Genese und Folgeeffekte der Reputationsschädigung durch mediale Berichterstattung
In zunehmender Weise lassen sich in der aktuellen Medienberichterstattung Skandalisierungen von Einzelpersonen beobachten, oftmals ungeachtet einer tatsächlichen, juristisch nachgewiesenen Schuld. Dies trifft nicht nur prominente Persönlichkeiten wie zuletzt etwa Wettermoderator Jörg Kachelmann oder den ehemaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sondern auch in der Öffentlichkeit unbekannte Privatpersonen.
Dies ist insofern von besonderer Relevanz, als die Folgen solcher Berichterstattung für die Dargestellten oftmals schwerwiegend, teilweise sogar existenzbedrohend, sind. Neben dem Reputationsverlust empfinden Opfer von Skandalberichterstattung oft auch eine Ohnmacht gegenüber der veröffentlichten Meinung, leiden unter sozialen Ausgrenzung sowie verstärkten Handlungs- und Konformitätsdruck und berichten von Schuld- und Angstzuständen – sie fühlen sich als Medienopfer. Aber auch aus gesellschaftlicher Perspektive werden solche Skandalisierungen zunehmend problematischer, da Negativdarstellungen von Personen in den Medien nicht nur häufiger, sondern auch mit einer neuen Qualität zu beobachten sind.
Journalistische Qualitätsansprüche – wie Richtigkeit, Vollständigkeit, Sachlichkeit, Neutralität – sind vielen Beobachtern zufolge in starke Bedrängnis geraten. Dies rührt möglicherweise daher, dass immer stärker werdende ökonomische Zwänge in der deutschen Medienlandschaft das journalistische Berufsethos und das allgemeine Berufsverständnis zunehmend in besonderer Weise auf den Prüfstand stellen – und die Entstehung von Medienopfern immer wahrscheinlicher werden lässt. Obwohl in Anbetracht der gesellschaftlichen Bedeutung und des Ausmaßes des Phänomens offenbar ein hoher Wissens- und Handlungsbedarf besteht, ist eine tiefer greifende Reflexion der dargestellten Problematik bisher nicht ernsthaft vorgenommen worden.
Entsprechend hat das Institut für Kommunikations- und Medienforschung ein Forschungsprojekt angestoßen, das Prozesse der Skandalisierung und Viktimisierung in den Medien grundlegend erforschen und einen kontinuierlichen Praxisaustausch fördern will. Angeregt werden soll ein konstruktiver Dialog zwischen Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen, Medienschaffenden und Medienopfern. Ziel des Projektes ist es, die mannigfaltigen Folgeeffekte von Skandalisierungen zu erforschen sowie Medienschaffende und -opfer für die jeweils andere Perspektive zu sensibilisieren und damit die Förderung eines respektvollen, aufgeklärten Umgangs zwischen Medienschaffenden und medial dargestellten Personen zu fördern.
Ein solcher offener Austausch zwischen Theorie und Praxis, Medienschaffenden und Medienopfern, die keine Vorverurteilungen vornimmt, scheint besonders Erfolg versprechend. Um ein möglichst breites Verständnis über die Thematik zu gewinnen, decken die konkreten Forschungsfragen ein großes Themenspektrum ab. Mehr zu Themen und Inhalten des Projekts erfahren Sie unter 'Teilprojekte'.