Skandalisierung & Viktimisierung
Skandale gelten seit jeher als wichtiges Korrektiv innerhalb demokratischer Gesellschaften. Indem sie auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen und Verstöße gegen zentrale Werte und Normen öffentlich brandmarken, bekräftigen sie das bestehende Wertgefüge und leisten einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Aus den genannten Gründen zählt die Aufdeckung und Thematisierung von Missständen auch zu den grundlegenden gesellschaftlichen Funktionen der Medien und wird von den Journalisten selbst auch als eine ihrer zentralen Aufgaben angesehen.
Trotz der positiven Funktion von Skandale für die Gesellschaft kommt es im Rahmen der massenmedialen Skandalberichtertstattung häufig zu erheblichen Reputationsschädigungen für die dargestellten Personen, die zum einen mit einer zunehmende Personalisierung, aber auch mit Boulevardisierungstendenzen in den Medien in Zusammenhang gebracht werden können. Sozialwissenschaftler konstatieren zudem, dass die Skandalisierung durch die Medien offenbar mehr und mehr zu einem Mittel des Aufmerksamkeitswettbewerbs werde.
Belastbare empirische Ergebnisse zu den Handlungsmotiven von Journalisten in Skandalfällen gibt es bislang jedoch nicht. Um einseitige Schuldzuweisungen zu vermeiden und Journalisten nicht die alleinige Verantwortung für negative Folgen der Berichterstattung zuzuschreiben, die erst durch die Aggregation verschiedener Einzelhandlungen entstehen und oftmals kaum zu überblicken sind, sollen im Teilprojekt „Zwischen Verantwortung und Handlungsdruck – Journalisten und ihre Rolle im Skandal“ neben internen Handlungsmotiven der Journalisten auch externe Rahmenbedingungen analysiert werden, die eine Skandalisierung und mögliche negative Folgeeffekte begünstigen können. Auf diese Weise soll die kontroverse Rolle der Journalisten im Skandal, bedingt durch Konflikte zwischen gesellschaftlicher Verantwortung, ökonomischen Imperativen und ethischen Prinzipien, genauer beleuchtet werden.
Ansprechpartnerin: Natascha Rother
Skandalisierungen von Personen und dadurch provozierte Skandale werden von den Medien auf unterschiedlichste Art und Weise dargestellt. Es kann zu einer umfangreichen, Würde verletzenden und das Berichterstattungssubjekt persönlich diskreditierenden Berichterstattung kommen, die Folgen für die skandalisierte Person, und auch, denkt man beispielsweise an Vertrauensverluste in Politik oder Medien, für die gesamte Gesellschaft mit sich bringen können. Als Gründe dieser in manchen Fällen scheinbar willkürlich einsetzenden intensiven Skandalisierung werden Mechanismen der Berichterstattung, das Selbstverständnis der Journalisten und auch der zunehmende ökonomische Druck unter den Medien benannt.
In diesem Teilprojekt werden Skandalisierungen und Skandale in der gegenwärtigen Berichterstattung beschrieben. Es wird untersucht, ob mögliche Berichterstattungsmuster auf Basis der Nachrichtenwertforschung auf Ereignismerkmale zurückgeführt werden können, welchen von Journalisten aufgrund ihrer Präferenzen ein Wert zugeschrieben wird. Zentrale Forschungsfragen des Teilprojektes lauten: „Auf welche nachrichten-, themen-, und personenspezifischen Merkmale legen Journalisten bei der Berichterstattung Wert? Welche Merkmale weist eine intensive Berichterstattung über eine Normüberschreitung auf? Welche Rolle kommt diesen in Bezug auf die Intensität der Skandalisierung zu?“
Untersuchungsgegenstand des Teilprojekts sind vorwiegend Medieninhalte als Produkt der Redaktion. Da die Bewertungen einzelner Merkmale jedoch nur von den Journalisten selbst vollzogen werden kann, wird ein zweistufiges Analysemodell entwickelt. Es beinhaltet eine Journalistenbefragung zur Auswahl und Validierung relevanter Ereignismerkmale sowie eine inhaltsanalytische Untersuchung der Berichterstattung zur Analyse der Bedeutung der als wichtig erachteten Merkmale in der Berichterstattung.
Ansprechpartnerin: Inga Oelrichs
Sozial- und Kommunikationswissenschaftler betonen vielfach eine Häufung medialer Skandalisierungen, die sehr weitreichende und nicht zu unterschätzende individuelle und gesellschaftliche Folgen nach sich ziehen können. Eine zunehmende Skandalisierung von Norm- und Wertebrüchen wird unter anderem vor dem Hintergrund des Kampfes um die Aufmerksamkeit der Rezipienten besonders seit der Deregulierung der Medien in den 80er Jahren und bspw. als Indikator der Boulevardisierung postuliert. Einhergehend mit einer skandalträchtigeren Berichterstattung geht die Annahme einer Viktimisierung. Das heißt konkret, dass das vermehrte und teilweise willkürliche Anprangern von Personen Folgen wie Glaubwürdigkeits- und Reputationsverlust sowie Effekte psychischer Art für die Betroffenen nach sich ziehen kann. Umfassende empirische Ergebnisse, die eine verstärkte Skandalberichterstattung bestätigen, gibt es bislang allerdings nicht – zumindest nicht für die deutsche Medienlandschaft.
Das Teilprojekt mit dem Titel „Veränderung der Skandalberichterstattung“ beschäftigt sich daher mit der Struktur und dem Inhalt der Skandalberichterstattung sowie ihrem Wandel im Zeitverlauf. Im Fokus des Interesses stehen dabei Aspekte wie Häufigkeit, Umfang und thematische Ausrichtung, die sowohl für den Bereich der Boulevard- als auch Qualitätspresse analysiert werden sollen. Im Zusammenhang einer Viktimisierung, die als Effekt einer skandalöseren Darstellung auftritt, sollen zudem Merkmale einer Skandalberichterstattung auf der wertenden Ebene untersucht werden - bspw. der Grad einer Personalisierung, die sich vor dem Hintergrund der Privatisierung der Öffentlichkeit verstärkt hat.
Ansprechpartnerin: Viktoria Ribel
Dieses Teilprojekt beschäftigt sich mit der Ermittlung ökonomischer Attraktivität eines Skandals für die Medien.
Das Teilprojekt „Die Rezeption von Skandalen“ untersucht ausgewählte Aspekte der Rezeption von massenmedialer Berichterstattung über Skandale. Das massenmediale Publikum und die Rezipienten massenmedialer Berichterstattung werden als konstitutiver Bestandteil für Genese und Entwicklung eines Skandals in modernen Gesellschaften gehandelt. Ausgehend von der These, dass Skandale einen massenattraktiven Medieninhalt darstellen, der in erhöhtem Maße vom Medienpublikum nachgefragt wird, untersucht das Projekt das Verhalten der Medienrezipienten in der präkommunikativen Phase – der Phase des Kommunikationsprozesses, in der das massenmediale Publikum seine Selektionsentscheidungen trifft. Dabei stehen Fragen nach der Motivation und Gratifikation hinter Selektions- und Rezeptionsentscheidungen bei Rezipienten von medialer Skandalberichterstattung im Fokus der Betrachtung.
Ansprechpartner: Jan Chistopher Lüke
Die Wirkung unterschiedlicher Darstellungsarten und -formen im Zusammenhang mit skandalisierender Berichterstattung
Ziel des Teilprojektes ist es die Wirkungen und potenziellen Viktimisierungen von skandalisierender Berichterstattung zu ermitteln. In experimentellen Studien sollen mit Hilfe von multimethodischen Untersuchungsdesigns Wirkungen auf Kommunikatoren, Rezipienten und die dargestellten Personen analysiert werden.
Medienopfer in Deutschland - eine Analyse der Folgen skandalisierter Berichterstattung
Ansprechpartner: Kajo Fritz
Effektivität des reaktiven Reputationsmanagements im Falle massenmedialer Skandalisierungen
Mit einer Zunahme massenmedialer Skandalisierung geht auch ein gesteigertes Risiko der Reputationsschädigung einher. An diese Problemstellung anknüpfend soll dieses Teilprojekt die Frage nach der Effektivität kommunikativer Maßnahmen zum Schutz vor Reputationsschädigung im Falle massenmedialer Skandalisierung von Einzelpersonen beantworten.
Ansprechpartnerin: Sarah Mooslechner