Die Macht der Hormone
Welche Rolle sie im Sport spielen, wie sie unsere Leistung beeinflussen und warum Hormone heutzutage hip sind.
Hormone sind wie die Heinzelmännchen. Sie sind kleine Helferlein, die im Verborgenen fleißig ihre Arbeit verrichten, ohne dass wir sie richtig wahrnehmen oder zu schätzen wissen. Meist bemerken wir sie erst in ganz besonderen Situationen oder dann, wenn sie aus der Balance geraten sind. Wie häufig werden Stimmungsschwankungen bei Schwangeren mit dem Kommentar „Ach ja, die Hormone“ abgetan. Aber auch für ernsthafte Erkrankungen können Hormone verantwortlich sein, zum Beispiel das Insulin für den Diabetes. Die Entdeckung des Insulins und seiner Aufgabe bei der Umwandlung von Zucker in Energie ist wohl einer der spektakulärsten Erfolge der Hormonforschung. Bis heute sind etwa 100 verschiedene Hormone bekannt. Wissenschaftler*innen vermuten jedoch, dass mindestens 1.000 dieser Botenstoffe existieren, die unbemerkt, aber wirkungsvoll dafür sorgen, dass in unserem Körper alles richtig funktioniert. Denn: Hormone beeinflussen und steuern viele Prozesse und Stoffwechselvorgänge in unserem Körper. Sie sorgen dafür, dass die Organe und Zellen im Körper miteinander kommunizieren können und setzen verschiedene Regulationsfunktionen in Gang. Produziert werden diese biochemischen Botenstoffe von unseren Zellen selbst. Der Begriff „Hormon“ wurde Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt, er leitet sich ab vom altgriechischen Wort für „antreiben, erregen“. Die Wissenschaft zur Erforschung der Hormone bezeichnet man als Endokrinologie.
Das Adrenalin – das sogenannte Alarmhormon – ist übrigens das erste Hormon, das als solches entdeckt und bezeichnet wurde. Relativ früh mit dabei waren auch Insulin, die Geschlechtshormone (z.B. Östrogene und Testosteron) sowie das Stresshormon Cortisol. Einige der bekannten Hormone sind sehr populär und vielen Menschen ein Begriff, zum Beispiel Testosteron oder Endorphin. Viele weitere Hormone sind hingegen eher unbekannt, und bei manchen ist sogar gar nicht klar, ob es sich überhaupt um Hormone handelt, denn der Übergang von Wachstumsfaktor, Neurotransmitter und Hormon ist fließend. Das Spannende: Es werden immer wieder neue Hormone entdeckt. So sind etwa einige Hormone, die unser Essverhalten steuern, erst vor 20 Jahren entdeckt worden. Sie werden in Geweben gebildet, in denen man es nicht vermutet hätte. Die Geschichte der Hormone ist also noch längst nicht auserzählt …
Hormone regulieren unter anderem unseren Stoffwechsel und die Nahrungsaufnahme, die Fortpflanzung, das Knochenwachstum, den Muskelaufbau sowie die geistige Aktivität. Doch welche Hormone sind im Sport besonders relevant? Sowohl Stress- als auch Glückshormone spielen hier eine wichtige Rolle. Das „Stresshormon“ Cortisol etwa hat eine zentrale Funktion bei der Energiebereitstellung in Form von Glukose. Bewegen wir uns, wird bereits nach ein paar Minuten Cortisol ausgeschüttet und der Körper kann Energie gewinnen. Auch das Hormon Adrenalin wird gerne im Zusammenhang mit Sport und Bewegung genannt; es sorgt dafür, dass der Körper Energie freisetzt, Herzfrequenz und Blutdruck erhöht und die Muskulatur mit Energie versorgt. Seit über 30 Jahren bewegt sich Sporthochschul-Professor Patrick Diel auf diesem faszinierenden Forschungsfeld (siehe auch Interview). Als Biologe, Biochemiker und Endokrinologe erforscht er Hormone. Dabei interessiert er sich insbesondere für das Hormonsystem der Frau in der Menopause: „Während beim Mann das Testosteron im Laufe der Jahre langsam sinkt, sinkt bei der Frau in der Menopause der Östrogenspiegel dramatisch innerhalb sehr kurzer Zeit ab. Ich finde das höchst spannend.“ An der Deutschen Sporthochschule Köln ist er aber nicht der einzige, der sich mit dem Zusammenhang von Hormonen und Sport befasst.
Mitbegründet hat das Forschungsthema an der Spoho unter anderem Professorin Petra Platen, die mittlerweile an der Ruhr-Universität Bochum lehrt und forscht. Sie nahm die Hormonforschung im Sport in den Blick, als das Thema noch in der „Da redet man nicht drüber“-Ecke stand. „Ich hatte damals das Glück, dass mir Forschungsgelder bewilligt wurden und ich erste kleine Studien durchführen konnte“, sagt die Humanmedizinerin, die von 1987 bis 2005 an der Sporthochschule tätig war. Wie sie zu dem Forschungsthema gekommen ist, erklärt die Wissenschaftlerin so: „Es hat mich interessiert, ich war eine Frau und Leistungssportlerin. Das hat scheinbar gut gepasst.“ Die ehemalige Handball-Nationalspielerin arbeitet aktuell, gemeinsam mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), an einem Forschungsprojekt zum Thema Zyklus-Tracking. „Frühere Studien aus meiner Arbeitsgruppe deuten darauf hin, dass das Krafttraining während der ersten Zyklushälfte und um den Eisprung herum besonders effektiv ist. Für die Trainingssteuerung und -planung sind solche Erkenntnisse von großer Bedeutung und müssen weiter erforscht werden“, sagt Platen. Sie geht davon aus, dass zyklusbasiertes Training in Zukunft einen immer größeren Stellenwert erreichen wird.
„Da redet man nicht drüber“ gehört also längst der Vergangenheit an. Hormone sind im Sport – auch jenseits der Dopingdebatte – angekommen.