Und was trackst Du?!
Olli, was trackst du?
Bei verschiedenen Sportarten und Aktivitäten, wie beispielsweise Lauf- oder Radeinheiten, tracke ich vor allem die Herzfrequenz, um damit eine Abschätzung der Trainingsbeanspruchung zu bekommen. Meine Uhr ermittelt darüber hinaus die Ruheherzfrequenz im Schlaf und leitet daraus im Tagesverlauf mein Stresslevel ab. Andere Werte wie VO₂max, die die Uhr eigentlich gar nicht messen kann, interessieren mich nicht so sehr.
Moritz, was trackst du?
Ich tracke gar nichts mehr. Früher, als ich noch im Laufsport aktiv war, habe ich viel aus einem Leistungsgedanken heraus getrackt und alles ausgewertet. Damals habe ich Leute erlebt, die wie besessen davon waren, alles aufzuzeichnen. Jetzt trainiere ich nur noch nach Gefühl. Es war wie eine Befreiung, einfach loslaufen oder losfahren zu können, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie man die Trainingseinheit aufzeichnen oder in den Trainingsplan integrieren kann.
Olli, was tust du, wenn die Uhr dir sagt, du sollst dein Stresslevel reduzieren?
Ich ziehe keine unmittelbare Konsequenz daraus. Wenn aber schon die Uhr erkennt, dass ich Stress habe, ist das für mich ein zusätzlicher Faktor, der mich darin bestärkt, mein Pensum etwas zu reduzieren.
Wieso kann deine Uhr den VO₂max-Wert nicht messen?
Ich mache im Labor leistungsdiagnostische Untersuchungen und nehme auch selbst als Proband an Studien teil. Da-her kenne ich meine Werte genau und weiß, dass sie mit den Angaben der Uhr nicht übereinstimmen. Meine Uhr sagt mir gerade, meine VO₂max läge bei 59. Ich weiß aber, dass mein Wert momentan eher bei 65 oder 66 liegt. Die Uhr nutzt standardisierte Algorithmen und weiß nicht, wie ökonomisch ich laufe oder wie viel Sauerstoff ich verbrauche. So einen Wert kann man derzeit nur im Labor korrekt bestimmen.
Moritz, wieso ist der ermittelte VO₂max-Wert so ungenau?
Die Uhren messen diesen Wert unterschiedlich. Entweder alleine aus der Ruheherzfrequenz unter Berücksichtigung beispielsweise anthropometrischer Daten und dem Leistungslevel oder aus einer Kombination von Geschwindigkeit und der Belastungsherzfrequenz. Weil aber in diesen Wert noch viel mehr Faktoren mit reinspielen, ist die VO₂max der Uhr immer nur eine grobe Schätzung. Wir haben in einer Meta-Analyse die Genauigkeit verschiedener Uhren zusammengetragen und dargestellt, dass die Uhren bei Belastung individuelle Abweichungen von bis zu 17 Milliliter pro Kilogramm pro Minute aufzeigen. Im Ruhe-Setting waren es sogar bis zu 30 Milliliter.
Olli, welche positiven Erfahrungen hast du mit Wearables gemacht?
Meine Eltern sind im absoluten Freizeitbereich unterwegs und nutzen beide Wearables, die ihre Aktivitäten und die Herzfrequenz aufzeichnen. Ich habe den Eindruck, dass die Wearables sie motivieren. Meine Mama freut sich immer, wenn sie ihr Schritt-Ziel erreicht und es dann eine Vibration und ein Feuerwerk auf der Uhr gibt. Sie beschäftigt sich seitdem auch viel mehr mit gesundem Lebensstil und ausreichend Schlaf.
Moritz, gibt es wissenschaftliche Belege, dass Wearables motivieren können?
Ja! Wenn es nur darum geht, Bewegungsverhalten zu verändern und ein grobes Feedback zu geben, dann gibt es Studien, die ganz klar zeigen: Wearables nutzen etwas. Die Leute werden fitter und sind gesünder. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass die Körperzusammensetzung dadurch verbessert wird.
Was kritisierst du an Wearables?
Ich glaube, die Gefahr liegt darin, dass wir uns zu sehr auf die Geräte verlassen. Die Geräte geben vor, etwas zu messen und wir verlassen uns darauf, ohne den Algorithmus zu kennen, der hinter der Messung steht. Im Freizeitbereich ist das nicht so kritisch. Wenn wir aber im Leistungssport oder im klinischen Setting sind, muss man sich auf die Wearables verlassen können. Ein anderer Punkt ist die Datensicherheit: Je mehr Funktionen Wearables haben, desto mehr Informationen werden auch gespeichert. Was mit den Daten geschieht, darüber haben wir keine Kontrolle mehr.
Olli, was würdest du gerne mal tracken können?
Es wird momentan viel zu Sensoren geforscht, die die Glucose im Blut live tracken können. Das hätte ich gerne für Laktat. Wenn man mit einer hohen Abtastrate die Laktatkonzentration im Blut während der Belastung messen könnte, würde das die komplette Leistungsdiagnostik verändern. In Kombination mit GPS-Uhren und Powermetern könnte man leistungsdiagnostische Verfahren direkt selbst auf dem Platz beziehungsweise im Feld durchführen und müsste nicht unbedingt ins Labor. Das könnte auch das Pacingverhalten im Wettkampf entscheidend verändern.
Moritz, welche Funktionen sind besonders interessant?
Ich bin da etwas abgebrüht, weil wir viele der Werte – zumindest bisher – im Labor oft viel präziser erheben können. Aber wenn es um EKG-Funktionen geht, ist es schon erstaunlich, wie präzise die Uhren in der Lage sind, ein Mehrkanal-EKG abzuleiten. Beim Schlaf-Tracking könnten wir schon bald in Situationen kommen, dass Wearables intervenieren und den Schlaf beeinflussen können; also Gehirnströme messen und beeinflussen. Das könnte irgendwann vielleicht sogar Medikamente ersetzten. Statt einer Schlaftablette könnten Wearables dann Wellen aussenden, die dafür sorgen, dass man länger und besser schläft.
Kannst du ein Wearable empfehlen?
Das kann ich nicht, denn es gibt derzeit keine Vergleichsmöglichkeit. Ich würde empfehlen, ein Wearable zu suchen, das für den eigenen Nutzen wissenschaftlich validiert ist. Das sind aber nicht viele und man muss sich leider derzeit durch Studien wälzen, um das herauszufinden.
Dr. Oliver Quittmann
Dr. Oliver Quittmann untersucht Spitzensportler*innen und hat Spaß daran, auch seine eigene Leistung aufzuzeichnen. Seine Multisport-Smartwatch trägt er am Tag und in der Nacht. Bei seinen Eltern hat er gesehen, wie motivierend die technischen Hilfsmittel sein können, um mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren.
PD Dr. Moritz Schumann
PD Dr. Moritz Schumann forscht zur Wearable-Technologie, trackt selbst aber seit Jahren nichts mehr. Einfach ohne technisches Equipment loslaufen zu können, war nach jahrelangem Tracking wie eine Befreiung für ihn. In seiner Forschung möchte er die Algorithmen der Wearables verstehen und sie sportwissenschaftlich prüfen.
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Gut zu wissen
VO₂max steht für Volumen (V), Sauerstoff (O₂) und Maximum (max) und gilt als Maß der maximalen Sauerstoffaufnahme. Der VOmax -Wert bestimmt, wie viel Sauerstoff ein Mensch während der Belastung aufnehmen und wird in ml/min/kg angegeben. Je höher der Wert, desto höher die mögliche Ausdauerleistungsfähigkeit beziehungsweise das Leistungspotential. Die Beurteilung des VO₂max-Wertes ist abhängig von Alter und Geschlecht. Ein Wert von über 55 gilt bei einem 30-jährigen Mann als ausgezeichnet.