KI-Forschungsprojekte an der Spoho
Um die KI-Forschung in Deutschland zu stärken, bieten die großen Förderinstitutionen1 verschiedene Förderlinien an und finanzieren damit explizit Forschungsprojekte zur Künstlichen Intelligenz. Ziel dieser Förderlinien ist es, die Technologie weiterzuentwickeln, Potenziale zu heben und Risiken zu minimieren. An der Sporthochschule führen Wissenschaftler*innen verschiedener Institute und Abteilungen Forschungsprojekte mit KI-Bezug durch. Eine Auswahl an Projekten und Forschungsergebnissen stellen wir hier vor.
Im BMBF-geförderten Projekt „Multimodales immersives Lernen mit Künstlicher Intelligenz für psychomotorische Fähigkeiten“ (MILKI-PSY) werden virtuelle Welten entwickelt, die digitale Informationen mit der realen Umgebung kombinieren. Sie sollen das Erlernen psychomotorischer Fähigkeiten unterstützen. Dabei kommt Augmented Reality (AR; erweiterte Realität) zum Einsatz. Kameras und Sensoren zeichnen zunächst optimierte Bewegungsabläufe von Trainer*innen bzw. Expert*innen auf. Aus diesen Aufnahmen werden Bewegungsvorbilder generiert, die den Lernenden in Echtzeit einen direkten Soll-/Ist-Wert-Vergleich bieten. Getestet wurden bisher zwei unterschiedliche Systeme zum Fitness- bzw. Studio-Tanz-Training. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Proband*innen durch passives Feedback in einem Live-Spiegelbild tendenziell besser lernen. Zukünftige Folgeprojekte sollen sich mit dem Einsatz von Avataren zum besseren Bewegungslernen beschäftigen.
Kontakt: Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik; Mai Geisen, Tobias Baumgartner, Nina Riedl, Stefanie Klatt
Computer Vision zum Erlernen des Golf-Putts
Computer Vision kombiniert Kameras, Netzwerke, Software und Künstliche Intelligenz (KI), um Systemen dabei zu helfen, Objekte zu „sehen“ und zu identifizieren. Große Datenmengen können automatisch strukturiert werden. Als neues Verfahren, um den Putt im Golf zu erlernen, entwickelten Forschende einen Extended Reality (XR) Trainer. Dieser demonstriert den Lernenden mit einer HoloLens-Brille eine idealisierte Schlagausführung in der realen Umgebung. Die Übenden können so den eigenen Schlag leichter anpassen. Eine erste Studie hat mit Hilfe von Computer Vision gezeigt: Nicht nur Feedback von einem Trainer, sondern auch Übungen mit dem XR-Trainer erzeugen Trainingseffekte. Zukünftige Langzeitstudien sollen prüfen, inwiefern die Lerneffekte eines XR-Trainers über die eines herkömmlichen Trainings hinausgehen können.
Kontakt: Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik; Mai Geisen, André Nicklas, Tobias Baumgartner, Stefanie Klatt
Gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz hat das Institut für Biochemie erforscht, wie ein datengesteuerter Ansatz zeit- und kostensparend helfen kann, betrügerisches Verhalten im Sport aufzudecken. Mit Hilfe von Techniken des Maschinellen Lernens untersuchten die Forschenden Steroidprofile (u.a. Testosteron) im Urin. Ihr Ziel: eine Visualisierungshilfe für das Steroid-Längsprofil von Athlet*innen zu erhalten, um Profile verschiedener Athlet*innen besser vergleichen zu können. Die Wissenschaftler*innen erhoffen sich, manipulierte Dopingproben (besonders vertauschte Proben) besser aufdecken zu können, um ggf. weitere Dopingtests bei verdächtigen Sportler*innen zu veranlassen. Das entwickelte Modell befindet sich momentan in der Testphase und soll im kommenden Jahr zusammen mit der Welt Anti-Doping Agentur evaluiert werden.
Kontakt: Institut für Biochemie & Zentrum für Präventive Dopingforschung; Dr. Thomas Piper
Lernende Roboter sollen den Menschen trainieren und unterstützen – dieses Ziel verfolgt das BMBFgeförderte Forschungsprojekt RosyLerNT, gesprochen „Rosy lernt“. Die Projektpartner entwickelten eine Roboter-Beinpresse, einen automatisierten Geh- und Lauftrainer und eine roboterbasierte Tragehilfe. Alle Assistenzsysteme können so programmiert werden, dass sie die Nutzer*innen erkennen, von ihnen lernen und dem Menschen helfen, Überlastungen zu vermeiden. Kurz vor der Marktreife steht „RoboGym“, ein Trainingsgerät, das neuromuskuläres Training im Leistungs- und Gesundheitssport sowie in der Rehabilitation ermöglicht. Der Roboter kann das Training des Menschen in Echtzeit überwachen und über lernende Algorithmen so steuern, dass die Gelenkbelastung konstant bleibt. RoboGym wird von Wissenschaftler*innen der Spoho betreut; aktuell gibt es zwei CE-zertifizierte Pilotprodukte; eine Serienproduktion in Kollaboration mit dem Robotikintegrator BEC Robotics (Reutlingen) steht noch aus.
Kontakt: Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft; Prof.'in Dr. Kirsten Albracht & Dr. Björn Braunstein
Um Techniken des Maschinellen Lernens anzuwenden, etwa für die Analyse von Videodaten, bedarf es einer großen Datenmenge. Da viele biomechanische Datensätze keine 2D-Videodaten, sondern 3D-Bewegungsdaten enthalten, haben Wissenschaftler*innen des Instituts für Biomechanik und Orthopädie in Kooperation mit Dr. Marion Mundt von der University of Western Australia eine neuartige Methode vorgestellt, mit der 3D-Bewegungsdatensätze genutzt werden können, um fehlende oder alternative Kameraansichten zur 2D-Videoanalyse zu erstellen.
Kontakt: Institut für Biomechanik und Orthopädie; Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Potthast & Dr. Johannes Funken
for Sports Analytics“ (MM4SPA) ist ein Transferprojekt zur Sportdatenanalyse, das vom BMBF im Programm „Anwendung von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der Praxis“ gefördert wurde. Methoden des Maschinellen Lernens wurden in die bestehende Analyseplattform des Industriepartners KINEXON, einem Experten für Echtzeiterhebung und -verarbeitung von Sportleistungsdaten, integriert. Dabei kamen erfolgreich verschiedene KI-Systeme zum Einsatz, welche Daten verschiedener Typen und Quellen (z.B. Videoaufzeichnungen, Tracking-/Positionsdaten, manuelle Eingaben durch Expert*innen) verarbeiten, synchronisieren und anreichern konnten, um letztlich taktische Bewegungsmuster, sportartspezifische Ereignisse und Spielleistungen im Hand- und Fußball zu erkennen und zu bewerten.
Kontakt: Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik; Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert
Das „Universitäre Lehrkonzept für KI in den Sportwissenschaften“ (uLKIS) ist ein Forschungsvorhaben zum Maschinellen Lernen, das vom BMBF im Förderprogramm „Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung“ gefördert wird. Ziel ist es, Ausbildungsmaßnahmen zum Maschinellen Lernen zu erweitern und die KI-Kompetenz von Beschäftigten und Studierenden der Sporthochschule zu stärken. Von drei geplanten Modulen ist eines vollständig fertiggestellt und bereits an den Projektbeirat, interessierte Studierende sowie andere Universitäten zur Testung und Verwendung bereitgestellt worden. Das zweite Modul soll Ende April ausgerollt werden.
Kontakt: Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik; Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert
Das DFG-geförderte Forschungsprojekt „Simulation interaktiver Handlungssequenzen am Beispiel des Hochleistungs-Fußballs“ will Simulationsansätze zum Kreativitätstraining auf der Basis eines neuentwickelten experimentellen Positionsdaten-Paradigmas erstellen und auf höheren Leistungsebenen umsetzen, testen und bewerten. Inwieweit sich das Konzept der Kreativität auf die Eins-gegen-Eins-Situationen (insbesondere anhand von Positionsdaten) und die Simulationen von Gruppen- und Mannschaftstaktiken übertragen lässt, wird derzeit ausgewertet.
Kontakt: Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik; Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert
Sportinformatikprojekt „Data-Driven Approaches for Soccer Match Analysis: an e-Science Perspective“ (Datengestützte Ansätze für die Analyse von Fußballspielen: eine e-Science-Perspektive) werden komplexe, unstrukturierte und multimodale Daten am Beispiel von Positionsdaten und Videodaten im Hochleistungsfußball analysiert. Wissenschaftler*innen machen sich dabei das Paradigma der e-Science zunutze. Geforscht wird kollaborativ über eine umfangreiche, rein digitale Infrastruktur. Das ermöglicht neue Methoden der Datenerhebung, -analyse, -organisation, -verteilung, -visualisierung, -verbreitung und -archivierung. Im Projektverlauf werden Positionsdaten mit individuellen Messmethoden aufgenommen, in ein gemeinsames Format gebracht und zur Sequenzierung und Analyse von Ballbesitzphasen verwendet. Um eine räumliche Repräsentation des Fußballspiels zu schaffen, wurden Methoden aus der Graphentheorie, maschinellem Lernen und Computer Vision verbunden.
Kontakt: Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert
Das BMBF-geförderte Projekt #vortanz nutzt Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen, um ein bereits bestehendes Software-System zu erweitern, das Bewegungen automatisch erkennen und einordnen kann. Diese sogenannten Annotationen können in Echtzeit im Tanzraum oder im Nachhinein in einer Videoaufzeichnung erstellt werden. KI kann dabei helfen, Videoformate zu erweitern und für analytisches und kreatives Arbeiten nutzbar zu machen. Die Verwendung von Videoannotationen soll das Lehren und Lernen in der Tanzpraxis und der Hochschultanzausbildung verbessern. Derzeit kommt die KI-gestützte Software in der Spoho-Lehre zum Einsatz, um Lernprozesse in Kursen zu unterstützen und Lernerfolge zu untersuchen.
Kontakt: Institut für Tanz und Bewegungskultur, Univ.-Prof.'in Dr. Claudia Steinberg
1 Die Auflistung enthält Projekte, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Welt Anti-Doping Agentur (WADA) an der Sporthochschule gefördert werden. Darüber hinaus gibt es viele weitere „kleinere“ Forschungsprojekte, die sich mit Künstlicher Intelligenz befassen.
Praxisbeispiel
Helena Miko, Dozentin am Institut für Tanz und Bewegungskultur, wird im Sommersemester 2023 mit ihren Studierenden KI-Funktionen im Kurs „Bewegung und Gestalten - Tanz” nutzen. Die KI des sog. Motion Bank Systems, das im Rahmen des Forschungsprojekts #vortanz entwickelt wurde, soll zum Einsatz kommen, um Bewegungsgewohnheiten in Improvisationsaufgaben zu reflektieren und Gestaltungsprozesse zu begleiten. Zunächst sollen die Studierenden die Software kennenlernen und sich mit der Technik vertraut machen. Das Tool soll dann zur Bewegungsrecherche und -reflektion genutzt werden. „Die Studierenden sollen mit dem Annotationstool arbeiten, das Bewegung automatisch erkennt und einordnet. Mit der KI können sie das Bewegungsmaterial gemeinsam reflektieren, diskutieren und daraus wiederum ihr Bewegungsrepertoire weiterentwickeln. Die Informationen der KI fließen somit produktiv in Gestaltungsprozesse ein”, sagt Helena Miko.