Sportpolitik studieren

Alana Richardson und Martin Maurer studie­ren den M.A. International Sport Development und Politics (M.A. DEV). Drei Semester lang haben sie bereits Erfahrungen ge­sammelt und schreiben nun demnächst ihre Thesis. Wir haben mit der Australierin und dem Deutschen über die Besonderheiten des Studiengangs und aktuelle sportpolitische Themen ge­sprochen.

Sportpolitik ist das Thema eures Studiengangs. Wo begegnet uns Sportpolitik eigentlich im Alltag?

Alana: Von der städtischen Sportpolitik bis zur großen internationalen Bühne gibt es viele Beispiele. Eine Frage der kommunalen Sportpolitik ist etwa, welche Möglichkeiten Bürger*innen haben, im Stadtgebiet aktiv zu sein und sich sportlich zu betätigen. Da müssen wir nur rüber zur Jahnwiese gehen und uns die öffentlichen Sport­räume ansehen.
Martin: Das wäre die Alltagsperspek­tive von Sportpolitik. Wenn wir uns den Profisport anschauen, dann geht es hier zum Beispiel um Transferre­geln und Athlet*innenrechte. Solche Regeln und Rechte wurden über die Jahre hinweg ausgehandelt. Auch das ist Sportpolitik. Oder Fragen dazu, wie sich Sportsysteme entwickeln, Stich­wort Super League, wo Sportgroß­ereignisse stattfinden und was sich die ausrichtenden Länder davon erhoffen.

Für welche Aspekte interessiert ihr euch besonders?

Alana: Ich habe mein Interesse für die Sportentwicklungszusammenarbeit entdeckt: ,Sport for Development'. Wir haben uns mit den Theorien beschäf­tigt, mit den Machtverhältnissen, den Finanzierungsstrategien und konkreten Projekten. Ich könnte mir vorstellen, da in Zukunft auch beruf­lich einzusteigen.
Martin: Ich finde die Anti-Doping-Arbeit total spannend. Ich kannte natürlich Institutionen wie die NADA und WADA, aber mir ist jetzt erst klar geworden, wie deren Arbeit auch unser tägliches Sporttreiben und das der Spitzensport­ler*innen beeinflusst. Wir haben hier teils sehr detaillierte Einblicke in Fälle erhalten - das fand ich super span­nend.

Teil des Studiengangs ist auch ein Praktikum oder eine internationale Summer School. Für was habt ihr euch entschieden?

Alana: Ich habe mit einigen Kommili­ton *innen an einem Simulationsspiel teilgenommen. Das ist ein Wettbewerb gegen andere Universitäten, bei dem wir so tun, als wären wir ein privates Unternehmen, das dem Internatio­nalen Olympischen Komitee Unterstüt­zung anbietet. Die Aufgabe bestand darin, ein Unternehmen vorzustellen und dann eine Social-Media-Strategie für internationale Sportverbände zu entwickeln. Diesen Praxisbezug fand ich sehr wertvoll.
Martin: Ich habe an einer Summer School in den Niederlanden zu Sport und Menschenrechten teilgenommen, organisiert von der Fifpro, das ist die internationale Spielergewerkschaft im Profifußball. Hier standen vor allem Rechtsthemen im Vordergrund, was ich sehr interessant fand. Es gab viele praxisnahe Beispiele und interessante Gastvorträge von Institutionen wie der FIFA oder der International Labour Organization - alles in allem eine bemerkenswerte Gelegenheit, um über aktuelle Themen und Fälle sehr detail­liert zu sprechen.

Habt ihr schon Ideen für eure Abschlussarbeit?

Martin: Ich möchte gerne den Gender Pay Gap, also das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern, im Tennis behan­deln. Im Tennis gibt es eine sehr gute Datenbasis, was Preisgelder, Reise­kosten und andere Ausgaben angeht, und das möchte ich nutzen, um mir die unterschiedlichen Verdienstmöglich­keiten je nach Weltranglistenplatzie­rung anzuschauen.
Alana: Ich möchte mich näher mit den Finanzierungsstrukturen im Bereich Sport für Entwicklung beschäftigen. Die Mittelvergabe ist ja häufig an sehr strenge Kriterien und Berichts­pflichten gebunden. Es gibt aber auch eine Organisation in den Niederlanden, die ein alternatives Finanzierungs­modell entwickelt hat, das die Mittel­vergabe an nur wenige Bedingungen knüpft. Wir wollen also diese Fallstudie als innovatives Beispiel nutzen, um zu zeigen, wie ein Modell auch anders funktionieren kann.

Neben der breiten Themenpalette des M.A. DEV zeichnet sich der Studiengang auch durch Internatio­nalität und Vielfalt aus. Was sind für euch die Vorteile dieser gemischten Gruppe?

Martin:
Unsere Gruppe ist auf vielen Ebenen sehr gemischt und das bringt für mich persönlich nur Vorteile mit. Wir haben unterschiedliche Bachelor­abschlüsse, sprechen verschiedene Sprachen, kommen aus Ländern aus der ganzen Welt, sind unterschied­lich alt. Diese Diversität war für mich der wertvollste Teil, weil wir dadurch ganz viele Einblicke, Denkansätze und Meinungen gehört haben. Wir haben oft darüber gesprochen, wie Dinge in Deutschland und in Europa sind, und dass sie anderswo vielleicht komplett anders oder besser laufen. Dieses Über­-den-Tellerrand-schauen sorgt auch dafür, offen für andere Lösungswege zu sein.
Alana: Die Studieninhalte zum Sport, zur Sportpolitik und zur Sportent­wicklung sind sehr vielfältig, und das ist in meinen Augen wirklich etwas Besonderes. Egal in welchem Berufs­feld wir später landen, wir bringen ein sehr breites Wissen mit. Wenn ich zum Beispiel in die Sportentwicklung gehe, habe ich auch viel über Politik, Recht, Wirtschaft und Gesellschaft gelernt. Vermutlich haben wir 27 verschiedene Abschlussthemen und landen in 27 unterschiedlichen Jobs, aber wir haben alle zumindest ein kleines Verständnis von jedem Thema.

Welche Persönlichkeit aus der Politik und/oder aus dem Sport würdet ihr gerne mal persönlich treffen?

Alana: Gianni lnfantino, der derzeitige FIFA-Chef, wäre ein spannender Gesprächspartner. Wir haben in unseren Kursen viel Zeit damit verbracht, über die Fußball-WM in Katar zu sprechen und die Entscheidungen der FIFA zu kritisieren. Daher fände ich es sehr interessant, seine Perspektive nochmal zu hören, mit der ich in vielen Punkten nicht einverstanden bin.
Martin: Ich würde Bundeskanzler Olaf Scholz wählen, weil er die wichtigste Person in Deutschland ist. Ich würde ihn fragen, warum es kein eigenständiges Sport­ministerium gibt und warum der Sport nicht ganz oben aufgehängt ist. Das Bundesinnenministerium kümmert sich um den Spitzensport, aber was ist mit dem Freizeit- und Vereinssport? Das ist alles sehr verstreut in Deutsch­land, und es gibt viele unterschiedliche Verantwortlichkeiten. Sport spielt eine so große Rolle für unser Leben, zum Beispiel für die Gesundheit, aber auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt, dass es meiner Meinung nach auch regierungsseitig eine zentrale Institu­tion in Deutschland geben sollte, die die Richtung im Sport vorgibt.

Interview: Julia Neuburg

Gut zu wissen ...

Zu den Personen

Alana Richardson (25) ist Aus­tralierin und hat ihren Bachelor an der Victoria University Melbourne studiert. Sie kam für ein Auslands­semester 2018/19 an die Spoho. Das gefiel ihr so gut, dass sie plante zurückzukommen, was gelang: Das Sommersemester 2024 ist ihr viertes und letztes Semester im M.A. DEV. Zusammen mit Martin und Kommili­tonin Jule ist sie Studiengangsspre­cherin ihrer Kohorte.

Martin Maurer (26) hat im Bachelor an der Uni Bonn Geografie studiert. Als großer Sportfan war er dann auf der Suche nach einem sportbezoge­nen Master und wurde an der Spoho fündig. Die Tatsache, dass der M.A. DEV komplett auf Englisch absolviert wird, reizte ihn, zumal er schon seine Bachelorarbeit auf Englisch geschrieben hatte.

Der Studiengang

  • Abschluss: Master of Arts (M.A.)
  • Studiendauer: 4 Semester
  • Start: zum Wintersemester
  • Bewerbungsfrist: 31. Mai (Nicht­EU) bzw. 15. Juli (GER & EU)
  • Studienplätze: 30 Unterrichtssprache: Englisch
  • Beispielhafte Studieninhalte: Olympische Bewegung, Sportent­wicklungszusammenarbeit, nationa­le, europäische und internationale Sportsysteme
  • B.A.-Abschlüsse der Studierenden: Sportwissenschaften/ Sportma­nagement, Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen, Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Medien- und Kommunikations­wissenschaften, Geschichte und Philosophie, Sozialwissenschaften und Entwicklungsstudien

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