Haaranalytik-Nachweis
Nachweis von Doping-Substanzen im Humanhaar: Die in der Dopinganalytik relevanten Wirkstoffe werden i.d.R. im Urin nachgewiesen. Dieses Untersuchungsmaterial hat den Vorteil, dass die Urinabgabe im Gegensatz zur Blutentnahme beispielsweise keinen invasiven Eingriff darstellt. Außerdem werden die meisten Substanzen von der Niere aufkonzentriert und liegen dadurch im Urin in erhöhter Konzentration vor.
Dennoch ist im Urin der Nachweis von Dopingmitteln zeitlich begrenzt, so dass bei rechtzeitigem Absetzen der Mittel ein Nachweis nicht mehr möglich ist. Ganz andere Nachweiszeiträume bietet die Analyse von Haarmaterial.
Nach Einnahme eines Medikaments gelangt der Wirkstoff über die Blutbahn in die Haarwurzel und wächst mit dem Haarschaft durch die Kopfhaut. In der Proteinstruktur der Haare eingebunden sind die Stoffe vor weiterem Abbau durch Enzyme geschützt und werden bis zur Analyse quasi konserviert.
Definierte Probenaufbereitungsprozedur als Voraussetzung
Bevor die Haarprobe analysiert werden kann, müssen die gesuchten Stoffe isoliert und speziell aufbereitet werden. Diese Schritte werden als Probenaufarbeitungsprozedur zusammengefasst und dienen dazu, den Analyten (gesuchte Substanz) der Messmethode überhaupt erst in detektierbarer Menge zugänglich zu machen.
Die aus den Analysedaten gewonnene Information erlaubt eine eindeutige Identifizierung der applizierten Substanz. Untersucht man die Haare abschnittsweise, so lassen sich unter Berücksichtigung der individuellen Haarwachstumsraten Zeitpunkt und Dauer der Applikation näherungsweise rekonstruieren. Mit Hilfe einer Haaruntersuchung besteht die Möglichkeit, zwischen chronischem Abusus und einmaliger medizinisch indizierter Applikation zu unterscheiden, da die einmalige Einnahme eines Medikaments nicht zu einer signifikanten Akkumulation im Haar führt.
Die Analyse von Haaren lässt in bestimmten Fällen auch Rückschlüsse auf die applizierte Ausgangsverbindung zu. So ist im Gegensatz zur Urinanalyse die Einnahme von Steroidestern im Haar nachweisbar.
Ein Nachteil dieser Methode liegt in der Melanin-abhängigen Substanzkonzentration, was bedeutet, dass der Nachweis einer Substanz bei dunkelhaarigen Athleten länger geführt werden kann als bei hellhaarigen. Einfluss auf das Ergebnis einer Haaranalyse können bestimmte Behandlungsmethoden der Haare haben, wie z.B. häufige Dauerwellenbehandlung, Haarbleichung bzw. -färbung sowie unvollständiger Haaraufschluss bei der Probenaufarbeitung.
Haarwurzel
Der Aufbau eines Haares geschieht in der Haarwurzel, in der eine bestimmte Proteinstruktur, genannt a-Keratin, gebildet wird. Die Haarwurzel wird dazu mit den notwendigen Bausteinen (u.a. Aminosäuren) über die Blutbahn versorgt. Dabei können fast alle Stoffe mit dem Haar in Berührung kommen, die sich im Blut befinden, also auch exogen (von außen) zugeführte Substanzen. Entscheidend für den Eintritt in die Matrixzellen der Haarwurzeln und damit für die Einlagerung in den Haarschaft sind neben substanzspezifischen Eigenschaften, wie molekulare Größe, Lipophilität und Basizität, auch Faktoren, die das Milieu an der Haarwurzel betreffen, wie pH-Gradient und Konzentrationsgradient der betreffenden Substanz. Eine Schlüsselrolle beim Übergang vom Blut ins Haar kommt Melanin zu, dem Pigment, das für Haarfarbe verantwortlich ist. Melanin scheint eine Art Carrierfunktion zu übernehmen, wobei sich die Substanz an die polyanionische Stuktur von Melanin anlagert und durch die Membran transportiert wird.
Die hier besprochene endogene oder physiologische Aufnahme ist von der exogenen grundsätzlich zu unterscheiden. Bei der exogenen Aufnahme gelangt der Fremdstoff aus der Umgebung in das Haar. In der Regel lassen sich solche exogenen Kontaminationen durch Waschschritte mit organischen Lösungsmitteln und Detergentien entfernen. Viele pharmakologischen Substanzen werden vom Körper verstoffwechselt und gelangen als charakteristische Metabolite ins Haar. Ihr Nachweis gilt als ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen endogener Aufnahme und exogener Kontamination.
Probenaufarbeitungsprozedur
Die Entnahme erfolgt, um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, am Hinterhauptshöcker (Occiput) direkt an der Kopfhaut. Die etwa 5 mm dicken Haarstränge werden mit Klebeband oder Bindfaden gegen Verrutschen fixiert und bis zur Analyse in Aluminiumfolie oder Glasbehältern aufbewahrt. Die so erhaltene Haarprobe muss in mehreren chemischen Schritten für die eigentliche Messung vorbereitet werden.Zunächst müssen externe Verunreinigungen am Haarschaft durch spezielle Reagentien, wie Methanol, Dichlormethan und Laurylsulfatlösungen, entfernt werden, so dass nur der Anteil an Substanz nachgewiesen wird, der durch endogene Aufnahme über die Blutbahn in das Innere des Haares gelangt ist. Um diesen Anteil an Substanz der Messung zugänglich zu machen, muss er aus dem Haar freigesetzt, d.h. die Proteinstruktur des Haares zerstört werden.
Grob unterteilt gibt es zwei Arten von Haaraufschlussverfahren:
1. chemische/enzymatische und 2. mechanische Aufschlussverfahren. Bestimmte Chemikalien (Guanidin, z.T. auch Harnstoff) haben denaturierende Wirkung auf Proteine. Durch Zugabe von Dithiothreitol werden die im a-Keratin zahlreichen Disulfidbrücken reduziert und das Protein zusätzlich destabilisiert.
Eine homogene Solubilisierung (vollständige Auflösung) des Haares kann man durch starke Säuren oder Basen bei gleichzeitiger Hitzeeinwirkung erreichen. Derartige Methoden haben den Nachteil, dass sie auch den Analyt angreifen können. Als Beispiel seien hier erwähnt die Hydrolyse von Steroidestern und die Umwandlung von Kokain zu Benzoylecgonin, einem natürlichen Metabolit von Kokain. Dadurch kann man die durch das körpereigene Enzymsystem entstandene Menge an Benzoylecgonin nach Kokainkonsum nicht mehr verifizieren. Ein schonenderer Aufschluss kann durch enzymatische Verfahren erreicht werden, bei denen bestimmte Proteasen die Peptidbindungen im Proteinmolekül spalten. Auch der Einsatz von Kugelmühlen, bei dem das Haar mechanisch pulverisiert wird, ohne den Analyten zu zerstören, hat sich bewährt.
Extraktionsschritt nach Aufschluss der Haare
Nach dem Aufschluss der Haare schließt sich ein Extraktionsschritt mit einem geeigneten organischen Solvens (Methanol, Ether) an, um die gesuchte Substanz aus dem Haarhydrolysat zu isolieren. Dabei soll die Extraktionsausbeute für den Analyt möglichst groß und für störende Begleitsubstanzen möglichst gering sein, so dass eine optimale Nachweisempfindlichkeit resultiert. In weiteren Aufarbeitungsschritten wird die Probe getrocknet, derivatisiert und schließlich im GC/MS-Verfahren gemessen.
Substanzkonzentration
Konzentrationen ausgewählter Fremdstoffe in Haaren (Literaturdaten)
Substanz | Konzentration in ng/mg | Substanz | Konzentration in ng/mg |
Testosteron-decanoat | bis 15 | Codein | 0,1 bis 3 |
Nandrolon | bis 5 | Morphin | 0,1 bis 38 |
Amphetamin | 1 bis 13 | Nikotin | 0,9 bis 38 |
Clenbuterol* | 0,005 bis 0,25 | Secobarbital | 21 bis 59 |
Cocain | 0,1 bis 6 | Phencyclidin | 0,5 bis 2 |
Benzoylecgonin | 1 bis 4 | Cannabionoide | 0,2 bis 3 |
Bei der GC/MS-Methode (Gaschromatographie/Massenspektrometrie) werden die isolierten Substanzen nach einer vorhergehenden gaschromatographischen Trennung mit Elektronen beschossen. Dabei zerfällt die Verbindung in charakteristische Molekülfragmente, die ein substanzspezifisches Massenspektrum liefern und so die eindeutige Identifizierung der Substanz gewährleisten.
In Abbildung 4B ist ein sogenanntes Selected Ion Monitoring-(SIM)-Chromatogramm gezeigt, das nach Analyse einer Haarprobe registriert wurde, die zwei Monate nach Beendigung einer Therapie gewonnen wurde. Die Probe stammt von einer Patientin, die Clenbuterol über 35 Tage in einer Dosierung von 3 x 20 µg/d eingenommen hatte.
Das Chromatogramm enthält 4 charakteristische Ionenspuren zur Retentionszeit von Clenbuterol. Die Signalintensitäten entsprechen einer Konzentration von ca. 90 ng Clenbuterol pro g Haar. Zum Vergleich ist in Abbildung 4A eine Leerwerthaarprobe der selben Patientin, die jedoch vor der Therapie genommen wurde, gezeigt.
s.a. MS-Spektrum von Clenbuterol
Clenbuterol
Clenbuterol gehört zur Gruppe der ß2-Agonisten und kann als synthetisches Derivat der natürlich vorkommenden Katecholamine angesehen werden.
Clenbuterol (z.B. Spiropent) ist in der Humanmedizin als Bronchodilator und Tokolytikum (Wehenhemmer) zugelassen. In 5 bis 10fach höherer als der therapeutischen Dosierung ist in Tierexperimenten eine gesteigerte Lipolyserate und anabole Wirkung nachgewiesen worden. Diese Effekte haben dazu geführt, dass Clenbuterol in der Tiermast zur Erhöhung der Fleischproduktion verbotenerweise eingesetzt wurde.
Im Humanbereich wird durch den Missbrauch von Clenbuterol versucht, die Muskelmasse zu steigern und gleichzeitig den Fettanteil zu minimieren. Daher wird Clenbuterol von Athleten in kraftbetonten Disziplinen, wie Bodybuilding, Leichtathletik und Gewichtheben, verwendet. Aufgrund der geringen Halbwertszeit von Clenbuterol im Körper ist der Nachweis im Urin nur kurze Zeit möglich (24 Stunden bis wenige Tage).
Literatur
Machnik, M., Schänzer, W.: Nachweis von Dopingsubstanzen im Humanhaar. F.I.T., Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln, 1 (2001) 12 15.
download des Artikels
Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln, 12.12.2001