Spoho-Absolventin von 1962 als Zeitzeugin
Bei Bärbel Vitt ist der Nachname Programm. Wer sich mit der 84-Jährigen unterhält, der wird direkt von ihrer positiven Energie, Begeisterung und Lebendigkeit gepackt. Stets lächelnd und mit strahlenden Augen erzählt sie davon, dass sie ihr ganzes Leben dem Sport gewidmet hat. „Ich habe im Sport nie etwas für mich selbst gemacht, sondern immer für andere“, sagt die überzeugte Ehrenamtlerin. Bärbel Vitt ist eine von 65 Zeitzeug*innen, die Teil eines Forschungsprojektes der Deutschen Sporthochschule Köln und des Deutschen Sport & Olympia Museums sind. Als solche war sie mit weiteren interessanten Gästen zur offiziellen Projektvorstellung am Freitag, den 21. Oktober 2022 ins Sportmuseum am Kölner Rheinauhafen eingeladen.
Bei der Veranstaltung des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung und des Deutschen Sport & Olympia Museums präsentierten die Projektmitarbeiter unter anderem die neue Webseite (www.zeitzeugen-sport.de), auf der Bärbel Vitt und alle anderen Zeitzeug*innen zu finden sind. Biografische Infos und Auszüge aus den lebensgeschichtlichen Videointerviews können alle diejenigen dort anschauen und nachlesen, die sich für den Sport in Nordrhein-Westfalen und seine Geschichte interessieren. Denn: Ziel des Projektes war und ist es, mit Hilfe der Zeitzeug*innen einen Gedächtnisspeicher zum Sport in NRW aufzubauen. So berichtet Bärbel Vitt zum Beispiel, wie sie kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Wuppertaler Stadtteil Cronenberg den dortigen Turnverein mitaufbaute, in dem sich die Spoho-Absolventin (Abschluss 1962) bis heute engagiert. Neben dem Verein und der Schule, in der sie 36 Jahre lang als Sport- und Musiklehrerin arbeitete, war sie viele Jahre im Deutschen Turner-Bund und in der Deutschen Sportjugend aktiv. Indem Zeitzeug*innen solche Erfahrungen und Erinnerungen teilen und die Wissenschaftler*innen diese dokumentieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen, will das Projekt einen Beitrag dazu leisten, Wissen über den Sport in NRW zu sichern. Das Material könne für Wissenschaft, Bildung, Kultur und Unterhaltung langfristig genutzt werden.
Wie wertvoll Zeitzeug*innen für die Wissenschaft sein können, zeigte auch das Podiumsgespräch mit weiteren Gästen. Die lebendigen und lustigen Geschichten waren einmal mehr Werbung für das Projekt, für den Sport in NRW und die Menschen, die sich für ihn engagieren. Es sind Geschichten, die in keinem Buch nachzulesen, in keinem Archiv zu recherchieren sind. So erzählte der ehemalige Fußballnationalspieler Bernard „Ennatz“ Dietz, wie er zu seinem Spitznamen kam, weil die jüngere Schwester eines Freundes seinen Vornamen nicht richtig aussprechen konnte. Die ehemalige Basketballnationalspielerin Dr. Birgit Palzkill erklärte, dass sie zunächst mit der Leichtathletik anfing, weil ihr Musiklehrer sie nicht ins Orchester aufnahm. Dr. Britta Siegers, mehrfache Paralympicsmedaillengewinnerin erinnerte sich, warum sie nach ihrer Schwimmkarriere mit dem Rollstuhltennis begann. Sportmoderator und Autor Ulli Potowski gab zum Besten, dass er als Junge regelmäßig blutige Füße hatte, weil sich die Fußballstollen (Nägel) durch die Schuhsohle drückten. Und Michael Vesper, langjähriger DOSB-Vorstand, skizzierte, wie er überhaupt als Staatsminister an den Sport gekommen war.
75 Jahre gibt es den institutionalisierten Sport nun in NRW. Der Landessportbund (LSB) wurde 1947 gegründet und der NRW-Landtag bestellte damals seinen ersten Sportreferenten. 1947 wurde auch die Sporthochschule am Kölner Standort gegründet – sie wird am 29. November 75 Jahre alt. Und noch eine weitere Parallele: Vor 60 Jahren machte Bärbel Vitt ihren Abschluss an der Sporthochschule; jetzt ist sie Protagonistin in dem Forschungsprojekt von Spoho und Sportmuseum. Ihren eigenen Eintrag auf der Webseite www.zeitzeugen-sport.de kennt sie schon, aber nun will sie sich auch die anderen Zeitzeug*innen auf ihrem Tablet genauer ansehen. 130 Stunden Interviewmaterial umfasst das Projekt – ein Mosaik mit persönlichen Geschichten, das gleichzeitig die Geschichte des Sports in NRW erhellt.
Die Veranstaltung ließ natürlich nicht unerwähnt, dass Zeitzeug*innen mit ihrer Subjektivität und Emotionalität den historischen Blick auch in eine bestimmte Richtung lenken können. Daher wurden im Rahmen einer Fachtagung, die der Projektvorstellung vorausging, nicht nur die Möglichkeiten diskutiert, die Zeitzeug*innen als Informationsquelle besitzen, sondern auch die Grenzen, die ihrer Rolle innewohnen. Das Programm mit allen Teilnehmer*innen der Veranstaltung können Sie hier noch einsehen.