Tanz auf Distanz
In einem Kooperationsprojekt zwischen der Deutschen Sporthochschule Köln und der Szenografin Ruth Prangen wurde am Wochenende auf dem Presseparkplatz der Messe Köln auf Abstand getanzt. Und zwar mithilfe von „Abstandskostümen“.
Wie funktioniert ein Praxiskurs im Tanzen auf Abstand? Wie kann man die Einschränkungen der Corona-Pandemie künstlerisch verarbeiten? Zwei unterschiedliche Fragen, die seit dem Wochenende ein Kooperationsprojekt verbindet. Die Szenografin Ruth Prangen und Helena Miko, Dozentin in der Profilergänzung „Tanz - Improvisation, Komposition und Technik“, eröffneten auf dem Presseparkplatz der Messe Köln ein kooperatives choreografisches Labor. Hier konnten Studierende der Sporthochschule – abseits vom gewohnten Campus-Setting – in einem viereinhalbstündigen Intensiv-Workshop einen Einblick in künstlerische Strategien des ortsspezifischen Choreographierens an der Schnittstelle zwischen Bildender Kunst und Tanz gewinnen.
„Ruth Prangen ist mit ihrer Idee der Abstandsdreiecke auf mich zugekommen. Sie fragte, ob diese im Kontext der Hochschullehre integriert werden könnten. Die Möglichkeit, sich mit dem Thema Abstand anhand eines abstrakten Objekts auseinanderzusetzen, fand ich für die choreographische Arbeit mit den Studierenden spannend. Weil ich den Blick in das aktuelle Geschehen der freien Tanz- und Kunstszene für die Vermittlung kreativer Bewegungsgestaltung wichtig und bereichernd finde, habe ich die Kooperation gerne angenommen“, sagt Helena Miko.
Das „Abstandhalten“ blieb beim Workshop also nicht nur pandemische Notwendigkeit, sondern wurde zum Ausgangspunkt für die gemeinsame, tanzkünstlerische Auseinandersetzung. Helena Miko und Ruth Prangen forderten die Studierenden zum getanzten Abstand und dazu auf, sich durch eine gegebene räumliche Konstellation Nähe zurückzuerobern und den Abstand zum Beziehungsstifter werden zu lassen. Hierzu wurden die „Abstandskostüme“ – gleichschenklige 1,50-Meter-Dreiecke – aus dem Projekt S-P-A-C-E-D der Künstlerin Ruth Prangen genutzt. Pro Dreieck können sich jeweils drei Personen tänzerisch durch den Raum bewegen und dabei erleben, wie es sich anfühlt, in einem „Dreispänner“ konfiguriert zu sein.
„Besonders spannend finde ich die Notwendigkeit zur Kooperation und Kommunikation im Rahmen der Dreierkonfiguration. Hier werden in der Bewegung Verhandlungsprozesse deutlich. Wie kann ich mich zum Dreieck und meinen Mittänzer*innen in Bezug setzen? Welche Bewegungen sind mit Anbindung an die Dreiecke noch möglich? Führen oder Folgen? Das sind einige Aspekte die wir versuchen, in Bewegung nonverbal auszuloten. Hier ist erhöhte Aufmerksamkeit und Gespür für den gemeinsamen Bewegungsfluss wichtig. Aber auch die Suche nach individuellen Handlungsfreiräumen im Rahmen der durch die Dreiecke gesetzten Restriktion und Ordnung finde ich thematisch für die Bewegungsgestaltung interessant“, beschreibt Miko.
Im Projekt S-P-A-C-E-D, gefördert durch das „Auf geht’s!“- Stipendium des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, geht es um Abstände, Zwischenräume, Begrenzungen und um die Wahrnehmung des Abstands. „Die Dreiecke dienen als Beziehungsstifter. Bei der Szene hier auf dem Parkplatz marschieren die Studierenden erst im Stechschritt und sehen dabei aus wie gleichgeschaltet. Das erinnert an Massenchoreografien bei Olympischen Spielen oder an Armeemärsche. Dann löst sich diese Bindung dynamisch auf – wie ein Vogelschwarm. Aus den vier Dreiecken wird also auf unterschiedliche Weise ein Kollektiv“, beschreibt die Szenografin Ruth Prangen.
Im Laufe des Semesters entwickeln die Studierenden mit Hilfe der „Abstandskostüme“ eigene Kompositionen, die zum Semesterabschluss präsentiert werden. Die Arbeit mit der Szenografin war hierfür ein besonderer Einstieg, wie die Workshop-Teilnehmerinnen Mareen Nienhaus (SUL), Isabella Czwikla (SGP) und Alina Graw (SGP) im Gespräch berichten: „Es ist erstmal eine Herausforderung, zu dritt über die Dreiecke verbunden zu sein. Man zieht die anderen mit jeder Bewegung mit“, beschreibt Mareen. „Unsere Semesteraufgabe ist es, uns einen Ort an der Spoho zu suchen und die Dreiecke dort ortsspezifisch in Szene zu setzen“, erklärt Isabella. „Es ist wirklich spannend, mit der Künstlerin zusammenzuarbeiten. Sie bringt nochmal einen ganz anderen Blickwinkel mit rein als den, den wir schon von der Spoho kennen“, ergänzt Alina.