6. Teaching Games for Understanding & 10. dvs-Sportspiel-Symposium

 

Drei Tage lang stand die Deutsche Sporthochschule Köln ganz im Zeichen des interdisziplinären, internationalen Austauschs zum Thema Sportspiele. Rund 400 TeilnehmerInnen trafen bei der gemeinsamen Ausrichtung des 10. dvs-Sportspiel-Symposiums und der 6. International TGfU Conference zusammen.

Damit richtete sich das Tagungs-Duo nicht nur an nationale und internationale WissenschaftlerInnen, sondern zusätzlich explizit an Trainer, Lehrer und Sportpraktiker. Auf dem vielfältigen Konferenzprogrammen standen verschiedenste Präsentations- und Informationsformate wie Keynote Lectures, Invited Talks, Oral Presentations, praktische Workshops, Poster Sessions oder Meet the Expert. Morgendliche und abendliche Sportaktivitäten, eine große Eröffnungsfeier und ein Conference Dinner im benachbarten RheinEnergieStadium waren weitere Highlights.

Nach den Eröffnungsworten von Kongressorganisator Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert, Leiter des Institut für Kognitions- und Sportspielforschung, begrüßte der Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln, Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer „im Grüngürtel von Köln". Die Sporthochschule stehe für sportwissenschaftliche Forschung und den Transfer in die Praxis, so Strüder. Genau das werde mit diesem Kongress weiter vorangetrieben. Prof. Dr. Kuno Hottenrott, Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) freute sich auf einen intensiven Austausch zwischen (inter-)nationalen Praktikern und Wissenschaftlern, der das interessante Programm mit Leben fülle. „Nach einem Turnier wie der EM gibt es sicher viel zu besprechen", so Hottenrott. Dr. Alan Oven, Vorsitzender der Special Interest Group (SIG) der Teaching Games for Understanding (TgfU), plädierte dafür, mehr junge Leute für den Bereich der Sportspiele zu begeistern. Dieser Kongress sei eine ideale Plattform, auch junge Wissenschaftler und Praktiker in die Thematik einzuführen.

Eröffnungsvortrag von Dr. Joy Butler

Der Eröffnungsvortrag war Dr. Joy Butler von der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, vorbehalten. Die Organisatorin der ersten TGfU-Konferenz gab unter dem Titel „We Are What We Teach: TGfU as a Complex Ecological Situation“ Einblicke in das Selbstverständnis und zeigte Entwicklungen und Leitlinien der TGfU auf. Ein wichtiger Punkt, der oftmals noch verkannt werde, sei soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung von Mädchen oder Minderheiten wie Menschen mit Behinderung. „Ohne soziale Gerechtigkeit kann es keine Fairness oder Gleichberechtigung geben. Spiele können nicht fair sein, wenn demokratische Prozesse nicht funktionieren“, so Butler in ihrer Präsentation. Hier spiele das Verständnis, dass nicht der Körper isoliert vom Geist  betrachtet und ausgebildet werden kann, eine wichtige Rolle. Die ganzheitliche Bildung durch Sport sowie nachhaltiges Lernen seien Philosophien, die sich auch in der Organisationsstruktur der TGfU wiederfänden.

Der TGfU-Ansatz in der Praxis

Prof. David Kirk von der University of Strathclyde, beleuchtete in seiner Keynote-Präsentation die Frage, ob das TGfU-Modell mit seinen Ansätzen zu komplex für „normale“ Lehrer und Trainer sei. Dabei zeigte er Probleme und Herausforderungen auf, die im täglichen Umgang mit dem Konzept auftreten und die zunächst gelöst werden müssten, damit der TGfU-Ansatz für die Mehrheit praktikabel werden kann. So stehe das Konzept, für das es spezifisches pädagogisches Wissen bedarf, oftmals im Widerspruch zu den historisch gewachsenen Überzeugungen der Trainer und Lehrer.

„Damit TGfU in Zukunft der pädagogische Ansatz wird, den die Leute anwenden, müssen wir verstehen, wie wir den Kontext verändern, in dem Sportspiele gelehrt werden“, forderte Kirk.  m Schulsportunterricht müssten insbesondere die Komponenten Zeit und Raum flexibler und innovativer gestaltet werden, um die Umsetzung des TGfU-Ansatzes zu ermöglichen.

 TGfU im Schulsportunterricht

Die Vermittlung von Sportspielen im Schulsport war generell ein prägendes Thema des Kongresses, das weitere Redner aufgriffen. So zeichnete zum Beispiel Professor Amy S. Ha von der University of Hong Kong ein Bild vom Schulsport in der Megacity. Ha berichtete von einer Studie, bei der alternatives Sportequipment sowie iPads zum Einsatz kamen. Vor dem Hintergrund, dass dem Sportunterricht in der Schule in China wenig Bedeutung zugemessen werde, zielte die Untersuchung darauf ab, das Bewegunsgpensum der Schüler zu erhöhen. Und zwar, indem im Sportunterricht Technologien genutzt werden, die die Kinder und Jugendlichen bereits in anderen Fächern und in ihrer Freizeit nutzen, wie das Tablet.

Derweil warf Dr. Karen Richardson von der Bridgewater State University einen Blick auf die Situation in us-amerikanischen Schulsportklassen. Sie zeigte auf, wie Spiele auch trotz unterschiedlicher Fähigkeiten und Voraussetzungen funktionieren und Spaß machen können. Das Prinzip lautet: „Modification by Adaptation“. Konkret formuliert: Nach Ende jedes Spiels hat das unterlegene Team oder der unterlegene Sportler die Chance, das Spiel selbst zu verändern, indem er die Regeln für sich selbst einfacher oder den Gegner schwieriger macht. Auf diese Weise würden Fähigkeiten angeglichen und die Spielverläufe und -ausgänge knapper und damit interessanter, erklärte Richardson.

Invited Speaker Dr. David Gutierrez von der Universität Castilla-la Mancha, Spanien, stellte in seinem Vortrag Game-Centered Approaches: Different Perspectives, Same Goals – Working Together for Learning“  verschiedene Vermittlungsansätze vor, die sich seit der Einführung des TGfU-Models im Jahr 1980 herausgebildet haben. Dabei ging er auf die Besonderheiten und Stärken der verschiedenen Herangehensweisen ein und stellte konkrete Beispiele vor, wie man die strukturellen Elemente eines Spiels vereinfachen könne, ohne die taktische Struktur zu verändern. So könnten beispielsweise im Basketball die Regeln oder das Punktesystem verändert werden – ein wichtiger Ansatz, um Trainern und Lehrern eine Auswahl an verschiedenen Werkzeugen für ihre Lehre zu bieten, so Gutierrez.

Informationstechnologische und psychologische Sichtweisen

Einen informationstechnologischen Blick auf die Sportspiele warf Prof. Peter O´Donoghue (Cardiff Metropolitan University, Wales). Er stellte in seinem Keynote-Vortrag die Unterstützungsmöglichkeiten und Chancen verschiedener Technologien für die Sportspielvermittlung vor, wie die Online-Feedback-Plattform Coach Logic, die Software Dartfish Simulcam und Stromotion oder die App Coaches Eye. Die verschiedenen Technologien würden nicht mehr nur dazu dienen, Sportler zu analysieren, sondern auch als Feedback für Trainer und Lehrer funktionieren.

Konkrete Hinweise dazu, wie Trainer und Lehrer Instruktionen an ihre Schüler oder Sportler geben können, lieferte Dr. Philip Furley, Institut für Kognitions- und Sportspielforschung, als Invited Speaker aus kognitionspsychologischer Sicht. In Studien fand er heraus, dass Sportler in bestimmten Spielszenen für bestimmte Aspekte des Spiels „blind“ werden können, z. B. einen freien Mitspieler nicht registrieren, weil ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen Fokus gerichtet ist (inattentional blindness). Zu viele Instruktionen seitens der Trainer oder Lehrer würden die Aufmerksamkeitsbreite verengen, so Furley.

Neben der Verbreitung neuer Ideen und von Forschungsergebnissen haben Konferenzen immer auch die Funktion, verantwortliche Personen für die jeweiligen wissenschaftlichen Kommissionen zu wählen; dies war selbstredend auch in Köln der Fall. Als Sprecher für die dvs-Kommission Sportspiele wurden Dirk Büsch (Leipzig) und Daniel Memmert (Köln) für weitere vier Jahre gewählt. Darüber hinaus wurde Daniel Memmert in den Vorstand der TGfU Special Interest Group berufen.

Closing Ceremony und Ausblick auf 2018 und 2020

Zum Abschluss des Kongresses widmete sich auch Keynote-Speaker Prof. Henning Plessner einem psychologischen Thema: „Teaching Games for Understanding and the Psychology of Intuition“ lautete der Titel seines Vortrags, in welchem er anhand konkreter Beispiele aus dem Sport verschiedene Modelle der Entscheidungsfindung vorstellte. Übergehend in die Closing Ceremony der Tagung konnte Plessner, Professor am Institut für Sport und Sportwissenschaft in Heidelberg, dann auch gleich den Ball für das nächste dvs-Sportspiel-Symposium aufnehmen, welches 2018 in Heidelberg stattfinden wird. Die nächste TGfU Conference findet 2020 in Großbritannien statt.

Viele Dankesworte und großer Applaus galten am Ende insbesondere den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern des Kongresses sowie dem Organisationsteam aus dem Institut für Kognitions- und Sportspielforschung der Deutschen Sporthochschule Köln um Leiter Prof. Daniel Memmert.

Weitere Infos

Juli 2016 / Meike Helms, Marlene Stroop, Julia Neuburg