Erfolgreicher Taktikr Fußballkongress
Rund 500 Trainerinnen, Trainer und Studierende haben den vergangenen Samstag im Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule Köln verbracht, um beim ersten „Taktikr Fußballkongress“ detaillierte Eindrücke vom schwierigen Alltag der Fußball-Lehrer und ihrer Mitarbeiter auf dem höchsten Niveau zu sammeln.
Nach Grußworten von Prof. Dr. Daniel Memmert vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, und Dr. Philipp Kaß, dessen Unternehmen „Bolzfabrik“ den Kongress veranstaltete, führte Sven Voss (Aktuelles Sportstudio) ein spannendes Gespräch mit Manuel Baum, dem Trainer des FC Augsburg. Der 39-Jährige Bundesligacoach machte die ganze Komplexität seiner Arbeit sichtbar, man müsse „Dinge extrem zu Ende denken“, erklärte Baum und zeigte an etlichen Beispielen, was er damit meint. Eine Fußballmannschaft sei eine „unglaublich heterogene“ Gruppe mit Menschen, die alle unterschiedliche Ansprachen, Anweisungen, Zusprüche und Formen der Kritik benötigten. 90 bis 100 Stunden arbeite er, erzählte Baum, schmückte seine Schilderungen mit vielen kleinen Anekdoten und schuf damit einen frühen Höhepunkt des „größten deutschen Amateur- und Nachwuchskongresses“ für Fußballtrainer.
Die Idee der Veranstaltung war, Wissen und Erfahrungen aus dem Spitzenbereich an die vielen Kollegen in den unteren Ligen und im Jugendabteilungen weiter zu reichen, die aus ganz Deutschland angereist waren. So berichtete Christian Flüthmann von seiner Arbeit als Scout bei Norwich City in der zweiten englischen Liga und erläuterte, wie er aus den enormen Datenmassen, die mittlerweile im Fußball erhoben werden, jene Informationen herausfiltert, mit denen der Chefcoach und die Spieler gut arbeiten können. Das Konzept hinter dem Erfolg des Nachwuchsleistungszentrums des SC Freiburg beschrieb Andreas Steiert, der Leiter dieser Jugendakademie, in einem informationsreichen Vortrag. Und über die Faszination sowie die Schattenseiten des Trainerberufs diskutierten Manuel Baum, Marc Arnold (ehemals Sportdirektor Eintracht Braunschweig), Stefan Ruthenbeck (Trainer U19 1. FC Köln), Hannes Drews, der Erzgebirge Aue im Frühjahr vor dem Abstieg aus der zweiten Liga gerettet hat, Ismail Atalan (ehemals VfL Bochum) und Markus Däggelmann von der Trainerberatungsagentur Projekt B in einer Talkrunde.
Faszinierende Details aus der Welt des modernen Torwarttrainings trug Thomas Schlieck vor, der die Torhüterausbildung bei Borussia Dortmund leitet. Anhand von sehr konkreten technischen und taktischen Fragestellungen zeigte er, wie komplex die Arbeit mit den Keepern mittlerweile sein kann, und welche Grundideen der BVB hier verfolgt. Der Motivationstrainer Martin Draxl erläuterte, wie Spieler sich inmitten der Ernsthaftigkeit, die den Fußball mitunter umgibt, ihre kindliche Freude am Spiel bewahren können, und Klaus Pabst von der 1. Jugendfußballschule Köln stellte moderne Trainingsformen für den Nachwuchs vor.
Am Ende des Tages stand das große Thema Scouting, das auch deshalb immer bedeutsamer wird, weil sich hier Arbeitsmarkt für Trainer entwickelt hat, der rasant wächst. Ede Graf, aus der Scoutingabteilung von Borussia Dortmund erklärte die Grundsätze der Talentsuche beim BVB, machte aber auch deutlich, dass seine Arbeit mit „100 Flügen und 100.000 Dienstwagenkilometern pro Jahr“ ziemlich zermürbend und anstrengend ist. Talente zu entdecken, sei nicht mehr möglich, der Markt sei komplett durchleuchtet, daher gehe es nur noch darum, die Entwicklungspotenziale der Spieler schneller und klarer zu „erkennen“ als die Konkurrenz.
In einer Abschlussrunde saßen dann die Scouts Johannes Spohr (Hamburger SV), Timon Pauls (Bayern München, Jugend), Oliver Ruhnert (Union Berlin) und Christoph Müller (SC Paderborn) mit dem Taktikjournalisten Tobias Escher (Spielverlagerung.de) zusammen, um über Grundsätze der Talentsuche, aber auch über ethische Fragen der Arbeit mit Fußballern zu diskutieren, die oftmals noch Kinder sind. Der Kongress hieß zwar „Taktikr“, aber am Ende blieb die Erkenntnis, dass die größte Herausfordernung für Trainer nicht im Umgang mit taktischen Details liegt, sondern in der „Arbeit mit den Menschen“, wie Andreas Steiert, der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des SC Freiburg sagte. Diese Aussage hätte aber auch in fast jeden anderen der Beiträge gepasst.