Schlagauswahl und -platzierung im Tennis

Innovative Tennisfeldaufteilung in 20 Zonen (Quelle: Born)

Aktuell ist wieder beim Grand Slam in Wimbledon zu beobachten: Aufschlag und Spieleröffnung gelten im Tennis als wichtige Erfolgsfaktoren, um den Gegenspieler unter Druck zu setzen, das Spiel zu diktieren und letztlich zu gewinnen. Eine Doktorarbeit der Deutschen Sporthochschule Köln nimmt diesen Zusammenhang genauer unter die Lupe und liefert wichtige Erkenntnisse für das Leistungstennis.

 „Eine hervorragende Spieleröffnung stellt im modernen Herrentennis eine entscheidende Leistungskomponente dar, und die Bedeutung dieser Spielsituation ist unter Experten unumstritten“, sagt Philipp Born, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten der Deutschen Sporthochschule Köln, der sich in seiner Doktorarbeit genau diesem Thema widmet. Die Arbeit „nimmt sich der bestehenden Forschungslücke an, indem sie erstmals die erweiterte Spieleröffnung aus Sicht des aufschlagenden Spielers systematisch analysiert“, schreibt Born. Dazu entwickelte er eine völlig neue Auswertemethodik, anhand der er fast 25.000 Schläge und mehr als 3.500 Aufschlagspielzüge analysierte. Dazu diente ihm eine innovative Aufteilung des Tennisfeldes in 20 verschiedene Zonen. Die Auswahl der Spielsituationen erfolgte zufallsbasiert aus den Spielen der Herrenkonkurrenz der US Open 2010 und der French Open 2012. Unter anderem werden folgende Fragestellungen beantwortet: (1) Wo platzieren die Top-Tennisspieler ihre Aufschläge und den dritten Schlag? (2) Wie sehen die Aufschlagspielzüge (serve patterns), also Aufschlag und dritter Schlag, im Weltklasse-Herrentennis aus? 3. Unterscheiden sich Gewinner und Verlierer in den Ergebnissen von (1) und (2)?

Zu den Ergebnissen: Mehr als 70 Prozent aller Punkte werden nach dem ersten Aufschlag gewonnen, wohingegen es beim zweiten Aufschlag nur gut 50 Prozent aller Punkte sind. Die Mehrzahl der ersten Aufschläge landet auf der Rückhandseite des Gegners; das ist auch beim zweiten Aufschlag der Fall, hier wird zudem gerne auf den Körper des Kontrahenten gespielt. Die Gewinner der Matches schlagen deutlich weniger erste Aufschläge ins Aus als die Verlierer, zudem deutlich mehr Asse. Beim dritten Schlag werden mehr Vorhände als Rückhände gespielt; 37 Prozent aller Schläge sind umlaufene Vorhände. Zudem spielen die Gewinner häufiger in die äußeren Zonen, die äußeren Zonen der Rückhand und die so genannten C-Zonen. Die C-Zonen hat Born erstmals anhand seiner Tennisfeldaufteilung definiert; damit sind die Bereiche nah an der T-Linie und nah an der Außenlinie gemeint. Die mittleren Zonen nah hinter der T-Linie werden häufiger von den Verlierern angespielt, scheinen also weniger erfolgversprechend zu sein.

Drei Aufschlagspielzüge haben sich als besonders erfolgreich herauskristallisiert (Erfolgsquote bei mehr als 66%). Erfolgreichster Spielzug des Aufschlägers ist das so genannte Gegenfuß-V, d.h. ein auf das T-Kreuz servierter Aufschlag in Kombination mit dem dritten Schlag in dieselbe Ecke. Auch das kleine V (Aufschlag ans T-Kreuz, dritter Schlag in die freie Ecke) und das große V (Aufschlag nach außen, dritter Schlag in die freie Ecke) sind die häufigsten und erfolgreichsten Konstellationen. Zudem sind Aufschlagspielzüge mit umlaufener Vorhand erfolgreicher als solche mit einem Rückhandschlag. „Ein entscheidender Erfolgsfaktor im Top-Herrentennis ist die Platzierung der Schläge in die äußeren Zonen und in die C-Zonen. Meine Ergebnisse bestätigen damit bestehende Analysen und Konzepte. Darüber hinaus begründen meine Auswertungen erstmals empirisch, dass drei bestimmte Aufschlagspielzüge besonders häufig gespielt werden, und zwar von den Gewinnern erfolgreicher als von den Verlierern. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die Vorhand bei der Spieleröffnung ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, um Punkte und Matches insgesamt zu gewinnen“, fasst Born die Ergebnisse zusammen. Abgeleitet hat er aus seinen Analysen zehn anwendungsorientierte und detaillierte Trainings- und Spielformen für das Leistungstennis, welche gezielt die erfolgversprechenden Platzierungen und Spielzüge schulen.

Weitere Infos und das akzeptierte Autorenmanuskript zur Dissertation finden Sie in unserem Forschungsportal.

Kooperation:
Seit genau einem Jahr besteht die Kooperation zwischen dem Lehr- und Forschungsgebiet Tennis des Instituts für Vermittlungskompetenz in den Sportarten und einem der führenden Spielanalysten im Tennis Craig O-Shannessy. Im diesem Rahmen erhält das Institut Zugang zu exklusiven tennisspezifischen Daten. Die ersten Ergebnisse aus dieser Kooperation stellen Mitarbeiter des Instituts auf dem derzeit laufenden Kongress ECSS in Essen vor.