Die Stärken unterschiedlicher Fördersysteme herausarbeiten und nutzen
Sportliche Karriere oder Ausbildung? Leistungssport und Beruf? Wie kann die sogenannte Duale Karriere gelingen und wo liegen Grenzen bei der Förderung und Leistung von AthletInnen? Das vielseitige Programm beim NRW-Kongress „Leistung ohne Limit – Erfolgsfaktoren der Athletenförderung“ beleuchtete diese Fragen mit Referaten, Diskussionsrunden und trainingspraktischen Einheiten.
Frühzeitig die Weichen für die nachsportlichen Ziele stellen, das werde von Athletinnen und Athleten oftmals vernachlässigt, betonte Wolfgang Fischer (Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen) in seiner Begrüßungsansprache vor den rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Wichtigkeit des Themas. Präsident des Landessportbundes NRW Walter Schneeloch bezeichnete den Kongress als einen wesentlichen Impulsgeber, Athletikförderung sei und bleibe ein ganz zentrales Thema im Spitzensport. Die Funktion des Leistungssports stellte Bernd Neuendorf heraus: „Ich halte ihn für bedeutsam weil er zentrale gesellschaftliche Werte vermittelt – ganz aktuell: das Thema Integration“, so der Staatssekretär. Bei der Vereinbarung von Sport und Beruf habe sich viel getan in Deutschland. Rektor Professor Heiko Strüder machte deutlich, dass es zukünftig darum gehen werde, die unterschiedlichen Stärken der Fördersysteme zu nutzen. „Diese Stärken herauszuarbeiten bedarf universitärer Forschung“, zeigte er auch die Rolle der Sporthochschule auf. Er forderte in der Diskussion um die Neustrukturierung des Leistungssports in Deutschland auch eine Versachlichung der Diskussion und den Verzicht auf Polemik.
Duale Karriere im internationalen Vergleich
In verschiedenen Referaten wurden Konzepte zur Dualen Karriere und deren Umsetzung dargestellt; ein besonderer Akzent lag auf der Darstellung der jeweiligen Problematik im internationalen Vergleich. Mit dem Titel „Weg an die Weltspitze trotz Ausbildung und Beruf – Vorschläge zur Stärkung des Förderumfelds der Athleten in der Schweiz“ gab Hippolyt Kempf von der Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM) Einblicke in das Fördersystem in der Schweiz – Immer in Bezug zu den Forschungsergebnissen der SPLISS-Studie (Sports Policy factors Leading to International Sporting Success). Gemessen an der Schweizer Bevölkerung treten viele Olympiateilnehmer an – eine Tatsache, die den Erfolg des dortigen Systems unterstreicht. Wie eine duale Karriere in Deutschland in der Praxis funktionieren kann zeigten Wolfgang Fischer (MFKJKS) und Manfred Pohlschmidt von der HUPFER® Metallwerke GmbH, in der Badmintonspielern Karin Schnaase angestellt ist.
Intensiv und anstrengend wurde es bei den Praxiseinheiten im Leichtathletikzentrum. Zwar nicht für die Trainerinnen und Trainer auf der Tribüne, aber für die jungen Fußballer und Basketballer, die mit ihren Trainern Tim Riedel (Bayer 04 Leverkusen) und Dr. Karsten Schul (LFG Basketball) Trainingseinheiten zum Thema „Energiebereitstellung im Sprint“ demonstrierten. Zuvor hatte Dr. Patrick Wahl einen kurzen Einblick in neue Formen der metabolischen Diagnostik gegeben, die bei Sportarten mit vielen starken Richtungswechseln, z.B. Tennis oder Spielsportarten, wegen der Intervallbelastung zu neuen Ansätzen geführt hat. Wie unterschiedlich die Spieler physiologisch auf das Training reagieren, zeigte das Warmup der Basketballer zur „Repeated Sprint Ability“. Daten wie Puls, Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme wurden während der Übung live auf einen großen Screen gespielt. Danach durften auch die Fußballer noch Laufarbeit leisten. Acht Sensoren, in einem Quadrat um den Sportler angeordnet, leuchten abwechselnd auf; der Übende muss die Lichter schnellstmöglich erreichen und „auswischen“, je mehr Lichter in der vorgegebenen Zeit desto besser.
Bei der von Claus Lufen moderierten Podiumsdiskussion am Abend wurden noch einmal die Inhalte der Referate zusammengefasst, eingeordnet und auf ihre Anwendbarkeit in die Praxis beurteilt. TeilnehmerInnen waren unter anderem Tina Bachmann (ehemalige Nationalspielerin und Hockey-Trainerin) und Oskar Deecke (Hockeynationalspieler, der eine duale Karriere macht).
Universitäre Forschung für den Leistungs- und Spitzensport
Wissenschaftliche Vorträge von Professoren der Sporthochschule aus den Instituten, die in momentum zusammenarbeiten, bildeten den Start in den zweiten Kongress-Tag und nahmen die Gäste mit auf eine intensive Reise hin zu den Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit und damit auch zu den Grenzen des Leistungssports. Unter der zentralen Fragestellung „Leistung ohne Limit?“, wurden die Zuhörer in drei spezifische Forschungsgebiete und Teile verschiedener Forschungsprojekte der Sporthochschule eingeführt. Professor Mester wies in seiner Einleitung darauf hin, dass bislang zu wenige Erkenntnisse aus der Leistungssportforschung anderen gesellschaftlichen Bereichen angeboten wurden. Die Sporthochschule will das in einer Stärkung „Universitäre Forschung für den Leistungs- und Spitzensport“ verfolgen.
Das Sportlerherz stand im Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Hans-Georg Predel im Fokus. Die Frage, wieso etwas, das bei Unfitten als pathologisch gilt, nämlich die Vergrößerung des Herzens, bei Sportlern plötzlich positive Auswirkungen hat, wusste Predel zu beantworten. Die Anpassung auf eine erhöhte Belastung erfolgt bei Sportlern in allen Strukturen harmonisch und nicht wie bei Kranken ungleichmäßig. „Leistungssportler müssen ganz nah an das absolute Limit ihrer Leistungsfähigkeit gehen, damit sie in der Weltspitze mithalten können“, so Predel. Dieses Limit ist ihm zufolge nur dann erreichbar, wenn eine enge Interaktion zwischen Medizin, Sportwissenschaft und Spitzensport, wie sie unter anderem durch das Leistungszentrum momentum geschaffen wurde, besteht.
Das Thema „Ausdauer oder Kraft: Feindliche Brüder?“ beschäftigt Leistungs- und Breitensportler gleichermaßen. Was ist besser, welche Trainingsform erzielt mehr Effekt, oder schließt sich beides vielleicht sogar aus? – Fragen die sich SportlerInnen stellen und auf die die Wissenschaft Antworten sucht. So auch Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bloch. Anhand komplexer Grafiken, erläuterte er die Effekte, die die unterschiedlichen Trainingsformen auf den Körper haben. Die Frage, ob Ausdauer und Kraft Feinde sind, konnte der Wissenschaftler am Ende verneinen: Denn werden beide Trainingsformen so eingesetzt, dass sie synergistisch wirken, bilden sie die optimale Grundlage für maximalen Erfolg.
Während Bloch die Auswirkung von Sport auf die Muskulatur thematisierte, betrachtete der nächste Wissenschaftler das Thema aus dem Blickwinkel mechanischer Beanspruchungen. Univ.-Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann ging in seinem Vortrag: „Knochen, Knorpel und Sehnen: Versteckte Limits?“ auf dies Strukturen des Körpers ein. Dass der Körper viele dieser Belastungen zwar aushalten kann, einige aber nicht folgenlos bleiben, zeigte er anhand von Studienergebnissen.
„Visionen haben, mutig sein und loslegen“
Aus drei weiteren unterschiedlichen Blickwinkeln schauten die Professoren Thomas Abel, Jens Kleinert und Mario Thevis auf das Kongressthema „Leistung ohne Limits“. Univ.-Prof. Dr. Thomas Abel weckte im Publikum Begeisterung für den Paralympischen Sport und zeigte auf, dass es sich lohnt, auch im eigenen Verein das Thema anzugehen. „Visionen haben, mutig sein und loslegen“, gab er als Devise aus. Die Kompetenz im Sport sei entscheidend und nicht in der Behinderung. Potenziale seien wichtig, nicht Limitierungen. Auf die Bedeutung von Stress bei Nachwuchsathleten ging Univ.-Prof. Dr. Jens Kleinert, Leiter des Psychologischen Instituts ein. Stress sei grundsätzlich positiv, weil er Bestandteil von Entwicklungs- und Lernprozessen sei. Kleinert stellte Ergebnisse von sog. Screening-Tests zur psychischen Gesundheit von Nachwuchssportlern vor und mahnte zur Skepsis. Zahlreiche Fallbeispiele aus der Anti-Doping-Forschung und einen aktuellen Einblick gab Univ.-Prof. Dr. Mario Thevis, Institut für Biochemie. U.a. ging er auf den Gebrauch von Xenon im russischen Sport ein, erklärte, warum es zu positiven Dopingbefunden kommen kann, auch wenn keiner der Beteiligten einen Fehler gemacht hat und warnte vor den Gesundheitsrisiken, die mit Produkten vom Schwarzmarkt einhergehen.
„Ziel unseres diesjährigen Kongresses war, Training anders zu verstehen und dazu anzuregen, erfinderisch zu sein bei der Trainingskomposition. Wir wollen wissen, welche Maßnahmen wie wirken. Denn: Je weiter ein Sportler in die Leistungsspitze vorstößt, desto geringer wird der Spielraum für Leistungsverbesserungen. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die bei unserer Veranstaltung mitgewirkt haben“, sagte Kongressleiter Univ.-Prof. Dr. Joachim Mester zum Abschluss.