Heterogenität und Förderung von Inklusion

Teilprojekt Heterogenität und Förderung von Inklusion

Inklusion in der Schule bedeutet, den Rahmen so zu gestalten, dass alle Heranwachsenden teilhaben können. Die UN-Behindertenrechtskonvention bekräftigt, dass die gleichberechtigte Teilhabe der verschiedenen Kinder und Jugendlichen an Bildung und Schule ein Menschenrecht ist. Diese Vielfalt bietet eine große gesellschaftliche Chance für ein verständnisvolles und respektvolles Miteinander. Innerhalb unseres Teilprojektes verfolgten wir daher das Ziel, Chancen gerechter Teilhabe zu evaluieren und zu fördern. In unserem Projekt bezogen wir uns dabei nicht nur auf das gemeinsame Unterrichten von Menschen mit und ohne Behinderung, sondern auf jegliche Dimensionen von Heterogenität, die sich im schulischen bzw. schulsportlichen Kontext zeigen.

Die Bereiche Grundschule und Ganztag haben sich in unseren bisherigen Untersuchungen zum Themenfeld als besonders bedeutsam herauskristallisiert. Zugleich sind diese Anwendungsfelder im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität und Förderung von Inklusion wissenschaftlich bislang kaum ausgelotet worden. Dies nahmenwir zum Anlass, um uns aus einer inklusions- bzw. heterogenitätsbezogenen Perspektive vertiefend mit diesen beiden Kontexten zu befassen und zu beleuchten, wie sich Teilhabe dort bisher gestaltet. Im Bereich der Grundschule standen hierbei u. a. die Rahmenbedingungen des Schulsports hinsichtlich Inklusion, der Umgang von Sportlehrkräften mit heterogenen Lerngruppen, mögliche Herausforderungen sowie Handlungsstrategien und -kompetenzen im Mittelpunkt. Für den Ganztag bedeutete dies, die sportbezogenen Fachkräfte hinsichtlich des Themenfelds näher zu beschreiben und zu untersuchen, inwiefern im sportbezogenen schulischen Ganztag eine Vielfalt an Schüler*innen erreicht wird.

Unser Ziel war es, auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen Lehr- und Lernmaterialien zu entwickeln. Diese unterstützen sowohl angehende als auch im Beruf stehende Sportlehrkräfte in ihrem Umgang mit heterogenen Lerngruppen und stellen Impulse dafür bereit, wie Teilhabe im Schulsport gestaltet werden kann.

Problemhintergrund und Forschungsstand

Grundschule

In der Grundschule werden alle Kinder gemeinsam unterrichtet. Dort begegnen sich Kinder mit unterschiedlichen Begabungen und Talenten, individuellen sozialen und ethnischen Hintergründen sowie unterschiedlichsten sportmotorischen und körperlichen Voraussetzungen. Die Grundschule und auch der in ihr stattfindende Sportunterricht bieten daher besondere Chancen und Herausforderungen hinsichtlich gemeinsamen Lernens. Hierzu gehören z. B. ausgeprägte Heterogenitäts- und Inklusionsbedingungen sowie damit einhergehende besondere Aufgaben und Beanspruchungen von Lehrkräften (Thomas & Leineweber, 2018a, 2018b). Zudem ist es nicht unüblich, dass der Sportunterricht in der Grundschule „fachfremd“ erteilt wird. Diese nur kurz skizzierten Bedingungen des Fachs Sport in der Primarstufe lassen daher vertiefende Untersuchungen notwendig erscheinen. Aufbauend auf ersten Arbeiten, die sich mit Heterogenität im Kontext der Grundschule auseinandersetzen (z. B. Balz, Bindel & Frohn, 2016), wurde untersucht, welche Bedingungen Grundschullehrkräfte im Hinblick auf inklusiven Schulsport ausmachen, welche Herausforderungen sie wahrnehmen und über welche Handlungsstrategien und -kompetenzen sie verfügen. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden Impulse für die Aus- und Fortbildung von Sportlehrkräften im Primarbereich abgeleitet.

Ganztag

Mit Blick auf den verstärkten Ausbau des Ganztags an Schulen in Deutschland spielen Bewegungs- und Sportangebote eine zentrale Rolle: Sie machen etwa ein Drittel des im Ganztag offerierten Angebotskanons aus. Ganztagssportangebote haben sich dabei zu einem neuen Angebotstypus zwischen Schul- und Vereinssport entwickelt (Neuber, Kaufmann & Salomon, 2015). Die spezifischen Bedingungen des Ganztags sind jedoch für Bewegungsangebote noch nicht befriedigend erforscht - insbesondere hinsichtlich des Themenfelds Inklusion und den Umgang mit Heterogenität besteht grundlegender Forschungsbedarf. So existieren zwar vereinzelte Arbeiten, die sich mit der gleichberechtigten Teilhabe von Jungen und Mädchen, Partizipation und Integration im sportbezogenen Ganztag auseinandersetzen (z. B. SpOGATA-Forschungsgruppe 2015; Süßenbach, 2019), allerdings existiert bislang noch keine ausreichende Studienlage über etwaige andere relevante Dimensionen für Teilhabe im Ganztag und insbesondere noch nicht über ihre Wechselwirkungen (Ansatz der Intersektionalität). Die Studienlage über die Personen, die die Bewegungsangebote im sportbezogenen Ganztag durchführen, und ihre Sichtweisen und Kompetenzen im Hinblick auf Inklusion, ist ebenfalls als lückenhaft einzustufen.

Forschungsfragen

Mit dem Ziel der systematischen Entwicklung und anschließenden Evaluation geeigneter Lehr- und Lernmaterialien zum Einsatz in der Sportlehrer*innenbildung widmeten wir uns vorbereitend folgenden Forschungsfragen:

Grundschule

  1. Über welche fachdidaktischen Handlungsstrategien und -kompetenzen verfügen Lehrende im Fach Sport an Grundschulen?
  2. Welche Aus- bzw. Fortbildungsbedarfe resultieren aus den Erkenntnissen der vorangegangenen Frage?

Ganztag

  1. Welche Relevanz spielen welche Differenzkategorien für die Teilhabe an sportbezogenen Ganztagsangeboten?
  2. Welche Personen führen die sportbezogenen schulischen Ganztagsangebote durch und wie lassen sich diese hinsichtlich des Themenfelds Inklusion und den Umgang mit Heterogenität beschreiben?
Methodik

Ist-Zustand-Analyse:

  • Qualitative Erhebungen mit Lehrkräften, die das Fach Sport an Grundschulen unterrichten (fokussiertes Interview, Videographie).
  • Quantitative und qualitative Befragungen von Schüler*innen und ihren Eltern, Sportlehrkräften, Fachkräften im sportbezogenen Ganztag.

Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien:

  • Empiriebasierte Entwicklung von Lehr-/Lernwerkzeugen im Themenfeld Heterogenität/Inklusion (z. B. Handreichungen, Video- und Audiosequenzen).

Evaluation der Lehr- und Lernmaterialien:

  • Die Lehr-/Lernmaterialien sollen hierfür in Feldsituationen (d. h. Anwendung der Materialien im realen Unterricht) eingesetzt und anschließend evaluiert werden.
Literatur

Balz, E., Bindel, T. & Frohn, J. (2017). Wie Kinder ihren Sportunterricht erleben – Studien zum Grundschulsport. Zeitschrift für Sportpädagogische Forschung, 5(1), 45-66.

Forschungsgruppe SpOGATA (2015). Evaluation der Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote an Ganztagsschulen in Nordrhein-Westfalen. Aachen: Meyer & Meyer Verlag.

Neuber, N., Kaufmann, Nils, Salomon, S. (2015). Ganztag und Sport. In W. Schmidt, N. Nils, T. Rauschenbach, H.-P. Brandl-Bredenbeck Peter, J. Süßenbach, C. Breuer (Hrsg.), Dritter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht: Kinder- und Jugendsport im Umbruch (S. 416-443). Schorndorf: Hofmann.

Süßenbach, J. (2019). Eine geschlechtersensible Analyse sportbezogener Ganztagsangebote. In J. Frohn, E. Gramespacher & J. Süßenbach (Hrsg.), Stand und Perspektiven der sportwissenschaftlichen Geschlechterforschung (S. 107-112). Hamburg: Edition Czwalina.

Thomas, M. & Leineweber, H. (2018a). Heterogenitätsdimensionen von Schüler/-innen im Sportunterricht und das Belastungsempfinden von Sportlehrkräften. In J. Kleinert & J. Wolf, Schulsport 2020. Aktuelle Forschung und Perspektiven der Sportlehrerbildung (S. 71-90). Baden-Baden: Academia Verlag.

Thomas, M. & Leineweber, H. (2018b). Heterogenitätsbezogene Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen von Sportlehrkräften an Regelschulen. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge 59(1), 88-109.