Projekthistorie
2. Förderphase Schulsport2030 (07/2019 - 12/2023)
Schulsport2030 ist das Folgeprojekt von Schulsport2020. Fünf Einrichtungen der DSHS Köln gewährleisteten die Umsetzung der Teilprojekte: das Institut für Soziologie und Genderforschung, das Institut für Sportdidaktik und Schulsport, das Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft, das Psychologische Institut und das Zentrum für Sportlehrer*innenbildung.
Das Schulfach Sport nimmt in inhaltlicher, methodisch-didaktischer und räumlicher Hinsicht im Vergleich zu anderen Schulfächern eine besondere Rolle ein. Die Besonderheit des Fachs zeigt sich gemäß aktueller Lehrpläne auch im Doppelauftrag der „Erziehung zum Sport“ (im Sinne der Heranführung an die Sportkultur und einen körperlich aktiven Lebensstil) und der „Erziehung durch Sport“ (d. h. Persönlichkeitsentwicklung (DOSB, DSLV & dvs., 2009)).
Damit ist das Schulfach Sport in kaum vergleichbarer Weise mit der Lebensführung, Gesundheitsförderung und Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen verbunden. Nicht zuletzt wegen dieses Doppelauftrags sind Sportlehrer*innen mit besonderen Beanspruchungen (Stresszuständen) und Belastungen konfrontiert. Zusätzlich verlangen die einzigartige Körperorientierung des Schulsports, die spezifischen Unterrichtsorte (Sporthallen, -plätze, Schwimmbäder), die stark divergierenden Voraussetzungen der Schüler*innen und die mitunter mangelnde Wertschätzung des Schulfachs Sport im Kollegium gerade von Sportlehrkräften besondere eigene Ressourcen zum Umgang mit Stress, Belastung und Konflikten.
Dieses besondere Beanspruchungsprofil von Sportlehrer*innen wächst durch zwei aktuelle und bedeutsame gesellschaftliche Entwicklungen: Die erste dieser Entwicklungen betrifft den seit den 80er Jahren vermehrten Bewegungsmangel schulpflichtiger Kinder. Lediglich 20% der Jungen und 14% der Mädchen zwischen 11 und 15 Jahren sind gesundheitswirksam körperlich aktiv (HBSC-Team Deutschland, 2011). Dies geht einher mit einer Steigerung des Übergewichts von Heranwachsenden um 50% (Kurth, 2007). Der Schulsport ist daher mehr denn je gefordert, Kinder und Jugendliche zu Sport und alltäglicher Bewegung zu motivieren. Besondere Potenziale und zugleich Verpflichtungen ergeben sich diesbezüglich im Rahmen des Ausbaus der Ganztagsschulen. Immerhin stammen an allen Ganztagsschulen im Schnitt etwa 80% der Angebote aus dem Bereich von Bewegung, Spiel und Sport (Laging, 2010), sodass sich für Sportlehrer*innen zunehmend die Aufgabe stellt, schulische Bewegungsangebote in der kommunalen Bildungslandschaft zu koordinieren und Schulen im Sinne einer bewegungsfreudigen Schule zu entwickeln (Laging, 2010; Wagner, 2012).
Die zweite Aufgabe, mit der Sportlehrer*innen jüngst konfrontiert werden, betrifft die Einführung der Inklusion an Schulen. Im Schulsport als körperliches und bewegungsnahes Fach geht diese Entwicklung mit sehr eigenen Herausforderungen einher. Dabei gilt es nicht nur die Einbeziehung von Kindern mit Förderbedarf stärker in der Sportlehrer*innenbildung zu verankern, sondern die gesamte Heterogenität der Schülerschaft im Blick zu behalten, denn der Sport ist durch ein komplexes Geflecht an Ungleichheiten gekennzeichnet (z. B. bzgl. des Geschlechts, des sozialen Milieus, der sportlichen Vorerfahrungen, des Migrationshintergrundes).
Das Kompetenzprofil von Sportlehrer*innen muss deshalb in mindestens folgenden Bereichen geschärft und erweitert werden:
- Sportlehrer*innen benötigen Kompetenzen zum Umgang mit Heterogenität und zur Förderung von Inklusion in einer zunehmend auf Vielfalt und Chancengerechtigkeit ausgerichteten Gesellschaft.
- Sportlehrkräfte brauchen vermehrt Kompetenzen zur schülerseitigen Aktivierung eines gesunden und aktiven Lebensstils in einer durch zunehmende Bewegungsferne gekennzeichneten Welt (dazu zählt auch die Entwicklung des Schulsports in kommunalen Bildungslandschaften und beim Ausbau der Ganztagsschulen).
- Angesichts der zunehmenden Ansprüche an Sportlehrkräfte benötigen sie Selbstregulierungskompetenzen, um mit diesen Ansprüchen und hiermit einhergehenden Stresssituationen im Schulalltag umgehen zu können.
Literatur
DOSB, DSLV & dvs. (2009). Memorandum zum Schulsport. Frankfurt: Deutscher Olympischer Sportbund.
HBSC-Team Deutschland. (2011). Studie Health Behaviour in School-aged Children. Faktenblatt „Körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen“. Bielefeld: WHO Collaborating Centre for Child and Adolescent Health Promotion.
Kurth, B. (2007). Geschlechtsspezifische Aspekte in der Epidemiologie der Adipositas: Der Kinder- und Jugendsurvey. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 57, 242-247.
Laging, R. (2010). Sport in der Ganztagsschule. In N. Fessler, A. Hummel & G. Stibbe (Hrsg.), Handbuch Schulsport (S. 429-442). Schorndorf: Hofmann.
Statistisches Bundesamt. (2013). Bildung und Kultur - Studierende an Hochschulen. Vorbericht; Wintersemester 2012/2013. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Wagner, I. (2012). Bewegung, Spiel und Sport im nordrhein-westfälischen Ganztag der Sekundarstufe I. Sportunterricht, 61, 302-306.
Basierend auf den in der Ausgangslage beschriebenen Problemlagen und der universitären Ausgangssituation, wurden im Rahmen der ersten Förderphase (Schulsport2020) in drei relevanten Themenfeldern (Heterogenität/Inklusion, Sportmotivation/Bewegungsförderung sowie Sportlehrer*innenstress) Ansatzstellen für Weiterentwicklungen der Lehrer*innenbildung analysiert, Produkte (d. h. Bildungskonzeptionen und Lehr-/Lernwerkzeuge) entwickelt, erprobt und evaluiert sowie Fundamente für inner- und außeruniversitäre Strukturen der Profilierung, der Nachwuchsförderung und des Produkttransfers geschaffen.
Ausgehend hiervon ließen sich für die zweite Förderphase fünf Hauptziele definieren:
1. Profilierung der Lehrer*innenbildung an der DSHS Köln
Zur verstärkten Profilierung der Lehrer*innenbildung an der DSHS Köln wurde die hochschuleigene wissenschaftliche Ausrichtung und Sichtbarkeit der Sportlehrer*innenbildung verfestigt und ausgebaut. Dafür wurden (1) ein hochschulinternes Förderprogramm zur „Schulsportforschung und Sportdidaktik“ entwickelt und umgesetzt, (2) wissenschaftliche Personalstrukturen im Bereich (Sport-)Lehramt kontinuierlich weiterentwickelt, (3) das wissenschaftliche Publikationswesen gestärkt und (4) die Öffentlichkeitsarbeit ausgeweitet.
2. Weiterführung und Ausbau von Forschung und Qualitätssicherung
Die Forschung und Qualitätssicherung der ersten Förderphase wurde bezogen auf die projektspezifischen Themen, Produkte und Prozesse weitergeführt und ausgebaut. Hierfür erfolgte (1) ein Monitoring und eine Evaluation der Produktnutzung (d. h. Nutzung der Bildungskonzeptionen und der Lehr-/Lernwerkzeuge), um ihre Reichweite, Flexibilität, Akzeptanz und Effekte zu prüfen, (2) eine Analyse der Bedingungen der spezifischen Anwendungsfelder Grundschule und Ganztag, um die Übertragbarkeit von Produkten auf diese Anwendungsfelder gewährleisten zu können, und (3) eine Untersuchung von Effekten des Einsatzes spezifischer digitaler Medien in der Sportlehrer*innenbildung.
3. Produkt(weiter-)entwicklung
Die bestehende Produktpalette wurde unter Berücksichtigung bestehender und zukünftiger Evaluationsergebnisse ausgeweitet. Dies umfasste als Teilziele sowohl (1) den weiterführenden Ausbau bestehender Bildungskonzeptionen und Lehr-/Lernwerkzeuge, (2) die Entwicklung spezifischer Produkte für die Anwendungsfelder Grundschule und Ganztag (s. Teilziel (2) in 4.2) sowie (3) die Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Selbstdiagnostik bzw. Selbstreflexion.
4. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Projekt Schulsport2030 (und darüber hinaus) waren die Stärkung der Forschungskompetenz sowie der Innovationsfähigkeit im Bereich der Sportlehrer*innenbildung grundsätzliche Zielstellungen. Folgende Teilziele wurden im Vorfeld definiert und umgesetzt: (1) Weiterführung und Ausbau hochqualitativer Betreuung und Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses, (2) Entwicklung von Maßnahmen des internationalen Austausches des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Sportlehrer*innenbildung und (3) Einrichtung zusätzlicher wissenschaftlicher Nachwuchsstellen für die Schulsportforschung.
5. Gewährleistung von Nachhaltigkeit und Transfer im Projekt Schulsport2030
Die Nachhaltigkeit und der Transfer der Produkte erfolgte durch die Implementierung von Bildungskonzeptionen und Lehr-/Lernwerkzeugen in allen Phasen der Sportlehrer*innenbildung. Hierfür wurden (1) Rahmenbedingungen geschaffen (institutionell, personell, organisatorisch), (2) die Akzeptanz der Produkte durch Informationsweitergabe und Erreichbarkeit gesichert und (3) ein Bildungsportal Schulsport2030 aufgebaut und eingerichtet, das inneruniversitär, regional sowie überregional die Nutzung von Produkten in der Sportlehrer*innenbildung gewährleistet.
Arbeitspakete in der 2. Förderphase (Schulsport2030)
Für jedes der fünf Hauptziele wurden spezifische Arbeitspakete (AP) beschrieben, welche aus unterschiedlichen Arbeitssträngen bestanden. Die Arbeitsstränge beinhalteten mit unterschiedlicher Akzentuierung konzeptionelle Entwicklungen, Forschungs- bzw. Evaluationsprozesse sowie technische und personale Strukturentwicklungen. Alle beschriebenen Arbeitsprozesse waren in das Nachhaltigkeitskonzept von Schulsport2030 eingebunden und über gemeinsame personale, organisatorische und technische Strukturen verknüpft.
Arbeitspaket A
In diesem AP wurden die Vorarbeiten der ersten Förderphase (Schulsport2020) in Richtung einer verstärkten wissenschaftlichen Ausrichtung und Sichtbarkeit der Sportlehrer*innenbildung verfestigt. Darunter fallen die 2018 gegründete Zeitschrift für Studium und Lehre der Sporwissenschaft (ZSLS) sowie die inner und außeruniversitäre Präsenz des Projekts Schulsport2030 in Form dieser Projektwebsite, Schulsporttagungen und der Aufbau und Bekanntmachung des Bildungsportals Schulsport2030. Neue Vorhaben dieses APs waren das "Förderprogramm Schulsportforschung und Sportdidaktik" sowie die "wissenschaftliche Personalentwicklung im Lehramt".
Arbeitspaket B
Die Nutzung von Bildungskonzeptionen und Lehr-/Lernwerkzeugen (Produkte) wurde in der zweiten Förderphase verstärkt beobachtet (Monitoring) und evaluiert. Dies betraf sowohl Produkte, die in der ersten Förderphase (Schulsport2020) entwickelt wurden, als auch Weiterentwicklungen in der zweiten Förderphase.
Arbeitspaket C
Die Lehr-/Lernwerkzeuge, die in der ersten Förderphase (Schulsport2020) auf Basis der empirischen Analysen erstellt und in Pilotprojekten erprobt und evaluiert wurden, sind in der zweiten Förderphase ausgebaut und durch weitere Lehr-/Lernwerkzeuge ergänzt worden.
Arbeitspaket D
In diesem AP war die zentrale Koordinationsstruktur das Graduiertenkolleg Schulsport2030. Die jeweiligen Arbeitsstränge um AP-D betrafen die Weiterführung und den Ausbau einer hochqualitativen Betreuung und Qualifizierung des Nachwuchses, die Entwicklung des internationalen Austausches des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Sportlehrer*innenbildung sowie die Einrichtung zusätzlicher wissenschaftlicher Nachwuchsstellen für die Schulsportforschung.
Arbeitspaket E
Um die Nachhaltigkeit und den Transfer sicherzustellen, wurden in diesem AP die Lehr-/Lernwerkzeuge und Bildungskonzeptionen (Produkte) in die drei Phasen der Sportlehrer/-innenbildung implementiert (u. a. hochschulinterne Netzwerkbildung, regionale/überregionale Netzwerke: Bezirksregierung Köln, Deutscher Sportlehrerverband (DSLV), Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB)). Weitere Arbeitsstränge dieses APs umfassten den Aufbau und die Pflege des Bildungsportals Schulsport2030 sowie den Transfer der Produkte in die Universitäten Kiel und Leipzig.
1. Förderphase Schulsport2020 (06/2016 - 06/2019)
Mit der ersten Förderphase im Projekt Schulsport2020 setzte sich die DSHS Köln das Ziel, die universitäre Ausbildung von Sportlehrkräften bis in die Phasen des Berufseinstiegs zu optimieren. Hintergrund aller Projekte in Schulsport2020 war die wichtige Rolle und die großen Chancen des Schulsports für Inklusion, Bewegungsförderung und Persönlichkeitsentwicklung. Zugleich hatte der Projektverbund das Ziel, Sportlehrer*innen Hilfestellung im Umgang mit steigenden Anforderungen und Belastungen zu leisten, die mit gesellschaftlichen Veränderungen einhergehen.
Ergebnisse der 1. Förderphase
Ressourcen
Es wurden 4 Stellen geschaffen bzw. entfristet: ZfL: phasenübergreifende Netzwerkbetreuung (100 %); Stabsstelle des Rektors: e-learning (50 %), Lehr-/Lernmedien (50 %); Koordination Lehramt (50 %).
Strukturen
Folgende neue Strukturen wurden entwickelt: Einrichtung Förderprogramm „Schulsportforschung und Sportdidaktik“ erstmals ab 2018; Gründung der „Zeitschrift für Studium und Lehre in der Sportwissenschaft“ als wissenschaftliche Publikationsplattform für die Sportlehrer*innenbildung; Einrichtung des „Kölner Tag des Schulsports“ inkl. wissenschaftliches Symposium zur Sportlehrer*innenbildung.
Prozesse
Folgende Prozesse wurden optimiert: Prozessverankerung des Lenkungsausschusses Lehramt (Einbindung/Beteiligung von ZfL, Stabsstelle des Rektors, Verwaltung, Studiengangsleitungen Lehramt); Etablierung von Netzwerken und Informationsverbünden zu 53 Fortbildungsanbietern (u. a. Bezirksregierungen) und 34 ZfsL.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Öffentlichkeitsarbeit wurde folgendermaßen umgesetzt: diese Projekt-Website, Informationsmedien (Broschüre, Flyer), deutschlandweiter Fachverbund Sport in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung.
Akteursbezogene Studien zur Sportlehrer*innenbildung
Lehrkräftestudie
In der Zielgruppe der Sportlehrkräfte wurden insgesamt 2179 Lehrer*innen im Rahmen von quantitativen Teilstudien zu den drei Projektthemen Heterogenität/Inklusion, Schüler*innenmotivierung und Stress befragt. Hierbei wurden Grund-, Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen, Gymnasien, Berufskollegs und alternative (Modell-) Schulen berücksichtigt. Weiterhin wurden 31 qualitative Einzelinterviews mit Sportlehrkräften an den verschiedenen Schulformen durchgeführt.
Schüler*innenstudie
Es wurden 4287 Schüler*innen (7.-13. Klasse aller genannten Schulformen) in zwei Teilstudien analysiert (Heterogenität/Inklusion, Motivation/Wahrnehmung der Lehrkraft). Weiterhin wurden 15 qualitative Gruppeninterviews mit 68 Schüler*innen der 7.-9. Klasse durchgeführt.
Studierendenstudie
Es wurden Daten von 433 BA-Studierenden aller Lehrämter im Rahmen von zwei Teilstudien analysiert (Einstellungen zu Heterogenität/Inklusion; Umgang mit Stress, studentische Lernmotivation). Außerdem wurden zwei Längsschnittbefragungen bei 90 Studierenden durchgeführt (Effekte inklusiver Lehrveranstaltungen; Veränderungen von Einstellungen zu Heterogenität/
Inklusion). Dozierendenstudie: Bis Ende 2018 wird eine Dozierendenbefragung umgesetzt, in der es neben Einstellungen und eingeschätztem Wissen insbesondere um Akzeptanz- und Umsetzungsbedingungen von (neuen) Konzeptionen und/oder Lehr-/Lern-Werkzeugen geht.
Sonstige Studien
Zur Vertiefung der Erkenntnisse wurden eine kombinierte Video- und Interviewstudie mit 10 Sportlehrkräften sowie Interviews mit 10 Schulleitungen durchgeführt. Ferner wurden 50 biometrische Analysen (per Akzelerometrie bei Lehrer*innen) zum Erholungs- und Freizeitverhalten durchgeführt.
Praxisbezogene Erkenntnisse der akteursbezogenen Studien
Bedingungen der beruflichen Praxis
Im Unterrichtsfach Sport sind neben den etablierten Heterogenitätsdimensionen (z. B. Behinderung, Geschlecht) auch sportunterrichtsspezifische Unterschiede relevant (z. B. Körpergewicht, Sporterfahrungen). Diese Heterogenität wirkt sich auf das Unterrichten und auf die Teilhabe von Schüler*innen aus. Darüber hinaus bestehen komplexe Interaktionen zwischen verschiedenen Heterogenitätsmerkmalen (z. B. Flucht-/Migrationshintergrund, Geschlecht, Religionszugehörigkeit). Die resultierende Unterrichtskomplexität bedingt erhöhte personelle, aber auch zeitliche und materielle Ressourcenbedürfnisse und führt gemeinsam mit weiteren Faktoren (z. B. Lautstärke) insbesondere im Vorbereitungsdienst zu teils hohem Stress.
Kompetenzen/Einstellungen von Akteuren
Zu Heterogenität/Inklusion im Schulsport sind Studierende grundsätzlich positiv eingestellt. Innerhalb des Feldes bestehen bei Lehrkräften jedoch Einstellungsunterschiede je nach Heterogenitätsdimension (z. B. bei einzelnen Förderbedarfen (FB) positivere Werte bei physischer Heterogenität oder auch persönlichem Hintergrund der Lehrkräfte): So weisen z. B. Frauen oder Grundschullehrkräfte positivere Einstellungen auf. In eine ähnliche Richtung deuten die Befunde zur Ausprägung von Selbstwirksamkeitserwartungen der Lehrkräfte, die v.a. bezüglich des Umgangs mit Schüler*innen mit Förderbedarfen geringer ausgeprägt sind. Auch schätzen bereits Studierende ihre Fähigkeiten zum Umgang mit Heterogenität/Inklusion relativ zu anderen Themen niedrig ein (z. B. Stressregulation). Entsprechend äußern Sportlehrkräfte den Wunsch nach Unterstützung insbesondere bei sonderpädagogischen Förderbedarfen (v. a. FB emotional-soziale Entwicklung) und im Umgang mit Schüler*innen mit Fluchthintergrund.
Belastung und psychische Gesundheit von Sportlehrkräften
Umgang mit Heterogenität ist ein starker Belastungsfaktor (insbes. FB emotional-soziale Entwicklung/FB Lernen). Belastend wird zudem das Unterrichten von Schüler*innen mit unterschiedlichen körper- und sportbezogenen Voraussetzungen (Übergewicht, Vorkenntnisse/Können, Motivation) eingeschätzt. Auch dies lässt erkennen, warum jede fünfte Sportlehrkraft ihre Fähigkeiten, Kinder und Jugendliche zu motivieren, niedrig einschätzt. Den hohen Anforderungen und Belastungen steht eine eher defizitäre Stressbewältigung gegenüber. Eine ungünstige Stressbewältigung gepaart mit hohen Belastungen lässt die hohe Quote an Burnout bei Sportlehrkräften erklären (ca. 20-25 %).
Analyse bestehender Konzepte und gewonnene Erkenntnisse
Es wurde eine umfangreiche Bestandsaufnahme sportlehramtsbezogener Studiengänge durchgeführt. Dazu erfolgte eine themenspezifische qualitative Inhaltsanalyse relevanter Modulhandbücher an ausgewählten Universitäten (Schwerpunkt NRW) zu den drei Projektthemen (68 Dokumente; 1800 Seiten). Ergänzend wurden (Fort-)Bildungsangebote der Bezirksregierungen NRW sowie des Bildungsportals NRW analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Themenbereiche des Projekts in Bildungskonzepten zwar vertreten sind (174 Angebote zu Heterogenität/Inklusion, 142 Angebote zu Belastung/Stress, 52 Angebote Motivierung), dass aber die Inhalte kaum vertieft oder systematisch aufbereitet werden.
Auf Basis der empirischen Erkenntnisse und der Analyse bestehender Konzepte wurden bis zum Ende der ersten Förderphase Bildungskonzepte und Lehr-/Lernwerkzeuge in den drei Projektthemen erstellt. Die Zielgruppe dieser Werkzeuge waren Multiplikator*innen in allen Phasen der Sportlehrer*innenbildung: Dozierende an Hochschulen, Fach-/Seminarleitungen im Referendariat (Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung/ZfsL), Lehrpersonen in der Fortbildung von Sportlehrkräften und Berater*innen im Schulsport. Die Lehr-/Lernwerkzeuge thematisierten Inhalte der Sportlehrer*innenbildung, die sich durch die vorhergehenden Analysen entweder als besonders relevant oder als bisher defizitär verankert erwiesen haben. Die Materialien und Anregungen wurden webbasiert aufbereitet. Die Lehr-/Lernwerkzeuge wurden bis Herbst 2018 erstellt und erprobt. Im WiSe 18/19 war der Einsatz und die begleitende Evaluation der Werkzeuge vorgesehen, um darauf basierend die Finalisierung bis zum Ende der ersten Förderphase vorzunehmen.
Unterschiedliche Formate wurden eingesetzt:
Makro-Lehr-/Lernsequenzen bestehen aus aufeinander aufbauenden Unterrichtsreihen oder Kurskonzepten, die dem Grundaufbau Sensibilisierung, Wissensvermittlung und Aufbau eines
Handlungsrepertoires folgen (z. B.: Inklusive Spielvermittlung im Basketball). Das im Projekt weiterentwickelte Kurskonzept „Teilhabe und Schulsport“ wurde bereits umgesetzt und bewirkte
teilweise positive Veränderungen in Einstellungen/Selbstwirksamkeit. Auch wurden bereits Lehr-/Lernsequenzen zum Aufbau von Ressourcen gegenüber Stress erprobt.
Mikro-Lehr-/Lernsequenzen konzentrieren sich auf einen Teilaspekt einer Lernreihe (zumeist auf Sensibilisierung oder Wissensvermittlung) und bereiten diesen didaktisch anschaulich auf
(z. B. mit Hilfe von Fallbeispielen, Video-/Audiolernsequenzen, Expert*innenbeiträgen, Arbeitsblättern).
Selbstreflexion und (Selbst-)Diagnostik: In der empirischen Phase wurden in allen drei Hauptthemen Erhebungsinstrumente entwickelt bzw. für den Schulsport adaptiert oder validiert. Hierauf basieren einzelne Werkzeuge zur Selbstreflexion bzw. Selbstdiagnostik (z. B. online-basierte Tools zu Einstellungen bzgl. Heterogenität oder Stressbewältigung).
Videobasierte Tools werden zur Fallarbeit und als (Video-)Vignetten eingesetzt. Zusätzlich werden derzeit „Erklärvideos“ (kompakte Wissensvermittlung) erstellt, die leicht von Multiplikator*innen in eigene Lehrveranstaltungen integriert werden können. Der Einsatz von 360°-Videosequenzen zur praxisnäheren Vermittlung von Inhalten wurde exemplarisch geprüft und bereitet die nähere Betrachtung digitaler Medienwirkungen (Zielstellung der zweiten Förderphase) vor. Alle Arbeiten wurden durch externe medienpädagogische Fachexpertise begleitet.
Die entwickelten Bildungskonzeptionen und Lehr-/Lernwerkzeuge der 1. Förderphase (Schulsport2020) und der 2. Förderphase (Schulsport2030) werden im Bildungsportal zur Verfügung gestellt.
Im Rahmen der Forschung war/ist der wissenschaftliche Nachwuchs maßgeblich an der Planung, Organisation sowie Auswertung und Dokumentation der Studien beteiligt. Als strukturelles Element der Nachwuchsförderung wurde in der ersten Förderphase das Graduiertenkolleg Schulsport2020 eingerichtet, in dem zwei Habilitierende, sechs Promovierende und als Betreuer*innen eine Juniorprofessorin, zwei Professoren und drei Post-Doc Stellen eingebunden sind. Das Kolleg förderte systematisch den interdisziplinären Austausch und die wissenschaftliche Qualifikation: Bis Juni 2018 fanden 20 Graduiertentreffen statt; zur spezifischen Fortbildung wurden drei Vorträge durch Externe und vier Fortbildungsmaßnahmen organisiert (u. a. zu Mitteleinwerbung, statistischen Fragestellungen und fachlichen Querschnittthemen). Im März 2018 fand ein Graduiertensymposium zur Sportlehrkräftebildung mit Vorträgen des Nachwuchses statt. Die acht Qualifikand*innen haben in der Summe 32 Beiträge (Vorträge, Posterpräsentationen) auf (inter-)nationalen wissenschaftlichen Tagungen geleistet.
Zur hochschulinternen Netzwerkbildung in der 1. Phase der Lehrerbildung wurden Studiengangsleitungen, Dozierende und Personen des ZfL als Multiplikatoren in die Entwicklungen einbezogen. Eine für die zweite Förderphase angestrebte Verankerung der Maßnahmen auf inhaltlicher Ebene (Curriculum) kann durch den engen Austausch mit dem Rektorat sowie durch die personelle Besetzung des Prorektors für Studium und Lehre als Projektleitung gewährleistet werden.
In der 2. Phase der Lehrerbildung wurden auf regionaler Ebene (z. B. Leitungen und Fachleitungen einiger ZfSL, themenbezogene Fortbildungsanbieter) und überregionaler Ebene (z. B. Lehrer*innenausbildungsstätte Leipzig) Netzwerke als Voraussetzung für einen gelingenden Transfer geschaffen.
Für die 3. Phase fanden auf regionaler Ebene Austauschtreffen mit Berater*innen im Schulsport (Bezirksregierung Köln), Schulleitungen oder Sportlehrkräften zur kritischen Begleitung und Mitgestaltung der (Produkt-)Entwicklungen statt. Eine Festigung der Netzwerke konnte u. a. durch Beteiligung an 42 relevanten Veranstaltungen/Arbeitstreffen erreicht werden. Auf überregionaler Ebene konnte durch die Mitgestaltung des Projektbeirats (Deutscher Sportlehrerverband (DSLV), Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB), Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) sowie die Universitäten Frankfurt, Kiel und Leipzig) eine wertvolle Basis geschaffen werden, die Produkte auch langfristig über diese Multiplikatoren überregional zu verankern.
Phasenübergreifend wurden erste Strukturen für eine zentrale Lehr-/Lernplattform zur Integration und Bereitstellung verschiedener Medien für den inneruniversitären Gebrauch, aber auch für Benutzer*innen anderer Institutionen (Open Educational Resources, OER) aufgebaut. Diese Vorarbeiten münden in das Ziel der zweiten Förderphase, eine technologische Rahmenkonzeption zu entwickeln und verfügbar zu machen, die Konzepte und Lehr-/Lernwerkzeuge integriert, dazu informiert und Innovationen unterstützt. Eine durchgeführte Delphistudie soll zudem Aufschluss über eine gelingende Übertragbarkeit der Bildungskonzepte und der Lehr-/Lernwerkzeuge auf andere deutsche Hochschulen und Fort- und Weiterbildungsanbieter geben. Zudem wurde die Transferveranstaltung „Kölner Tag des Schulsports“ an der DSHS Köln (erstmalig September 2018) in Verbund mit einem Wissenschaftlichen Symposium initiiert, welche im Zweijahresturnus fortgeführt werden soll.
Berichte der 1. Förderphase
Partner*innen der 1. Förderphase
Neben den aktuellen Partnern von Schulsport2030 wurde das Projekt in der 1. Förderphase (Schulsport2020) von dem Projektbeirat unterstützt:
Dem Projektbeirat kam in Schulsport2020eine besondere Bedeutung zu. Er verband Stakeholder der berufs- und verbandspolitischen Richtung (dvs, DOSB, DSLV) mit der transferorientierten Expertise ausgewählter Hochschulen (Frankfurt, Leipzig, Kiel).
Vor allem in der vierten Projektphase (Entwicklung eines Implementierungs- und Transferkonzepts) bildete der Projektbeirat eine zentrale Unterstützung. Einerseits brachte dieser das professionsübergreifende Wissen in einen interdisziplinären Dialog ein, und trieb andererseits die Verstetigung und Implementierung (durch Beteiligung von drei weiteren Universitäten und relevanten Verbänden) voran und ermöglichte somit eine qualitativ nachhaltige Verbesserung des länderübergreifenden Lehrerausbildungsprozesses im Schulfach Sport.
Mitglieder des Projektbeirats:
Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper
DOSB Vizepräsidentin (Bildung und Olympische Erziehung)
Michael Fahlenbock
Präsident DSLV (Deutscher Sportlehrerverband)
Prof. Dr. Ina Hunger
dvs-Vizepräsidentin (Ressort Bildung)
Prof. Dr. Robert Prohl
Universität Frankfurt (Abteilungsleitung Sportpädagogik)
Prof. Dr. Heike Tiemann
Universität Leipzig (Leitung Fachgebiet Schulsport)
Prof. Dr. Manfred Wegner
Christian-Albrechts-Universität Kiel (Leitung Arbeitsbereich Sportpsychologie und Bewegungswissenschaft)