"Für Spitzensportler*innen ist eine sportgerechte Ernährung ein wichtiger Baustein."

Pinar Erdogan ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Biochemie, Abteilung Sporternährung, an der Deutschen Sporthochschule Köln und Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Rheinland. Zudem ist sie Dozentin im Weiterbildungsmaster Sport, Bewegung und Ernährung sowie Referentin im Zertifikatsstudiengang "DSHS Coach für Sporternährung". Ein abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld - die perfekte Mischung aus Forschung, Praxis und Lehre. Im Interview erzählt sie ausführlich, wie sich Leistungssportler optimal ernähren, woran sie zur Zeit forscht und welche Vorteile der Weiterbildungsmaster Sport, Bewegung und Ernährung mit sich bringt.

UW: Frau Erdogan, zur Zeit finden die Olympischen Spiele in Paris statt. Beraten Sie teilnehmende Sportler*innen und werden Sie sogar vor Ort sein?

Pinar Erdogan: Ich freue mich sehr auf die anstehenden Olympischen Spiele in Paris und genauso auf die Paralympischen Spiele, die einen Monat später, am 28. August beginnen, da ich einige Athlet*innen des Team D Paralympics hinsichtlich der Ernährung berate. Leider werde ich die Wettkämpfe nur aus der Ferne verfolgen können, aber ich drücke dem gesamten Team Deutschland fest die Daumen!

Was sind Ihre Hauptaufgabenbereiche als Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Rheinland?

Als Ernährungsberaterin unterstütze ich Athlet*innen verschiedener olympischer und paralympischer Sportarten wie bspw. Rudern, Leichtathletik, Taekwondo und Rollstuhlbasketball. Unsere Zusammenarbeit erfolgt entweder individuell in Einzelgesprächen oder in Form von Workshops. Bei Individualberatungen steht das Anliegen der Athlet*innen im Vordergrund, z.B. die Optimierung der Nährstoffzufuhr im Trainingsalltag oder die Planung der Ernährung für anstehende Wettkämpfe. Die Themen von Workshops werden i.d.R. mit Trainer*innen abgestimmt und der Fokus kann sportartspezifisch variieren. Bspw. ist bei Gewichtsklassensportarten wie Rudern und Boxen das Gewichtsmanagement besonders relevant. Wenn in Trainingsgruppen ein besonderer Aufklärungsbedarf zu spezifischen Themen erkannt wird, wie etwa vegane Ernährung im Sport, werden die Workshops entsprechend ausgerichtet.

Wie sieht die optimale Ernährung für Olympia-Teilnehmer*innen aus?

Für Spitzensportler*innen ist eine sportgerechte Ernährung ein wichtiger Baustein, um die mentale und körperliche Leistungsfähigkeit sowie die Regeneration zu unterstützen. Die „optimale“ Ernährung kann für Athlet*innen sehr unterschiedlich aussehen und hängt von der Sportart, der aktuellen Trainings- und Wettkampfphase sowie den individuellen Bedürfnissen ab. Je nach Belastungsumfang und -intensität kann der Energie- und Nährstoffbedarf täglich variieren, und die Zufuhr sollte entsprechend angepasst werden. Grundsätzlich gilt für Ausdauer- und Kraftsportler*innen eine kohlenhydratbetonte, proteinmoderate und fettarme Ernährung als vorteilhaft. Idealerweise sollte die Lebensmittelauswahl abwechslungsreich und von hochwertiger Qualität sein.

Neben der täglichen, absoluten Nährstoffzufuhr spielt auch das Timing der Nährstoffaufnahme eine wichtige Rolle für die Leistungs- und Regenerationsfähigkeit. Ein zu voller Magen kann während der Belastung das Wohlbefinden und damit die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Ebenso führen leere Energiespeicher zu weniger Kraft und Ausdauer. Die letzte große Mahlzeit vor einer intensiven Belastung sollte daher 3-4 Stunden vorher eingenommen werden und idealerweise kohlenhydratbetont und fettarm sein, z.B. Haferflocken mit Obst und Joghurt oder Nudeln mit Gemüsesoße. Bei intensiven und längeren Belastungen über eine Stunde können während des Trainings oder Wettkampfs schnell verdauliche, kohlenhydratreiche Snacks wie Energieriegel, Gels und Sportgetränke notwendig sein, da die Energiespeicher im Körper begrenzt sind. Für eine schnelle Regeneration nach einer intensiven Belastung sollten die leeren Energiespeicher zügig, innerhalb der nächsten 1-2 Stunden, aufgefüllt werden. Dazu sollte eine Kombination aus Kohlenhydraten und Proteinen eingenommen werden, z.B. Reis mit Bohnen oder Kartoffeln mit Lachs und Spinat. Ein erster regenerativer Snack kann auch ein Kakaodrink oder ein selbstzubereiteter Hafer-Bananen-Quark-Shake sein. Hochwertige Fettquellen wie Nüsse, Olivenöl und Fisch sollten ebenfalls nicht vernachlässigt und in Maßen zu den Mahlzeiten hinzugefügt werden, um die Zufuhr essentieller Fettsäuren, die Absorption fettlöslicher Vitamine und die Hormonsynthese sicherzustellen.

Was unterscheidet den Ernährungsplan eines Diskuswerfers von dem eines Sprinters?

Jede Disziplin hat spezifische Anforderungen und die Trainingsziele können sich stark unterscheiden. Während sich Diskuswerfer*innen in ihrem Training auf Kraft, Technik und Explosivität konzentrieren, liegt bei Sprinter*innen der Fokus auf maximaler Geschwindigkeit und Beschleunigung über eine kurze Distanz. Daraus ergeben sich auch Unterschiede im Nährstoffbedarf.

Grundsätzlich gibt es in der Sporternährung allgemeine Empfehlungen für die Zufuhr von Makronährstoffen, die je nach Disziplin und Trainingsziel angepasst werden sollten. Im Leistungssport liegt die tägliche Zufuhrempfehlung für Kohlenhydrate bei 5-12 g/kg Körpergewicht. Es gilt: Je höher der Belastungsumfang und die -intensität, desto größer ist der Kohlenhydratbedarf. An einem Trainingstag mit bspw. zwei Stunden moderater Intensität liegt der Kohlenhydratbedarf bei etwa 6 g/kg Körpergewicht.

Die empfohlene Proteinzufuhr im Sport beträgt 1,2-2 g/kg Körpergewicht pro Tag und sollte je nach Trainingsziel angepasst werden. Bspw. sollten Diskuswerfer*innen, die Muskelmasse aufbauen möchten, eine Proteinzufuhr von etwa 2 g/kg Körpergewicht anstreben.

Für die Fettzufuhr gibt es keine sportspezifischen Empfehlungen. Sie sollte etwa 30 % der gesamten Energiezufuhr (bzw. 1-1,5 g/kg Körpergewicht) betragen.
 

Sie arbeiten als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Biochemie, Abteilung Sporternährung. Das Thema Ernährung ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Wie sehen die Forschungsschwerpunkte in Ihrer Abteilung aus?

Die Forschungsschwerpunkte der Abteilung Sporternährung sind vielfältig und umfassen unter anderem die Erfassung des Ernährungsstatus von Nachwuchsleistungssportler*innen, das Flüssigkeitsmanagement, die Bewertung der Nutzen und Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln sowie die Entwicklung und Anwendung minimal-invasiver Methoden (Microsampling) zur Erfassung ernährungsrelevanter Marker. Aktuell liegt ein besonderer Fokus auf dem Relativen Energiedefizit im Sport (RED-S).

Aufgrund der zunehmenden Häufigkeit bzw. Bekanntheit von Fällen chronischen Energiemangels im Leistungssport und den daraus resultierenden gesundheitlichen und leistungsbezogenen Konsequenzen, gewinnt die Forschung zu RED-S stetig an Bedeutung. Unsere Abteilung führt aktuell Projekte durch, die darauf abzielen, ein geeignetes Diagnosetool zur frühzeitigen Erkennung von RED-S zu entwickeln. Ein zentrales Element dieser Forschungsarbeit ist die Messung relevanter Marker, bspw. Wachstums- und Sexualhormone. Diese Ansätze sollen eine frühzeitige und präzise Diagnose ermöglichen, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten und die Gesundheit sowie die Leistungsfähigkeit der Athleten optimieren zu können.

Sie sind zudem Dozentin im M.Sc. Sport, Bewegung und Ernährung. Welche Schwerpunkte haben Sie als Modulleiterin in dem Masterstudium?

Im Modul „Grundlagen der angewandten Ernährungswissenschaft“ lernen die Studierenden Methoden zur Ernährungsplanung sowie ausgewählte ernährungsphysiologische Aspekte im sportlichen Kontext. Es werden fundierte wissenschaftliche Grundlagen vermittelt und praxisnahe Übungen mit einer gängigen Ernährungssoftware angeboten, um den Studierenden eine gute Basis für ihre berufliche Zukunft zu gewährleisten.

Welche Karrierechancen haben die Absolventen dieses Weiterbildungsmasters?

Der M.Sc. Sport, Bewegung und Ernährung bietet Absolvent*innen vielfältige berufliche Möglichkeiten in hochqualifizierten Positionen. Sie können in der Forschung und Lehre an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen tätig sein, einschließlich der Möglichkeit zur Promotion. Zudem besteht die Option, Leistungssportler*innen über bspw. Sportverbände oder Olympiastützpunkte zu betreuen. Weitere Tätigkeitsfelder finden sich im Gesundheitswesen (bspw. in Kliniken, Reha-Zentren oder Pflegeheimen), in öffentlichen Einrichtungen (bspw. Schulen oder Verbraucherorganisationen), im Tourismus (bspw. in Sporthotels), in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie, in Fitnessstudios sowie in der Öffentlichkeitsarbeit, im Marketing und Journalismus.

Daneben sind Sie außerdem Referentin im Zertifikatsstudiengang "DSHS Coach für Sporternährung". Welche Inhalte unterrichten Sie hier?

Meine Schwerpunkte liegen in den Grundlagen der Ernährungswissenschaft, den Methoden zur Erfassung der Ernährungssituation und ausgewählten Ernährungskonzepten. Insbesondere lernen die Studierenden die biochemischen und physiologischen Grundlagen der Nährstoffaufnahme und -verwertung, die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, die Identifikation kritischer Nährstoffe in besonderen Kostformen, z.B. bei veganer Ernährung, sowie die Auswirkungen von Mangelernährung auf die Gesundheit. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Anwendung verschiedener Methoden zur Erfassung des Ernährungsstatus, wie Messungen der Körperzusammensetzung und die Auswertung von Ernährungsprotokollen.

Für wen ist dieses Zertifikat die richtige Wahl?

Dieses Zertifikat ist die richtige Wahl für Personen, die einen Beruf im Bereich Ernährungsberatung anstreben und speziell daran interessiert sind, Sportler*innen zu betreuen. Wenn jemand für die individuelle Gesundheits- und Ernährungsberatung zu begeistern ist und die Fähigkeit erlangen möchte, individuelle Ernährungspläne für Athlet*innen zu erstellen, bietet dieser Zertifikatsstudiengang die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten.