Tag der gesunden Ernährung - Interview mit Dr. Hans Braun
Was ist eigentlich „gesunde Ernährung“? Worauf müssen Leistungssportler*innen besonders achten und was lernen Teilnehmer*innen im Zertifikatsstudiengang „Coach für Sporternährung“? Zum Tag der gesunden Ernährung haben wir mit einem der Top-Ernährungsexperten in Deutschland gesprochen, Dr. Hans Braun, Leiter der Abteilung Sporternährung des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln.
UW: Herr Braun, was gab es bei Ihnen heute am Tag der gesunden Ernährung zu essen?
Dr. Hans Braun: Generell versuche ich mich vielfältig und abwechslungsreich zu ernähren. Für den heutigen Tag ist nichts Besonderes geplant. Es geht bei den präventiven Eigenschaften der Ernährung ja eher um eine langfristige Verhaltensweise und weniger um eine einmalige Aktion.
Sie sind anerkannter Spezialist für „Sporternährung", als Ernährungsberater tätig und haben schon viele Leistungssportler*innen aus den unterschiedlichsten Bereichen beraten. Was ist für Sie persönlich „gesunde Ernährung“?
Das ist eine komplexe Frage, bei der eine umfassende Antwort wahrscheinlich sehr viel Zeit beanspruchen kann. Kurz zusammengefasst, geht es darum die positiven Eigenschaften von Lebensmitteln für die Gesunderhaltung zu nutzen. Dabei aber auch viel Freude und Spaß an der Zubereitung und dem Konsum der vielfältigen Lebensmittel zu haben, die uns zur Verfügung stehen. Aus meiner Sicht sollte gesunde Ernährung nicht einschränken, eingrenzen oder Lebensmittel verbieten, sondern es sollte Genuss mit allen Sinnen sein. Es geht darum, auch im Leistungssport, die passende Lebensmittelauswahl und -mengen zu kennen, um auf eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung zu kommen.
Laut der Umfrage einer Krankenkasse finden neun von zehn Personen gesundes Essen wichtig oder sehr wichtig. Deckt sich das mit Ihrer Einschätzung? Ist das Bewusstsein dafür gewachsen?
Ich kann mir vorstellen, dass das Bewusstsein gestiegen ist, ob es tatsächlich 9 von 10 Personen sind ist schwierig zu beurteilen. Wichtig wäre jedoch sich dessen nicht nur bewusst zu sein, sondern dies auch im Alltag umzusetzen. Wie gesagt, muss das nicht in Askese enden, sollte aber regelmäßig und nachhaltig berücksichtigt werden.
Dem entgegen steht das entsprechende Umsetzen im Alltag. Viele Menschen sind immer noch der Meinung, dass gesunde Ernährung im Alltag zu aufwendig ist und greifen deswegen zu Fast Food. Wie können Ernährungsberater*innen hier helfen?
Ernährungsberater*innen sollten zunächst erkennen wie sich die Ernährung bei den Ratsuchenden darstellt. Das kann die Bewertung der Lebensmittelauswahl im Alltag sein, die Verpflegung in einer Kantine oder generell außer Haus oder auch ein Lebensmitteleinkauf. Darauf aufbauend können praktische Tipps gegeben werden, um die Ernährungsweise positiv zu beeinflussen. Das findet in kleinen Schritten statt und sollte nach und nach in eine langfristige Verhaltensänderung etabliert werden.
Welche fünf Lebensmittel sind unverzichtbar für eine ausgewogene, gute Ernährung, auf welche fünf sollte man verzichten?
Das entscheidende bei der Lebensmittelauswahl ist Vielfalt. Ich würde kein Lebensmittel generell hervorheben oder ablehnen wollen. Wir sollten vielfältig und bunt essen. Nach Möglichkeit mindestens ¾ der Lebensmittelmenge eines Tages sollte aus pflanzlichen Lebensmitteln stammen. Beim Einkauf sollten wir versuchen möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel zu kaufen und versuchen – ja das kostet etwas Zeit – damit selbst eine Mahlzeit zu kochen. Am Besten gemeinsam Kochen, sich dabei austauschen oder einen Podcast oder gute Musik hören. Kochen als etwas Positives verstehen lernen, um dabei zu entspannen und es nicht als notwendiges Übel betrachten.
Wie unterscheidet sich „normale“ gesunde Ernährung von „Sporternährung“?
Die grundlegenden Aspekte zu Qualität und Vielfalt sind vergleichbar. Sportler*innen unterscheiden sich je nach Trainingsphase im Energiebedarf und daher in der Menge die sie essen müssen um den Energiebedarf gerecht zu werden. Dadurch entsteht im Regelfall ein höherer Bedarf an Kohlenhydrate und Protein. Diese höheren Mengen können durch eine geeignete Lebensmittelauswahl gedeckt werden.
Es wird immer mehr geforscht im Bereich Ernährung, Vereine und Top-Athlet*innen haben ihre eigenen Ernährungsberater*innen. Sind Sportler*innen demnach fitter, gesünder und bringen mehr Leistung als noch vor 10 oder 20 Jahren?
Ob Sportler*innen fitter, gesünder sind und mehr Leistung bringen ist wahrscheinlich, hat aber auch viele Gründe. Welchen Anteil dabei die Sporternährung bzw. Ernährungsberatung hat kann abschließend niemand eindeutig beantworten. Es ist jedoch auch klar, dass ein Anteil gegeben ist und es wäre fahrlässig sich nicht damit auseinander zu setzen.
Immer mehr Menschen, auch Leistungssportler*innen, ernähren sich vegan. Deckt vegane Ernährung den hohen Bedarf an unterschiedlichen Nährstoffen? Insbesondere viele Fleischersatzprodukte stehen immer wieder in der Kritik.
Durch den Verzicht auf tierische Lebensmittel kann es zu einer reduzierten Nährstoffzufuhr kommen. Das betrifft z.B. Eisen, Vitamin B12, Omega 3 Fettsäuren und teilweise auch die Proteinzufuhr. Vieles ist über eine rein pflanzliche Ernährung umsetzbar. Das benötigt jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit pflanzlichen Lebensmitteln und den notwendigen Mengen um die Nährstoffzufuhr sicherzustellen. Nährstoffe wie Vitamin B12 müssen jedoch supplementiert werden. Generell sollte bei Ersatzprodukten dann darauf geachtet werden, ob deren Inhaltsstoffe und Zutatenliste wirklich dem entspricht was Sportler*innen zusätzlich benötigen.
Wie kann man sein Training durch die richtige Ernährung positiv beeinflussen?
Je nachdem wie lange und wie intensiv trainiert wurde ist es notwendig dem Körper Nährstoffe anzubieten, die Anpassungsprozesse und regenerative Prozesse unterstützen. Das kann eine zeitnahe Zufuhr mit Kohlenhydraten, Protein oder auch Wasser sein.
Sie sind unter anderem Leiter des Zertifikatsstudiengangs Coach für Sporternährung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Welche Inhalte lernen die Teilnehmer*innen?
Wir versuchen inhaltlich möglichst einen breiten Überblick zu geben. Es geht zunächst um die grundlegende Besprechung der Nährstoffe und deren Bedeutung im Körper im Kontext Prävention und Gesunderhaltung. Dies wird ergänzt durch Übungen zur Lebensmittelkunde, um den praktischen Transfer sicherzustellen. Wir sprechen auch über psychologische Aspekte der Ernährung, da dieses Thema bei Verhaltensänderungen eine wichtige Rolle spielt. Vertieft werden die Inhalte im Bereich der Sporternährung. Hier soll aufgezeigt werden welche Nährstoffe zu welchem Zeitpunkt in welcher Menge in Abhängigkeit der körperlichen Aktivität wichtig werden. In diesem Zusammenhang wird dann auch über Risiken und Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln gesprochen. Mehr zu den Inhalten findet sich auch in der Ausschreibung.
Für wen eignet sich das Zertifikat und welche Berufsfelder eröffnen sich damit?
Wir haben Teilnehmer*innen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund gehabt die aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus den Kurs belegt haben. Durch den inhaltlichen wie persönlichen Austausch im Kurs jedoch neue Möglichkeiten erkannt haben mit diesem Themenbereich zu arbeiten. Die erlernten Kompetenzen, können beispielsweise im schulischen Bereich, dem betrieblichen Gesundheitsmanagement, im präventiven Bereich oder auch dem Leistungssport eingesetzt werden.
Abschließend die Frage: Gibt es ein „ungesundes“ Lebensmittel, das auch Sie gerne mal genießen?
Ich esse fast alles. Es kommt jedoch auf die Menge an!
Zum 28. Mal veranstaltet der Verband für Ernährung und Diätetik e.V. (VFED) den bundesweiten „Tag der gesunden Ernährung“.
Alle Informationen zu unserer Weiterbildung „Coach für Sporternährung“ finden Sie hier. Der Zertifikatsstudiengang geht von August bis Dezember 2025, Anmeldeschluss ist der 19. Juli.
Der "M.Sc. Sport, Bewegung und Ernährung" startet wieder im Oktober, die Bewerbungsfrist endet am 31. Juli 2025. Eine Infoveranstaltung dazu findet am 6. Mai statt.