Eiweiß und L-Dopa im Alltag – darauf kommt es an.
Der folgende Artikel wurde von unserer Studentin Fabienne Hammer verfasst, die den M.Sc. Sport, Bewegung und Ernährung studiert. Der Artikel wurde im Parkinson Journal veröffentlicht. L-Dopa ist die Abkürzung für Levodopa, eine Vorstufe von Dopamin, das ein wichtiger Botenstoff im Gehirn ist. Dopamin kann Patient*innen nicht direkt verabreicht werden, L-Dopa jedoch schon. Dieser wird dann im Körper umgewandelt in Dopamin.
"Obwohl L-Dopa wirksam ist, führen Off-Phasen im Krankheitsverlauf zu Einschränkungen. Studien zeigen, dass die Eiweißaufnahme die L-Dopa-Wirkung beeinflussen kann. Dieser Artikel beleuchtet, wie gezielte Ernährungsanpassungen helfen können, die Therapie zu optimieren.
Morbus Parkinson (PD) ist eine fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung, die zu einem Dopaminmangel im Gehirn führt. Charakteristische Symptome sind Ruhetremor, Rigor und Verlangsamung der Bewegungen (Bradykinese). Obwohl L-Dopa seit Jahrzehnten als wirksames und etabliertes Therapeutikum gilt, treten gerade im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf häufig sogenannte „Off-Phasen“ auf, in denen die Wirkung von L-Dopa nachlässt und die motorischen Beeinträchtigungen zunehmen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Eiweißaufnahme: Proteine können im Darm mit L-Dopa um den gleichen Transportweg konkurrieren, wodurch die Resorption des Wirkstoffs beeinträchtigt wird.
In aktuellen Studien wird daher untersucht, ob eine gezielte Reduktion oder Umverteilung von Nahrungsprotein – beispielsweise durch den Einsatz spezieller eiweißarmer Produkte (Low-Protein Products, LPP) – dazu beitragen kann, die Wirksamkeit von L-Dopa zu stabilisieren. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Häufigkeit und Schwere von postprandialen („nach dem Essen auftretenden“) Off-Phasen dadurch verringern lassen. Im Folgenden werden zentrale Studienergebnisse vorgestellt, die diese Ernährungsstrategie in den Fokus rücken und für die Praxis vielversprechende Ansätze liefern.
Eine Schlüsselstudie wurde hierzu von Barichella et al. (Mov Disord. 2006) durchgeführt [1]. Die Forschenden untersuchten, ob spezielle eiweißarme Lebensmittel (LPP), ursprünglich für Nierenpatienten entwickelt, postprandiale Off-Phasen bei Patienten mit fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom verbessern können. Während die Kontrollgruppe eine konventionelle Kost erhielt, verwendete die Interventionsgruppe LPP. Das Ergebnis war, dass die Häufigkeit und Schwere der postprandialen Off-Zeiten durch die Reduktion des Proteingehalts signifikant gesenkt werden konnten. In einer weiteren Arbeit von Barichella et al. (Nutr Neurosci. 2007) [2] zeigte sich zudem, dass eine Ernährung mit LPP nicht nur die motorischen Fluktuationen günstig beeinflussen, sondern auch den täglichen Energieverbrauch steigern kann. Damit bestätigen sich frühere Hinweise, wonach die genaue Steuerung der Eiweißzufuhr – sowohl hinsichtlich Menge als auch Zeitpunkt – den therapeutischen Effekt von L-Dopa verstärken kann.
Auf molekularer Ebene ist bekannt, dass die im Darm resorbierten Aminosäuren mit L-Dopa um denselben Transporter konkurrieren. Eine eiweißarme Diät oder die gezielte Einnahme von LPP kann diesen Wettbewerb abschwächen und so höhere L-Dopa-Spiegel im Blut und letztlich im Gehirn ermöglichen. Das Prinzip der Proteinumverteilung wird auch in anderen Untersuchungen gestützt, etwa von Karstaedt et al. (Arch Neurol. 1991) [3], die in Kombination mit Standard- oder kontrolliert freisetzenden L-Dopa/Carbidopa-Präparaten eine Verbesserung der motorischen Stabilität beobachten konnten. Pinelli et al. (Int J Neurosci. 2024) [4] kamen in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass moderates Molkenprotein (Whey Protein) die L-Dopa-Wirkung nicht signifikant beeinträchtigt, was jedoch unterstreicht, dass der Einnahmezeitpunkt und die Gesamteiweißmenge im Tagesverlauf entscheidend sind. Safirstein et al. (Clin Ther. 2020) [5] zeigten zudem, wie stark der Nahrungszustand bei inhalativem L-Dopa (CVT-301) zusammen mit oralem Carbidopa die Pharmakokinetik beeinflussen kann. In einer aktuellen Übersichtsarbeit wird ferner hervorgehoben, dass proteinreiche Kost die Aufnahme und Wirksamkeit von L-Dopa erschweren kann [6].
Die neuen Erkenntnisse verdeutlichen die Rolle einer angepassten Ernährung in der Parkinsonbehandlung. Ähnlich wie bei anderen chronischen Erkrankungen kann die Zusammensetzung der Mahlzeiten die Wirkung von Medikamenten erheblich beeinflussen. Spezielle eiweißarme Produkte (LPP) bieten hier möglicherweise eine praktikable und effektive Option, insbesondere für Betroffene mit ausgeprägten Off-Phasen. Dennoch ist eine individuelle Ernährungsberatung entscheidend, da Faktoren wie Alter, Muskelmasse und Begleiterkrankungen berücksichtigt werden müssen. Eine pauschale, stark eiweißreduzierte Diät kann ohne fachliche Begleitung zu Mangelzuständen führen. Ziel ist eine medizinisch sinnvolle und alltagstaugliche Proteinanpassung, die in das Gesamtkonzept der Behandlung passt.
Bei Morbus Parkinson kann eine gezielte Steuerung der Eiweißzufuhr, insbesondere eine zeitliche Trennung von L-Dopa und proteinreichen Mahlzeiten (keine Eiweißmahlzeit etwa 1,5 Stunden vor und 0,5 Stunden nach Tabletteneinnahme), nachweislich die Häufigkeit und Intensität von Off-Phasen verringern [1,2]. Aminosäuren aus Proteinen konkurrieren sonst im Darm mit L-Dopa um denselben Transportweg und beeinträchtigen so die Medikamentenwirkung [3–5].
Parallel sorgt Tanganil (Acetyl-DL-Leucin), ein Aminosäure-Derivat, für Diskussionen: Es ist kein vollständiges Eiweiß, könnte aber theoretisch L-Dopa im Transportmechanismus beeinflussen. In ersten, jedoch nicht ausreichend finanzierten Untersuchungen deutete Acetyl-L-Leucin auf eine mögliche neuroprotektive Wirkung hin und könnte somit zu einem verlangsamten Fortschreiten von Parkinson führen; valide Studien fehlen jedoch bislang. Aufgrund der Vermutung, dass der Transportmechanismus hier ebenfalls beeinflusst werden könnte, wäre eine Zeitliche Trennung der Einnahme von Tanganil und L-Dopa möglicherweise zu empfehlen.
Die aufgeführten Hinweise gehen auf Recherchen und einen Artikel von Jürgen Zendner zurück und sind in seinem Artikel über Tanganil vom 12.01.2025 erläutert.
Zusammenfassung
Aspekt | Details |
Erkrankung | Morbus Parkinson (PD) – neurodegenerative Erkrankung mit Dopaminmangel |
Hauptsymptome | Ruhetremor, Rigor, Bradykinese |
Standardtherapie | L-Dopa – wirksames Therapeutikum seit Jahrzehnten |
Problem bei Therapie | Off-Phasen durch nachlassende L-Dopa-Wirkung im Krankheitsverlauf |
Einfluss der Ernährung | Eiweiß konkurriert mit L-Dopa um den gleichen Transportweg im Darm |
Forschungsergebnisse | LPP (Low-Protein Products) reduzieren Off-Phasen und verbessern motorische Stabilität |
Empfohlene Maßnahmen | Gezielte Eiweißreduktion/Umverteilung, Trennung der L-Dopa-Einnahme von proteinreichen Mahlzeiten |
Besondere Hinweise | Individuelle Ernährungsberatung nötig, um Mangelzustände zu vermeiden |
Quellen
[1] Barichella M, Cereda E, Pezzoli G. Special low-protein foods ameliorate postprandial off in patients with advanced Parkinson’s disease. Mov Disord. 2006 Oct;21(10):1682-7.
[2] Barichella M, Cereda E, Pezzoli G. Diet with LPP for renal patients increases daily energy expenditure and improves motor function in parkinsonian patients with motor fluctuations. Nutr Neurosci. 2007 Jun-Aug;10(3-4):129-35.
[3] Karstaedt PJ, Pincus JH, Coughlin L. Standard and Controlled-Release Levodopa/Carbidopa in Patients With Fluctuating Parkinson’s Disease on a Protein Redistribution Diet: A Preliminary Report. Arch Neurol. 1991 Apr;48(4):402-5.
[4] Pinelli M, Rossetti T, Mazzucchi S, et al. Can we add whey protein supplementation in patients with Parkinson’s disease without interfering with levodopa response? Int J Neurosci. 2024 Sep;134(9):973-977.
[5] Safirstein BH, Taylor H, Park A, et al. Pharmacokinetics of Inhaled Levodopa Administered With Oral Carbidopa in the Fed State in Patients With Parkinson’s Disease. Clin Ther. 2020 Jun;42(6):1034-1046.
[6] Wiesner A, Paśko P, Kujawska M. Wie können Wirksamkeit und Sicherheit der Parkinson-Therapie optimiert werden? – Eine systematische Überprüfung der Wechselwirkungen von Arzneimitteln mit Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln. Curr Neuropharmacol. 2022;20(7):1427-1447."
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