Interview mit Constantin Wirth
Constantin Wirth ist Lehrer an einer Gesamtschule in Grevenbroich und unterrichtet dort unter anderem Sport. Nach seinem Lehramtsstudium war er zunächst Stipendiat im Rahmen eines Graduiertenkollegs zum Thema „Media and Movement affecting Mind“ an der Deutschen Sporthochschule Köln. Anschließend arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter im SportlehrerInnen-Ausbildungs-Zentrum (SpAZ). Seit 2009 leitet er Lehrerfortbildungen und ist nun auch für die Universitäre Weiterbildung im Einsatz. Als Referent unserer neuen Weiterbildung Multitasking am Ball gibt er sein Wissen an interessierte PädagogInnen und TrainerInnen weiter. Im Gespräch mit uns berichtet er von den Inhalten der neuen Veranstaltung und den Zusammenhängen von körperlicher Bewegung und kognitiver Entwicklung.
UW: Herr Wirth, was hat Sie motiviert, diese Weiterbildung mit uns ins Leben zu rufen?
Constantin Wirth: Als ich im Graduiertenkolleg die Verbindung zwischen körperlicher Aktivität und der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten kennen gelernt habe, war ich von dem Thema sofort fasziniert. Das war der erste Schritt zur Motivation. Als es dann mehr und mehr in Richtung Praxis und in die Lehrerausbildung ging, hat sich natürlich die Frage gestellt: Wie bringe ich das jetzt in die Sporthalle? Da habe ich gesehen, dass hier noch sehr viel Bedarf besteht. Wie kommt man mit so einem Thema an die Schülerinnen und Schüler heran? Wie setzt man das um? Wie verpackt man das in interessante Spiel- und Übungsformen? Das persönliche Interesse und der Bedarf an der Umsetzung in der Sportpraxis haben mich also am meisten motiviert, die Weiterbildung zu entwickeln.
Was erwartet die TeilnehmerInnen bei Multitasking am Ball?
Auf jeden Fall viel Praxis, es wird sich viel bewegt. Es gibt aber auch Hintergrundinformationen zum Konzept, also zur Frage „Warum funktioniert das eigentlich alles?“. Das finde ich persönlich hochspannend, weil man sich mit dem Konzept auch bestehende Praktiken anschauen kann und das, was man selber schon im Unterricht macht. Dazu gehören auch außersportliche Aspekte – der Blick über den Tellerrand wird die Teilnehmerinnen und Teilnehmer also auch erwarten. Was bringt körperliche Aktivität auch in anderen Fachbereichen und außerschulischen Lebensbereichen? All diese Perspektiven werden aufgezeigt. In erster Linie werden die Inhalte aber praktisch erprobt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden mit dem nötigen Rüstzeug ausgestattet, sie bekommen Unterrichtsverläufe und Materialien, die sie sich erstellen können. Sie sollen befähigt werden, die erlernten Inhalte direkt in der nächsten Stunde mal selber auszuprobieren.
Was sind die Ziele der Weiterbildung?
Das Hauptziel ist, den eigenen Fundus auszubauen und zu erweitern, vielleicht auch ein bisschen unkonventioneller mit den einzelnen Sportarten umzugehen. Wir beschäftigen uns zum Beispiel mit Basketball, aber auf eine Art und Weise, wie man es sonst nicht macht. Das ist schon ungewöhnlich, was wir in der Weiterbildung machen. Indem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Konzept verstehen, nach dem die erprobten Spiel- und Übungsformen gestrickt sind, können sie es auch auf alle erdenklichen anderen Bereiche im Sport übertragen. Sie bekommen also auch für ihr eigenes Repertoire, das sie ohnehin schon anwenden, einen neuen Blick und können es modifizieren. Das Konzept besteht, vereinfacht gesagt, in der bewussten Verknüpfung von bestimmten kognitiven mit körperlichen Aufgabenstellungen, die durch ihre Kombination neu und herausfordernd wirken.
Wie können die Schülerinnen und Schüler auch außerhalb des Sportunterrichts von dem Konzept und den Übungen profitieren?
Es gibt ja immer eine Reflexionsphase, in der die Schülerinnen und Schüler überlegen, was sie da eigentlich gerade gemacht haben. Wir sind gelaufen, wir haben währenddessen aber auch gerechnet. Wir haben unterschiedliche kognitive Aufgabenstellungen erfüllt und mussten uns dabei auch Bewegungsabläufe merken. Wir haben viele Aufgaben gleichzeitig gelöst, es war Multitasking am Basketball. Wo muss ich das denn noch machen? Wo muss ich mir denn noch viele Dinge merken? Wo muss ich denn noch zum Beispiel viele Aufgaben gleichzeitig lösen? Dann kommen die Kinder natürlich drauf: zum Beispiel im Unterricht. Wenn mich rechts jemand ablenkt und ich mich links fokussieren möchte. Dann brauche ich sowas wie Impulskontrolle, dass ich das Unwichtige ausblenden kann und das Wichtige, worauf ich mich fokussieren will, auch wirklich fokussieren kann. Vielleicht möchte ich auch irgendwelche Aufgabenstellungen, die ich gerade noch bearbeitet habe, in meinem Gedächtnis behalten können, während ich eine andere Aufgabe bearbeite. Dazu in der Lage zu sein, lernt man auch im Rahmen des Sports und zwar auf eine besondere Weise, die viel Spaß machen kann.
Mit Schülerinnen und Schülern welcher Klassenstufe können die Übungen durchgeführt werden?
Die Hauptzielgruppe liegt bei Kindern zwischen der 5. und 13. Klasse. Die eine Übung ist sicherlich mehr für Jugendliche, die andere besser für Kinder geeignet, sie lassen sich aber auch modifizieren. Je nach Bedarf kann also darüber nachgedacht werden, wie eine Übung vereinfacht, erschwert oder mit einem bestimmten Fachbereich verknüpft werden kann. Diese Möglichkeiten bestehen. Es hat auch schon eine Übungsleiterin für Senioren an dieser Fortbildung teilgenommen. Das war für mich persönlich Neuland und ich habe sie gefragt, inwieweit sie die erlernten Inhalte für sich nutzen kann. Sie sagte, dass sie da ganz viel daraus machen könnte und die Übungen auch für Senioren viele Einsatzmöglichkeiten bieten. Hier müssen natürlich weitere Faktoren wie Sturzprophylaxe beachtet werden.
Für wen ist die Weiterbildung also geeignet?
In erster Linie für Lehrerinnen und Lehrer, Lehramtsanwärter und Lehramtsstudierende. Aber auch für alle anderen, die sich dafür interessieren, wie körperliche Aktivität und kognitive Entwicklung miteinander zusammenhängen – beispielsweise Trainerinnen und Trainer in Vereinen. Im Grunde ist es für alle sportinteressierten Menschen ein spannender Bereich, den man in der Weiterbildung kennen lernen kann.
Möchten auch Sie die Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und kognitiver Entwicklung genauer untersuchen und ganz neue Spiel- und Übungsformen kennenlernen? Unsere nächste Weiterbildung Multitasking am Ball findet am 30. November 2019 statt. Zur Anmeldung und zu weiteren Informationen geht es hier: Multitasking am Ball